Kein Fußbreit den Faschisten

geschrieben von Martin Schirdewan

9. September 2013

Der Stern der Thüringer Naziszene sinkt

Juli-Aug. 2013

Am 15. Juni 2013 mobilisierte die Neonaziszene erfolglos zum sogenannten »Thüringentag der nationalen Jugend« in die Stadt Kahla. Nur knapp 200 Rechtsextreme fanden ihren Weg in die in der Nähe Jenas gelegene Kleinstadt und trafen dort auf eine bunte und aktive Zivilgesellschaft, die sich ihnen mit kreativen Methoden in den Weg stellte.

Nach Vorstellung der thüringischen Neonazis sollte Kahla nach dem Niedergang des »Festes der Völker« in Jena ein Zentrum der Aktivitäten ihrer Szene werden. Tatsächlich wurde daraufhin in der Stadt selbst ein Anstieg rechtsextremer Betätigungen festgestellt. Doch sowohl die lokale Politik als auch die landesweite aktive Zivilgesellschaft waren und sind sich des Problems bewusst und agieren entsprechend klug. Als die Neonazis zum 15. Juni 2013 zum »Thüringentag der nationalen Jugend« – einer Neonazipropagandaveranstaltung mit Mucke und Blödsprech – mobilisierten, trafen weniger als 200 angereiste Rechtsextreme auf eine vom landesweiten Bündnis gegen Nazifeste organisierte »Meile der Demokratie«. Mehrere hundert aktive Bürgerinnen und Bürger Kahlas und zivilgesellschaftliche Akteure aus ganz Thüringen verwehrten den Rechtsextremen die Inbesitznahme des öffentlichen Raumes. Erfolgreich. Während die Antifaschisten den Pfarrer Lothar König auf ihrer Veranstaltung für sein aktives Engagement gegen jede Form des Rechtsextremismus ehrten und ihm so ihre Solidarität in seiner Auseinandersetzung mit der sächsischen Justiz wegen der Blockaden in Dresden erwiesen, misslang es den Neonazis in Kahla trotz Musik und Muskelspiel, weitergehende Aufmerksamkeit für sich zu erringen. Ein Trend, der sich hoffentlich verstetigt.

Als Ursache dafür, dass die Zeit der Großinszenierungen der Neonazis vorbei zu sein scheint, kommen mehrere Faktoren in Frage. Zum einen wirkt sich wohl die unglaubliche Effektivität der Selbstzersetzung der NPD aus. Ihr politischer Dilettantismus schadet dem parteiförmig organisierten Rechtsextremismus im Augenblick so sehr, dass man sich wünschen mag: mehr davon! Oder besser noch: gleich verbieten diese offenen Faschisten, bevor die NPD ihre Mobilisierungsfähigkeit evtl. wiedererlangt.

Auch scheinen die Neonazis nach den vergleichsweise erfolgreichen Anklängen in sub- und jugendkulturellen Zusammenhängen mittlerweile mit ihrer Charmeoffensive ans Ende ihres Lateins gelangt zu sein. Wer will noch verkleidet sein wie der black block und deutschsprachige Schrummelmucke hören? Wie uncool.

Doch wie tief sitzt der Schock des Auffliegens des NSU tatsächlich? Geht die rechtsextreme Szene durch die Bildung eines Mythos und einer falsch verstandenen Solidarität mit der Mörderbande aus dem NSU-Skandal und Prozess gestärkt hervor oder wenden sich Sympathisantinnen und Sympathisanten angewidert ab von den Mördern, ihrem Netzwerk und der Kultur, die solche Entartungen hervorbringt?

Trotz der Erkenntnis, dass es der rechtsextremen Szene derzeit in Deutschland nicht gelingt, ein irgendwie attraktives Politikangebot, und sei es auch nur für die eigenen Leute, zu unterbreiten, kann daher das antifaschistische Motto nur lauten: Wehret den Anfängen und natürlich auch den Resten!