Nicht einschüchtern lassen

5. September 2013

Am 18./19. Februar werden wir den Naziaufmarsch in Dresden erneut
blockieren

Jan.-Feb. 2012

Markus Tervooren von der VVN-BdA Berlin zu den Aktivitäten des Bündnisses »Dresden nazifrei« rund um den Neonaziaufmarsch im Februar in Dresden, Bündnispolitik und seine Probleme mit der Dresdener Staatsanwaltschaft. Interview: Martin Schirdewan

Die Berliner VVN-BdA wird den Prozess in Dresden beobachten. Spenden dafür sind erwünscht.

Konto der Berliner VVN-BdA e.V.

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Kontonummer: 315 904105

Blz:100 100 10

Stichwort: Blockieren ist unser Recht

antifa: Du hast vor kurzem Besuch erhalten, inszeniert durch die sächsische Staatsanwaltschaft. Was war der Grund dafür?

M. Tervooren: Die Dresdener Staatsanwaltschaft und Beamte der SoKo 19-2, der Dresdener Polizei und des LKA Berlins haben in Berlin am 13. Oktober ab 6.00 Uhr zwei Wohnungen durchsucht, darunter auch das Haus in Kreuzberg, in dem ich wohne. Anlass sind Ermittlungen der Dresdener Staatsanwaltschaft gegen mich und andere, nach § 125 – Besonders schwerer (aufwieglerischer) Landfriedensbruch. Begangen haben sollen wir den anlässlich des »66. Jahrestags der Bombardierung Dresdens«, heißt es in den Ermittlungsakten. Das ist natürlich Quatsch – es geht um die erfolgreichen Blockaden des Neonaziaufmarschs am 19. Februar 2011 in Dresden. Die Staatsanwaltschaft ist der Meinung, ich hätte mittels einer »blau-weiß quergestreiften Fahne mit rotem Dreieck« eine 400 – 500-köpfige Menge zu verschiedenen Punkten in Dresden dirigiert, um dort die Neonazis zu blockieren. Als ob die zehntausenden Antifaschist_innen »Rädelsführer« gebraucht hätten, um in Dresden die Neonazis zu stoppen. Genau deshalb sind sie ja aus ganz Deutschland angereist.

antifa: Wirst Du Dich wegen der Ermittlungen in Deiner politischen Arbeit einschränken lassen?

M. Tervooren: Sicher nicht, Aus dem Ermittlungsverfahren ist mittlerweile eine Anklage geworden, die die Dresdener Staatsanwaltschaft vor wenigen Tagen an das Schöffengericht des Amtsgerichts Dresden übermittelt hat. Die Staatsanwaltschaft geht also von einer hohen Strafe aus. Ich rechne nun jeden Tag mit der Eröffnung der Hauptverhandlung. Als Antifaschist und Mitglied der VVN-BdA sehe ich es als meine Aufgabe an, gegen Neonazismus, Rassismus, Antisemitismus einzutreten. Und dabei auch ganz offensiv Gesicht zu zeigen. Ziviler Ungehorsam heißt auch, in Kauf zu nehmen, mal Ärger zu bekommen, um damit größeren »Ärger« – nämlich die Neonazis und die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse, die z.B. den alljährlichen Versuch von tausenden von Neonazis in Dresden zu marschieren, erst ermöglichen – anzuprangern und zu bekämpfen.

antifa: Die Kriminalisierung von zivilgesellschaftlichem Protest nimmt groteske Züge an, gerade vor dem Versagen der Behörden bei rechtsextremistischen Terroristen. Wie reagieren die Leute in Deinem Umfeld darauf?

M. Tervooren: Ja, es stimmt, die Kriminalisierung nimmt beängstigende Züge an. Es wird ja immer noch gegen Hunderte ermittelt und dutzende Verfahren sind schon eröffnet worden, darunter auch etliche auf Grundlage des Paragraphen 129 – Bildung einer kriminellen Vereinigung. Und das ist vermutlich nur die Spitze des Eisbergs. In meinem politischen und persönlichen Umfeld wird dies aber als Ansporn genommen, wieder nach Dresden zu fahren. Da gibt es eine produktive Mischung aus Trotz und Zuversicht, gemischt mit einer gewissen Vorfreude, die Nazis wieder zum Stehen zu bringen.

antifa: Wie stark wird die Bündnisarbeit durch das Vorgehen der staatlichen Behörden belastet?

M. Tervooren: In der Bündnisarbeit ist ähnliches zu beobachten wie in meinem Umfeld. Man will sich die Art und Weise, sich gegen Neonazis zu engagieren, nicht (mehr) von denjenigen vorschreiben lassen, die im Kampf gegen rechts so jämmerlich versagt haben. Man will sich keinen Schere im Kopf oder eine bündnispolitische »Extremismusklausel« aufdrängen lassen. Das Bündnis wird eher noch breiter werden als in den vergangenen Jahren. Wir können ja auch mittlerweile eine Menge guter Erfahrungen teilen. Aber es ist sicher kein schönes Gefühl, im Fokus der Ermittlungsbehörden zu stehen und vielleicht schon im Vorfeld ausgeforscht zu werden.

antifa: Der Februar 2012 rückt näher. Kannst Du da schon Näheres über die Mobilisierung nach Dresden sagen?

M. Tervooren: Das Bündnis »Dresden Nazifrei«, dem ja auch die VVN-BdA angehört, wird am 13. Februar einen antifaschistischen »Spaziergang« vorbei an Orten des antifaschistischen Widerstands und der Verfolgung durchführen, der die NS-Täter und Tatorte in den Fokus nehmen wird. Am darauffolgenden Wochenende, dem 18./19. Februar, werden wir wie in jedem Jahr den Neonaziaufmarsch blockieren.

antifa: Dein Urteil zu einem möglichen NPD-Verbot: Welche Bedeutung hätte das Verbot insgesamt für die rechte Szene und ganz konkret für den Naziaufmarsch in Dresden?

M. Tervooren: Die NPD und Holger Apfel haben den Aufmarsch in Dresden als den wichtigsten für die NPD bezeichnet. Die NPD stellt natürlich auch wichtige Infrastruktur, z.B. für die Anreise. Durch ein NPD-Verbot würde diese wegfallen. Andererseits ist der Aufmarsch für die NPD und ihre Anhänger und Sympathisanten eine »NS-Erlebniswelt«, in der sich eine faschistische Normalität »vorwegnehmen« lässt. Aber ein Verbot der NPD wäre auch ein klares Signal an die deutsche Gesellschafft, dass solch ein Naziaufmarsch eben nicht durch die Meinungsfreiheit und das Demonstrationsrecht gedeckt ist, dass zur Demokratie eben nicht der Polizeischutz für ihre ärgsten Feinde gehört.