Ein ungeheuerlicher Verdacht

geschrieben von P.C. Walther

8. März 2015

Was wusste der Verfassungsschutz von den Mordplänen des NSU?

 

Wiederholt erklärten Kritiker der Praktiken des Verfassungsschutzes mit einer gewissen Berechtigung, dass die Mordgruppe NSU vom Verfassungsschutz zumindest indirekt unterstützt worden sei. Der VS förderte nämlich durch seine großzügige Honorierung des »Thüringer Heimatschutz« –Führers Tino Brandt und dessen Absicherung als V-Mann den Aufbau und die Existenz dieser Neonazi-Organisation, die die Geburtsstätte des NSU war. Hinzu kommt, dass der VS mögliche Verfolgungen und Aufdeckungen der am NSU Beteiligten unterließ, zuweilen sogar behinderte.

Jetzt kommt es allerdings noch viel dicker: Aus den Texten abgehörter Telefongespräche, die die Polizei wegen ihres Verdachtes gegen den VS-Mitarbeiter Temme durchführen ließ, ergibt sich der ungeheuerliche Verdacht, dass der Verfassungsschutz bereits im Vorhinein etwas von den Plänen der Ermordung des Kasseler Internetcafe-Betreibers Halit Yozgat wusste und dennoch nichts dagegen unternahm. Wenn das zutrifft, würde der Verfassungsschutz gewissermaßen als Mordkomplize dastehen.

Die Abhörprotokolle wurden bislang unter Verschluss gehalten. Kein Untersuchungsausschuss erfuhr von ihnen. Erst durch Recherchen der Anwälte der Familie Yozgut wurde ihre Existenz aufgedeckt. Auch das gehört zu den offensichtlich noch immer praktizierten Verschleierungsversuchen.

VS-Mitarbeiter Temme war zur Tatzeit am Tatort. Nach dem Mord entfernte er sich und verschwieg seine Anwesenheit. Erst als die Polizei ihm durch Spuren am Computer nahe kam und ihn verhaften wollte, gab er seine Anwesenheit zu, berief sich aber darauf, dass er in dienstlichen Dingen keine Aussagegenehmigung habe. Diesen Schutz hatten ihm seine Vorgesetzten verschafft.

Oberster Vorgesetzter Temmes war zu jener Zeit Innenminister Bouffier (CDU), heute Ministerpräsident in Hessen. Er bestreitet weiterhin, von alldem irgendetwas gewusst zu haben. Allerdings glaubt ihm kaum noch jemand.

Bemerkenswert ist, dass der bisherige Chef des hessischen Verfassungsschutzes, Roland Desch, wenige Tage vor der Aufdeckung der Existenz der Abhörprotokolle ganz plötzlich mit sofortiger Wirkung seines Amtes enthoben wurde.

Die neuen Enthüllungen unterstreichen die Berechtigung der Forderung, diesen Inlandgeheimdienst umgehend aufzulösen. Er ist eine Bedrohung der Verfassung, zu der das hier missachtete Grundrecht auf Leben gehört.

Dessen ungeachtet müssen alle Vorgänge um den NSU und den Verfassungsschutz nun endlich vollständig aufgeklärt und die notwendigen Konsequenzen gezogen werden.