Geschüttelt und gerührt

geschrieben von Ernst Antoni

5. September 2013

Die Jahre 1933 und 1968 als seltsame Medien-Mischung

März-April 2008

Spätestens mit Beginn des „Erinnerungsjahres“ 2008 mit seinen Jahrestagen – bezogen auf 1933, 1938 und schließlich 1968 – wurde es munter in Publizistik und audiovisuellen Medien. Der 30. Januar, die 75. Wiederkehr des Tages der Installation des NS-Regimes, gab – noch dazu in unmittelbarer Nachbarschaft zum Internationalen Holocaustgedenktag am 27. Januar – Gelegenheit, in Wort, Bild und Ton zurück zu blicken auf die Anfänge des deutschen Faschismus. Nur beim öffentlich-rechtlichen ZDF schien man der Ansicht zu sein, dass das Thema für einen Sonntag, 27. Januar, doch zu schade sei. Weshalb das Spielfilmdrama „Das Wunder von Berlin“ über den Sender lief: Wenn schon Geschichte, dann bitte Berliner Mauer!

Man blamiert sich, so gut man kann. Auf andere Art machte das die „Frankfurter Rundschau“, eine Zeitung, die auch schon bessere Zeiten gesehen hat. Sie gab Raum für die bislang abenteuerlichste Verquickung der Jahre 1933 und 1968. Ein „Alt-68er“ – so nennt man in den Medien alle, die damals in der alten BRD jung waren und irgendwo mitdemonstriert haben oder dies zumindest heute von sich behaupten -, der Historiker Götz Aly, hat einen Geschichtscocktail gemixt. Die Quintessenz dessen, was nun auch als Buch mit dem Böses ankündigenden Titel „Unser Kampf. 1968 – ein irritierter Blick zurück“ vorliegt, stand am 30. Januar (!) 2008, vierseitig in der Frankfurter Rundschau. So überschrieben: „Die Väter der 68er. Vor 75 Jahren kam Hitlers Generationenprojekt an die Macht: die 33er“.

Geschüttelt und gerührt vermengt der Autor damalige Lebensalter von 33er- und 68er-Protagonisten (weil es um „Jugenddiktaturen“ geht), brennende Bild-Zeitungen und Bücher-Scheiterhaufen der Nazis, Inhumanes und Intolerantes bei einigen linken Zirkeln 1968 mit Massenmorden des NS und bemüht als Gewährsmann für seine Thesen unter anderem ausgerechnet den Ex-Nazi und späteren Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger.

Die wissenschaftliche Unzulänglichkeit seiner Polemik gegen die 68er – „Tabubrecher“ Aly hat anderenorts auch schon über den NS-Staat als Sozialstaat publiziert – haben seriöse RezensentInnen inzwischen vielfach nachgewiesen. Eines allerdings fällt auf: Auch in ordentlichen Untersuchungen über das Jahr 1968 in der BRD und dem, was ihm voranging, fehlt fast immer ein unverzichtbarer Bezug: Auf die außerparlamentarische Bewegung gegen die Mitte der 60er-Jahre gegründete und bereits in eine Reihe von Länderparlamenten eingezogene neofaschistische NPD, die schon damals gegen Ausländer hetzte und „Sicherheit durch Recht und Ordnung“ auf ihre Plakate geschrieben hatte.