Was ist Rechtspopulismus?

geschrieben von Christoph Butterwegge

5. September 2013

Die Zustimmung zu seinen Inhalten wächst auch in Deutschland

Nov.-Dez. 2011

Prof. Dr. Christoph Butterwegge ist Politikwissenschaftler in Köln

Bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus haben die als »rechtspopulistisch« bezeichneten Gruppierungen (»Die Freiheit« und »Pro Deutschland«) gemeinsam zwar kaum mehr Stimmen als die NPD und alle drei zusammen weniger als die Hälfte der Piraten erhalten, ihr Einfluss lässt sich jedoch nicht ausschließlich daran festmachen. Vielmehr zeigt die Resonanz des Buches »Deutschland schafft sich ab« von Thilo Sarrazin, dass der Rechtspopulismus bei einem großen Teil der Bevölkerung auf Zustimmung stößt, wenngleich seine Parteien in der Bundesrepublik anders als in vielen Nachbarstaaten (noch) nicht erfolgreich sind.

Als rechtspopulistisch sollten jene Partei-Organisationen, Strömungen und Bestrebungen bezeichnet werden, die den Dualismus von »Volk«, »Bevölkerung« bzw. »mündigen Bürgern« und »Elite«, »Staatsbürokratie« bzw. »politischer Klasse« zum Dreh- und Angelpunkt ihrer Agitation und Propaganda machen, ohne militante Züge aufzuweisen und Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele anzuwenden oder anzudrohen. Innerhalb des Rechtspopulismus kann man vier Grundvarianten unterscheiden:

1. Wenn die Kritik an einem vermeintlich überbordenden, die Volkswirtschaft lähmenden und den eigenen Wirtschaftsstandort gefährdenden Wohlfahrtsstaat im Mittelpunkt der Propaganda einer Rechtspartei steht, wäre von »Sozialpopulismus« zu sprechen. Man nutzt den unterschwellig vorhandenen, oft in der politischen und medialen Öffentlichkeit geschürten Sozialneid gegenüber noch Ärmeren – in diesem Fall: den angeblich »faulen« bzw. »arbeitsscheuen« Erwerbslosen und Sozialhilfeempfängerinnen -, um von den eigentlichen Verursachern der sich vertiefenden Kluft im Land abzulenken. Von einem Sozialpopulismus kann aber dann nicht ernsthaft die Rede sein, wenn man kritisiert, dass Transferleistungen wie die Altersrente und die Arbeitslosenhilfe gekürzt bzw. gestrichen werden.

2. Konzentriert sich eine rechte Gruppierung auf die Stigmatisierung und Diskriminierung von Straffälligen, plädiert sie energisch für »mehr Härte« der Gesellschaft im Umgang mit ihnen und nimmt sie besonders Drogenabhängige, Bettler und Sexualstraftäter ins Visier, um die Wähler/innen mit einem Szenario der permanenten Bedrohung zu erschrecken, handelt es sich um Kriminalpopulismus, der die »anständigen Bürger« gegen den »gesellschaftlichen Abschaum« mobilisiert und seine Kampagnen auf dem Rücken von sozial benachteiligten Minderheiten inszeniert.

3. Steht mehr der staatliche Innen-außen-Gegensatz bzw. die angebliche Privilegierung von Zuwanderern gegenüber den Einheimischen oder die »kulturelle Überfremdung« im Vordergrund, handelt es sich um Nationalpopulismus. Charakteristisch ist für ihn, dass die zunehmende Pauperisierung breiter Bevölkerungsschichten, übrigens vor allem ethnischer Minderheiten, nicht etwa als Konsequenz ihrer Diskriminierung (z.B. im Bildungsbereich sowie auf dem Arbeitsmarkt) und einer ungerechten Verteilung der gesellschaftlichen Ressourcen, vielmehr als Resultat der zu großen Durchlässigkeit bzw. Aufhebung der Grenzen für Migranten thematisiert und die Angst vor einer »Überflutung« bzw. »-fremdung« durch diese kultiviert wird.

4. Sofern eine Rechtspartei neben den genannten Themen die »Systemfrage« in den Mittelpunkt rückt und sich vor allem die verbreitete Enttäuschung über ihre etablierten Konkurrentinnen auf dem »Wählermarkt« und die Entfremdung vieler Bürger gegenüber dem bestehenden Regierungs- bzw. Parteiensystem (»Politikverdrossenheit«) zunutze macht, das sie mit Korruption gleichsetzt und aus prinzipiellen Erwägungen ablehnt, erreicht die populistische Zuspitzung eine andere Qualität, was die Bezeichnung »Radikapopulismus« rechtfertigt. Bei dieser Variante legt eine populistische Bewegung den Maßstab für ihr eigenes Verhalten sehr hoch. Umso leichter kann sie daran gemessen und – wie schon oft geschehen – selbst der politischen Unfähigkeit, Inkompetenz und Korruptionsanfälligkeit überführt werden.