Mahntafeln und Rallye

geschrieben von Ulrich Sander

5. September 2013

VVN-BdA NRW klärt über Verbrechen der Wirtschaft auf

Jan.-Feb. 2012

Ulrich Sander, Von Arisierung bis Zwangsarbeit: Verbrechen der Wirtschaft an Rhein und Ruhr 1933 bis 1945. 180 Seiten, Papy Rossa Verlag Köln, 12,90 Euro

Unter den in Medien bekanntgegebenen Jahrestagen, die im neuen Jahr begangen werden, suchen wir vergeblich den 26. Januar. Antifaschisten werden ihn in Düsseldorf begehen. Es handelt sich um den 80. Jahrestag des Treffens Hitlers mit der Industrie im Industrieclub, der sich noch heute im Steigenberger Park-Hotel befindet. Eine 500-köpfige Elite der Industrie-Gesellschaft, eingeladen vom Henkel- und Thyssenkonzern, nahm daran teil. Darunter auch der Oberbürgermeister von Düsseldorf, Dr. Robert Lehr, der später unter Adenauer Innenminister wurde und das KPD-Verbot durchsetzte. Hitler sprach auf dem Treffen darüber, dass der Marxismus ausgerottet werden solle, er wolle die Gewerkschaften zerschlagen, das Parteiwesen, bei ihm das »Parteiunwesen«, beseitigen, also die Demokratie abschaffen; die Reichswehr solle aufgerüstet und kriegsfähig werden, und er wolle Lebensraum im Osten gewinnen. Im Grunde genommen hat Hitler damals bereits das ganze Programm dargelegt, das dann zur Nazi-Diktatur und in die Katastrophe führte. Im Verlaufe seines Vortrages zeigte sich mehr und mehr Zustimmung und die Zeitungen schrieben am nächsten Tag, dass lang anhaltender Beifall Hitler für seine Ausführungen belohnt habe. Bei Mahnwachen zum 26. Januar am Park-Hotel wurde von der VVN-BdA wiederholt verlangt: Es müsste hier eine Tafel mit der Aufschrift angebracht werden: «1932 – Hier bekam Hitler von der Industrie Beifall und Geld. Hier wurden die Weichen zum Krieg gestellt.«

In anderen Städten wurden inzwischen Mahntafeln aufgestellt, oder ihre Planung wurde beschlossen. So am Stadtwaldgürtel in Köln, wo Hitler und der Bankier von Schröder Anfang 1933 zusammen mit von Papen (Zentrum) die Weichen zur Machtübertragung am 30. Januar stellten. So in Dortmund und Gelsenkirchen, wo Mahntafeln das Wirken der Thyssen und Kirdorf, der sehr frühen Hitlerfinanziers schildern sollen. An die I.G. Farben erinnert nahe dem Bayer-Werk in Leverkusen eine Tafel, die aus privater Initiative aufgestellt wurde. Bezeichnenderweise ist diese immer wieder Zielpunkt für Angriffe der ach so antikapitalistischen Neonazis.

Mit Anträgen und Aktionen zur Schaffung solcher Mahntafeln setzt die VVN-BdA von Nordrhein-Westfalen ihre Rallye »Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945«fort, in deren Rahmen mit örtlichen Mahnwachen, Publikationen und Bürgeranträgen zur Aufklärung über die Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945 aufgefordert wird. Sie wurde von der VVN-BdA und anderen Antifaschistinnen und Antifaschisten veranstaltet in: Bielefeld (Oetker), Herten (Zwangsarbeit im Bergbau), Dortmund-Mitte (Ex-Springorum-Villa), Dortmund-Hörde (Zwangsarbeit in der Stahlindustrie), Essen (Krupp), Mülheim (Thyssen), Kreuztal (Flick) und Siegen (Zwangsarbeit in Südwestfalen). Weitere Anträge liegen in Bonn (Abs), Marl (Degussa/Degesch) und Hagen (Quandt) vor oder es werden Aktionen in mehreren Städten vorbereitet. Eine erste Bilanz – und zugleich eine Anregungen zur Nachahmung auch außerhalb Nordrhein-Westfalens – soll in einem Buch »Von Arisierung bis Zwangsarbeit«gegeben werden, das in einigen Wochen erscheint und die Verbrechen der Wirtschaft an Rhein und Ruhr von 1933 bis 1945 zum Thema hat.

Zusammengenommen werden die Tafeln wie auch die Dokumentationen eine Art virtuelle Gedenkstätte bilden. Ihre bisherigen Standorte sind schon jetzt unter www.nrw.vvn-bda.de zu finden, und zwar unter dem Logo des bekannten Heartfield-Bildes vom Sinn des Hitlergrußes mit der geöffneten Hand des »Führers«, die von Milliardären gefüllt wird. Die Initiatoren sind sich bewusst, dass die Erinnerung an die Schuld der ökonomischen Eliten an Krieg und Faschismus nicht dem Trend der Zeit entspricht. Aus Gedenkstätten in Ostdeutschland wurde die Erinnerung an die Täter in Nadelstreifen getilgt. Das 200jährige Firmenjubiläum Krupps in Essen ging mit Hochglanzbroschüren über die Bühne. Sklavenarbeiter? Die wurden Krupp doch zugewiesen! Es war der verstorbene Ignatz Bubis, Zentralrat der Juden in Deutschland, der in Kreuztal im Flick-Gymnasium den Anstoß zur Namensumbenennung gab. Er wies darauf hin, dass nunmehr fast alle Berufsgruppen ihre NS-Geschichte aufgearbeitet haben, nur nicht die der Unternehmer. Bubis, der einst selbst als KZ-Häftling in einem Flick-Betrieb arbeiten musste, zeigte sich betroffen über die Begründungen – Flick der große Mäzen -, die gegen eine Namensänderung vorgetragen wurden. Doch seine Anregung setzte sich durch.