Verfemt, verdrängt, verehrt

geschrieben von Heinrich Fink

5. September 2013

Eine Erinnerung an den Hitler-Attentäter Georg Elser

Nov.-Dez. 2011

Peter Steinbach, Johannes Tuchel

Georg Elser, der Hitler-Attentäter

be.bra verlag, Berlin, 19,95 Euro

Joseph Peter Stern zu Georg Elser: »Die Freiheit, die sich Elser durch seine Tat sicherte, war begrenzt, wie es unsere Freiheit stets ist, aber nicht befleckt; die Entscheidung, die er traf gegen die Ideologie, für Anstand und Gerechtigkeit war die Entscheidung eines freien Mannes.«

Ab 8. November wird in Berlin ein ungewöhnliches Denkmal an den Hitler-Attentäter Georg Elser erinnern. Der Berliner Künstler Ulrich Klages hat den europaweit ausgelobten Kunstwettbewerb gewonnen. Er nennt seine Arbeit ein Denkzeichen. Es ist eine 17 Meter hohe geschwungene filigrane Stahlskulptur mit der Silhouette des Gesichtsprofils des schwäbischen Schreiners Georg Elser, der den Nazidiktator, um Krieg und Menschheitselend zu verhindern, »aus der Welt schaffen« wollte. Das Denkmal beginnt in der Dunkelheit in den Baumkronen zu leuchten. Als Standort ist ein historischer Ort gewählt: die Ecke Wilhelmstraße/An der Kolonnade. Hier stand die von Albert Speer gebaute Neue Reichskanzlei Hitlers und das Gestapo-Verhörgebäude in der Prinz-Albrecht-Straße, jetzt die Topografie des Terrors. Nicht weit befindet sich das Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Permanenter Mahner für dieses Denkzeichen deutscher Geschichte war und ist Rolf Hohheit, der sich dafür einsetzte, dass der beinahe vergessene Attentäter nicht aus dem historischen Gedächtnis verschwindet.

Über Georg Elser schreiben Peter Steinbach und Johannes Tuchel in ihrem im be.bra wissenschaft verlag Berlin erschienenen Buch: »Georg Elser, der Hitler-Attentäter.« In schonungsloser Offenheit gehen sie den Gründen nach, die zur Verdrängung des Ereignisses vom 8. November 1939 im Münchener Bürgerbräukeller geführt haben, weshalb Georg Elser lange Zeit nicht als Widerstandskämpfer galt und als verschrobener Sonderling angesehen wurde, sogar als Kollaborateur der Gestapo verdächtigt wurde. Weshalb wurden die Quellen aus Archiven, die seit den sechziger Jahren vorliegen, die Gestapo-Unterlagen, die bekannt waren, nicht historisch angemessen verarbeitet?

Die Autoren klären auf und legen die Fehlurteile ihrer Historikerzunft schonungslos offen. Sie gehen dem Lebenslauf von Georg Elser nach, analysieren sein familiäres und politisches Milieu und würdigen seine Entscheidungen. Sie kommen zu dem Schluss, dass einem Arbeiter offenbar nicht zugetraut wurde, dass er selbstständig zu politischen Entscheidungen kommt, die ihn zum Handeln zwingen: Es war die systematische Kriegsvorbereitung, die Georg Elser bei seiner Arbeit in der Rüstungsindustrie 1937/38 direkt beobachtete. Sie musste zum Krieg führen, um rentabel zu sein.

Sein zentrales Motiv lässt sich in seiner Aussage vor der Gestapo deutlich erkennen: »Ich wollte ja auch durch meine Tat ein noch größeres Blutvergießen verhindern.« Seiner Mutter Maria Elser antwortete er bei einer Gegenüberstellung mit der gesamten Familie im November 1939 auf die Frage: »Georg, warum hast Du das getan?«, in ebenso klaren Worten: »Mutter, ich habe den Krieg verhindern wollen.«

Als Arbeiter war er ein radikaler Hitler-Gegner. Hitler bedeutete für ihn Krieg. Krieg bringt Hunger, Krieg hieß für ihn Tod. Er handelte logisch gegen den Krieg und bereitete allein alles vor, um Hitler umzubringen. Dazu entwarf und konstruierte er einen Sprengkörper und überlegte, wo er am sichersten mit größtem Erfolg angebracht werden konnte. Am 9. November sprach Hitler jährlich im Bürgerbräukeller. Daten und Fakten, die Elser zur Tat trieben, werden anschaulich geschildert,.

Noch vor der Explosion des Sprengkörpers wurde Georg Elser bei dem Versuch, in Konstanz die Schweizer Grenze zu überschreiten, gefasst. Fast fünf Jahre war er in Isolationshaft, bevor er am 9. April 1945 im Konzentrationslager Dachau ermordet wurde.

Die Verschwörungstheorie der Nazis in Bezug auf den Hintergrund des Attentates lautete: eine Aktion des britischen Geheimdienstes mit jüdischen Handlangern. Die »Vorsehung« wurde beschworen und in den Schulen sowie in den Kirchen wurde gesungen: »Nun danket alle Gott.«

An der Biografie Elsers wird gleichzeitig eine Milieu- und Zeitgeschichte der Deutschen und der faschistischen Umtriebe beschrieben, die in der Nachkriegszeit nicht nur verdrängt, sondern auch verteidigt wurden; da passte der eigensinnige Elser nicht hinein.

Das einzige erste Zeichen öffentlicher Erinnerung an Georg Elser errichtete die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes 1972 nach heftigen Diskussionen in der 1971 angelegten »Georg-Elser- Anlage« in Schnaitheim mit einem kleinen Felsblock, auf der eine Bronzetafel an seine mutige Tat gegen Krieg und für den Frieden aller Menschen erinnert.