Die Nazis im Nordosten

geschrieben von Axel Holz

9. September 2013

Fast täglich gibt es in Mecklenburg-Vorpommern braune
Aktivitäten

Juli-Aug. 2013

In einer kleinen Anfrage hatte Linken-Abgeordnete Barbara Borchert die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns nach Veranstaltungen der rechtsextremen Szene im Jahr 2012 gefragt. Auf elf Seiten führt das Innenministerium 150 rechtsextreme Veranstaltungen an. Hinzu kommen Aktionen, die lediglich dem Kontrollgremium vorgelegt wurden und eine weitaus höhere Dunkelziffer nicht erfasster Veranstaltungen.

Zu den typischen Nazi-Veranstaltungen zählen Nazi-Gedenken zum Holocaustgedenktag am 27. Januar in Neustrelitz, Aufkleber-Aktionen wie am 7. April in Teterow oder Plakate, mit denen am 9. Oktober in Friedland die Freiheit für einen verurteilten SS-Mörder gefordert wird. Beliebte Themen der Naziszene sind auch Provokationen gegen das Gedenken für die NSU-Opfer, vermeintliches Heldengedenken und die Instrumentalisierung von Bombenopfern des Zweiten Weltkrieges. Gleichzeitig sollen Ängste vor Asylbewerbern geschürt werden und es wird vor dem angeblichen Volkstod gewarnt. Flyer und Aktionen der »Unsterblichen« sollen für die »nationale Sache« mobilisieren.

Mit dem Aktionstag »Raus aus dem Euro« am 21. April und verstreuten Mahnwachen zur angeblichen Aufklärung über »Kinderschänder« wird im Norden das bekannte Themenspektrum der extremen Rechten regelmäßig bedient. Zum klassischen Repertoire der rechten Szene gehören Hitlergedenkfeiern, diesmal abgehalten in Bernitt und Hohen Trechow und die traditionelle Geschichtsverdrehung in Demmin, wo die Befreiung zum 8. Mai als »Vernichtung« verkehrt und als Trauermarsch inszeniert wurde. Ein Zentrum der Nazi-Aktivitäten in Mecklenburg-Vorpommern ist das Grevesmühlener »Thingh-Haus«. Dort ist neben dem Wahlkreisbüro der NPD auch der »Ring nationaler Frauen« aktiv, wird neben Rechtsrockkonzerten und Schulungen mit »De Meckelbörger Bote« die rechte Zeitungslandschaft bedient.

Erschreckend findet Linken-Abgeordnete Barbara Borchert die hohe Zahl von 25 aktiven Kameradschaften mit 210 bekannten Mitgliedern, darunter die »Nationalen Sozialisten Müritz«, der »Arische Widerstandsbund« aus Altentreptow und die »Völkische Burschenschar Strasbourg« sowie die »Ayan Warriors« aus Ückermünde.

Bemerkenswert ist die enge Zusammenarbeit zwischen NPD und neonazistischer Kameradschaftsszene, die durch die gemeinsame ideologische Ausrichtung befördert werde, kommentiert der Bericht des Innenministeriums. Zudem verfolge die Szene eine Strategie der Einschüchterung gegenüber politischen Gegnern, etwa durch Droh- und Verleumdungsaktionen.

Ein beliebtes Rekrutierungsmittel für die Nazi-Szene sind in Mecklenburg-Vorpommern Rechtsrockkonzerte. Davon fand ein Konzert im Grevesmühlener »Thing-Haus« statt, zwei im Szeneobjekt »Schweinestall« in Viereck, deutlich mehr aber im vorpommerschen Raum um Anklam. Elf Live-Konzerte registrierten die Behörden. Etwa 15 regionale Nazi-Bands sind aktiv und konzentrieren ihr Aufritte zunehmend auf private Feiern, darunter ein Konzert des »Hammerskin Chapter Pommern« am 28. April in Grevesmühlen mit 400 Teilnehmern, davon rund 160 aus anderen Bundesländern. Die herausragende Großaktion der rechten Szene war 2012 das Pressefest der »Deutschen Stimme« in Pasewalk. Begleitet von landesweiten Protesten musste das rechte Fest auf einen Tag verkürzt werden und die Besucherzahl früherer Konzerte von bis zu 7.000 sank auf 1.200 Teilnehmer.

Nicht unerheblich sind die überregionalen und internationalen Kontakte der nordöstlichen Naziszene. Nazis aus Mecklenburg-Vorpommern nahmen an sogenannten Trauermärschen in Sachsen-Anhalt ebenso teil, wie in Lübeck, Hamburg und Bad Nenndorf oder mit eigenem Bus am »Hammerfest« des »Hammerskin Chapter Schweiz« am 03. November im französischen Toul mit insgesamt 1.500 Teilnehmern.

Einen eher geringen rechtsextremen Einfluss sieht das Innenministerium in Elternvertretungen, Kinder- und Jugendgruppen sowie Vereinen. Der Landtagsabgeordnete der Linken Hikmat Al-Sabty warnt vor der wachsenden Rolle der Frauen in der rechten Szene. Die Nazi-Muttis halten Babykleiderbörsen ab, verteilen Propagandamaterialien und marschieren bei Demonstrationen mit. Im Lübthener »Hotel Hamburg« wurde der rechte Sportclub Sportfreunde Griese Gegend e.V.« gegründet. Auch bei den Neuburger »Sturmvögeln« mit engen Kontakten zur Artamanen-Szene bei Güstrow, mischen Frauen aktiv mit.