Hugo Geisslers Blutspur

geschrieben von Günter Wehner

9. September 2013

Gemeinsame Recherche eines deutschen und eines französischen
Historikers

Juli-Aug. 2013

Siegfried Grundmann/Eugène Martres: Hugo Geissler – vom Dresdner SA-Mann zum Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Vichy

Nora Verlagsgemeinschaft Dyck & Westerheide 2012, 478 S., br. 29,90 Euro.

Prof. Dr. Siegfried Grundmann verfolgte gemeinsam mit dem französischen Historiker Prof. Dr. Eugène Martres die langjährige Blutspur des Hugo Geissler. Die Autoren berichten, dass sich diese Spurensuche als außerordentlich schwierig erwies, da es nicht wenige Personen seines Namens mit unterschiedlicher Schreibweise gab, die bei der Gestapo bzw. der Polizei tätig waren.

Einleitend skizzieren die Autoren den Werdegang des Mannes der am 12. Juni 1944 von französischen Widerstandkämpfern erschossen wurde.

Breiten Raum widmet Grundmann dem brutalen Wirken des NS-Verbrechers Geissler von 1933 bis 1939 in Deutschland bei der Verfolgung deutscher Antifaschisten im Raum Dresden, bzw. in Sachsen insgesamt. Die akribische Arbeit des Autors fördert eine bemerkenswerte Faktenfülle zur verbrecherischen Tätigkeit des Kriminalkommissars Geissler zutage. Es ist unglaublich, wie viele Untaten auf das Konto dieses Mannes gingen, der seit 1933 im Dienst der Gestapo stand. Das Autorenteam belegt, wie gnadenlos Geissler bei der Zerschlagung antifaschistischer Gruppen des Sozialistischen Jugendverbandes (SAP), der »Roten Wehr« einer Nachfolgeorganisation des kommunistischen Rotfrontkämpferbundes (RFB) des Kommunistischen Jugendverbandes (KJVD), der KPD und der SPD vorging.

Die Autoren schildern Schicksale von Opfern Geisslers, dessen raffinierte und brutale Verhörmethoden dazu führten, dass jene nach dem Sturz des NS-Regimes von ihren Mitstreitern zu Unrecht des Verrats beschuldigt wurden, wie z. B. der Sozialist Horst Patzig und die Jungkommunistin Helene Fischer. Ausführlich wird geschildert, wie es Geissler gelang, V-Leute bzw. sich selbst in Widerstandsgruppen einzuschleusen, um sie zu zerschlagen.

Im Teil II der Publikation erfahren die Leser, dass Geissler ab 15. März 1939 zur Einsatzleitung der Gestapo in Prag gehörte. Knapp und präzise schildern die Autoren die Beteiligung des NS-Verbrechers bei der rücksichtslosen Verfolgung von Juden und deutschen Emigranten in der annektierten Tschechischen Republik. Der dritte Teil widmet sich wiederum mit einer Fülle sorgsam recherchierter Fakten dem verbrecherischen Wirken Geisslers als Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Vichy. Die Autoren belegen, dass Geisler beim Pétain-Regime die Auslieferung der führenden Sozialdemokraten Rudolf Breitscheid und Rudolf Hilferding an die Gestapo erzwang, die in den Kerkern des NS-Regimes umkamen.

Unbarmherzig jagte Geissler auch Kämpfer der Résistance, die in der Haft gefoltert wurden, bevor man sie ermordete. Am 12. Juni 1944 erschossen französische Partisanen den Gestapomörder, als er das Rathaus der Stadt Murat verlassen wollte. Dafür nahmen die deutschen Besatzer furchtbare Rache. Einhundertvier Einwohner des Ortes wurden verhaftet und in das KZ Neuengamme deportiert, dreiundsiebzig kamen dort um.

Die Autoren gehen auch auf die schwierige Proble-matik der Kollaboration ein und stellen abschließend fest, dass ihre Dokumentation über den NS-Verbrecher Geissler als Mahnung für die heutige Generation dienen möge.

Eine Literaturauswahl zur Thematik der vorliegenden Publikation regt sicher zum weiteren Nachforschen an.