Das Lager Groß-Rosen

geschrieben von Gerald Netzl

9. September 2013

Eine Gedenkstätte, die beachtet werden sollte

Juli-Aug. 2013

Das in Niederschlesien westlich von Breslau / Wrocław gelegene Lager Groß-Rosen (heute Rogoźnica) wurde von der SS im August 1940 als Außenlager des KL Sachsenhausen gegründet. Die Häftlinge mussten Zwangsarbeit im örtlichen Steinbruch leisten, der kurz vorher von der DESt (Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH, einem SS-Unternehmen) erworben worden war. Am 1. Mai 1941 erhielt Groß-Rosen den Rang eines eigenständigen Konzentrationslagers (Lagerstufe II, für »schwer belastete, jedoch erziehungs- und besserungsfähige Schutzhäftlinge«, wie es im SS-Jargon hieß). In den ersten beiden Jahren seines Bestehens war das Lager vergleichsweise klein und diente hauptsächlich der Steinproduktion. Infolge der vernichtenden zwölfstündigen Steinbruch-Arbeit täglich, den Hungerrationen, fehlender Schutzkleidung, der ständigen Misshandlung durch »grüne« Kapos und SS-Wachmannschaften war die Sterblichkeit hoch. Seit 1943 betrieb die Gestapo Breslau hier auch ein sogenanntes »Arbeitserziehungslager«.

Ein grundlegender Ausbau des Lagers erfolgte 1944, davor waren zwischen 500 und 1.000 Häftlinge monatlich inhaftiert. Sowohl der Charakter des Stammlagers wandelte sich (von der »Vernichtung durch Arbeit« hin zur höchstmöglichen Ausnutzung der Arbeitskraft) und es entstanden 100 Außenlager, vor allem in Niederschlesien, den Sudeten und auf den Mittelodergebieten, d. h. im heutigen Polen, Tschechien und Deutschland. Im Eulengebirge, das ist südlich des Stammlagers, mussten die Häftlinge einen riesigen unterirdischen Tunnelkomplex für ein geplantes Führerhauptquartier anlegen. Diese große Außenlager hieß »Arbeitslager Riese« und setzte sich aus vier großen und zwölf kleineren Lagern zusammen. Diese wurden von der Organisation Todt verwaltet. Niederschlesien galt als der »Luftschutzkeller« des Nazi-Reiches, sodass 1943 und 1944 auch Teile der westdeutschen Rüstungsindustrie dorthin verlegt wurden.

Bis zum 10. Juni 1944 überschritt die laufende Häftlingsnummerierung die Zahl 49.200. In den letzten Monaten des Jahres 1944 wurden ca. 1730 sog. »Nacht und Nebel«-Häftlinge, d. h. hauptsächlich Mitglieder der Widerstandsbewegung aus Belgien und Frankreich, die unter Geheimhaltung ihres späteren Schicksals ins Reich deportiert wurden, nach Groß-Rosen gebracht.

Insgesamt mussten durch das KL Groß-Rosen und seine Außenlager etwa 125.000 Häftlinge gehen, darunter 2.500 sowjetische Kriegsgefangene, die fast alle erschossen wurden, sowie Ende 1944 zigtausende »evakuierte« Häftlinge aus Au-schwitz. Die weitaus größte Häftlingsgruppe kam aus Polen (davon etwas mehr Juden als Nicht-Juden), danach Bürger der Sowjetunion sowie aus weiteren 23 Ländern. Die ungefähre Opferzahl wird auf 40.000 Menschen geschätzt, die SS vernichtete 1945 alle Unterlagen. Am 13. Februar 1945 erreichten Sowjetsoldaten der 70. motorisierten Brigade der 3. Gardepanzerarmee das vollständig verlassene, leere Lager Groß-Rosen.

Ein erstes Mahnmal wurde 1953 auf dem ehemaligen Lagergelände errichtet. Im Jahr 1983 wurde ein Museum ins Leben gerufen, das heute in verschiedenen Ausstellungen in wieder errichteten Häftlings-Baracken und SS-Gebäuden eine Reihe von Originalgegenständen zeigt. Museum bzw. Gedenkstätte werden von der niederschlesischen Woiwodschaft betreut, das Engagement und das Bemühen der Mitarbeiterinnen nach einer zeitgemäßen Ausstellung mit modernen Mitteln muss man würdigen. Eine bessere finanzielle Ausstattung wäre wünschenswert, damit dieser Ort des Gedenkens und der Mahnung seinem Stellenwert entsprechend gestaltet werden kann. Der Besuch ist heute schon zu empfehlen.