Tausende wurden gerettet

geschrieben von Günter Buhlke

9. September 2013

Zur Ausstellung »Letzte Zuflucht Mexiko« in Berlin

Juli-Aug. 2013

Eine für die heutige Zeit couragierte Ausstellung in der Akademie der Künste hat nach erfolgreichen 18 Wochen Laufzeit ihre Pforten geschlossen. Das Thema war längst fällig. Es war dem Widerstand der Antifaschisten aus Deutschland, Österreich und Tschechien gegen den Hitlerfaschismus gewidmet. Als zweites Anliegen wollten die Organisatoren der Schau Mexiko und seinen Diplomaten Gilberto Bosques für seine mutigen Taten ehren. Mit der Erteilung von Visa ermöglichte er die Flucht Tausender vor der deutschen Gestapo und rettete die Antifaschisten und Juden unter ihnen vor Konzentrationslager und Tod, nachdem ihr Asylland Frankreich durch die Wehrmacht besetzt wurde. Anna Seghers setzte Bosques mit ihrem Roman »Transit« ein literarisches Denkmal.

Gezeigt wurden 25 Biografien-Boxen mit persönlichen Dokumenten und neun Informationstafeln zum Thema. Meist unter dramatischen Umständen flüchteten die Emigranten nach Mexiko. Das Land war mit seiner traditionellen Politik zur Aufnahme der Flüchtlinge bereit.

Die politisch engagierten Antifaschisten gründeten in Mexiko 1942 die für alle Emigranten offene »Bewegung Freies Deutschland« (BFD) als Sammelpunkt zur gegenseitigen Unterstützung und des Kampfes. Ihr Credo: Die Gemeinsamkeit macht stark gegen den Faschismus, der in Deutschland Geld und geistige Unterstützung bis in die höchsten Schichten der Gesellschaft fand. Zum Kern der BFD gehörten kommunistische und sozialdemokratische Politiker, Menschen jüdischen Glaubens, Wissenschaftler, Künstler. Beispielsweise P. Merker, A. Abusch, A. Seghers, B. Frei, L.Katz, E.E. Kisch, L. Renn, W. Janka, K. Stern,G. Duby u.v. m. Der Historiker W. Kießling schätzte die Zahl der deutschsprachigen Flüchtlinge ab 1933 nach Lateinamerika auf 100 000 Personen.

Die Ausstellung rückte die dunkle Geschichte der erzwungenen Emigration deutscher Humanisten wieder in das Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit. Sie dokumentierte auch die Rückkehr nach dem II. Weltkrieg. Ein großer Teil der Emigranten ging nach Ostdeutschland als ihre politische Heimat, und nicht, nach ihren Lebenserfahrungen mit Krisen, Kriegen und sozialen Ungerechtigkeiten, nach Westdeutschland. Thomas Mann wurde in den Westzonen 1947 tief beleidigt Er wählte die Schweiz zum Wohnsitz. In der späteren DDR haben die Emigranten allgemein Anerkennung erfahren. Verantwortungsvolle Wirkungsfelder wurden ihnen anvertraut. Doch nicht alles verlief gut. Walter Janka, der in Ostberlin den Aufbauverlag geleitet hatte, wurde Opfer des Kalten Krieges, der von beiden Seiten mit Härte geführt wurde. Seine Rehabilitierung im Jahr 1990 konnte das erlittene Leid nicht ausgleichen. Die zurückgekehrten Westemigranten wurden von der Spitze der Einheitspartei in der DDR mit ungerechtfertigtem Misstrauen behandelt.

Die von der Ausstellung angemahnte öffentliche Würdigung Gilberto Bosques, der mit seiner Familie und den Mitarbeitern von der Gestapo interniert wurde, steht bis heute aus. Die Regierung der DDR hatte Bosques mit dem Stern der Völkerfreundschaft, ihrer höchsten Auszeichnung für Ausländer, geehrt. Die Berliner Alexander von Humboldt Gesellschaft e. V. bemüht sich gegenwärtig, einen öffentlichen Ort in Deutschland mit dem Namen des mexikanischen Diplomaten benennen zu lassen. Unterstützer für das Projekt werden gesucht. In der Eröffnungsrede des mexikanischen Botschafters, F. Gonzales Dias, war leichte Verwunderung über die offizielle Haltung der Bundesregierung nicht zu überhören.

Dank für die Initiative und Organisation der Ausstellung gebührt Christine Fischer-Defoy vom Aktiven Museum Faschismus und Widerstand e.V. , Renata von Hanffstengel vom Instituto de Investigaciones Interculturales Germano-Mexicanas A.C. und der Akademie der Künste mit seinem Präsidenten Klaus Staeck. Zur Eröffnungsfeier im Saal der Akademie kamen etwa 800 Personen, mehrheitlich Zeitzeugen und Mitglieder der VVN-BdA.