Zivilcourage in Neukölln

geschrieben von Jürgen Schulte

20. Mai 2019

Breites Bündnis erobert öffentliche Räume zurück

In der Neuköllner Hufeisen- und Krugpfuhlsiedlung schließen zehn lokale Institutionen zu den EU-Wahlen ein Aktionsbündnis gegen Nationalismus und Rassismus.

Auch in den ersten vier Monaten des neuen Jahres bleibt Berlin-Neukölln ein Schwerpunkt rechter Gewalt. Mehr als 50 rechte Anschläge, darunter Brandstiftungen und Morddrohungen gegen aktive Antifaschistinnen, verzeichnet allein die offizielle Polizeistatistik. Ermuntert durch die von Erfolglosigkeit gekennzeichnete Arbeit der Ermittlungsbehörden versuchen vor allem im Süden Neuköllns gewaltbereite Nazigruppen mit Hilfe von Wandparolen, Aufklebern und Brandsätzen eine Stimmung der Angst und Verunsicherung zu erzeugen und die Handlungsunfähigkeit des Staates zu demonstrieren. Gemeinsam mit der massiven EU-Wahlwerbung der AfD, die staatliche Handlungsschwäche beklagt und ein stärkeres rassistisches Vorgehen fordert, besetzen nationalistische und rassistische Themen zunehmend den öffentlichen Raum.

In der Britzer Hufeisen- und Krugpfuhlsiedlung kämpft die Anwohnerinitiative »Hufeisern gegen Rechts« seit Jahren für ein tolerantes Miteinander und eine demokratische Streitkultur. Anlässlich der EU-Wahlen hat sie die Bildung eines lokalen Aktionsbündnisses angeregt, dass dem wachsenden Einfluss von Neonazismus und Rechtspopulismus Paroli bietet.

Innerhalb eines Monats fanden sich zehn Organisationen, Einrichtungen und Initiativen zusammen, die beschlossen, in der Siedlung 50 Plakate aufzuhängen. Auf ihnen rufen die Fritz-Karsen-, die Albert-Einstein- und die Alfred-Nobel-Schule, die Neuköllner Bezirksorganisationen von SPD, Grüne und Linke, die Neuköllner Kreisverbände von DGB und SJD »Die Falken« sowie die Mieterinitiative Hufi und die Anwohnerinneninitiative »Hufeisern gegen Rechts« gemeinsam auf, die Wahlentscheidung zu einer Abstimmung gegen Rassismus und Nationalismus zu machen.

Die Mitglieder dieses Aktionsbündnisses unterstützen in ihrem Alltag Aktivitäten gegen die Vernachlässigung der Umwelt, für soziale Mieten und für die Integration von geflüchteten Menschen in sowie im Umfeld der Hufeisen- und Krugpfuhl-Siedlung. Damit stehen sie in ständiger Konfrontation mit dem nationalistischen Kurs der AfD und deren Dogmen einer neoliberalen Wirtschaftspolitik, die sich u. a. in einer unsozialen Wohnungspolitik, der Negierung von Umweltzerstörung oder in der Diskriminierung von Zuwanderern ausdrücken, sie setzen für einen Teil der Bevölkerung grundlegende Menschenrechte außer Kraft.

Jenseits von Differenzen, die unter den Mitgliedern des Bündnisses über die einzuschlagenden Wege für eine soziale und demokratische EU existieren, steht für alle das gemeinsame Ziel im Vordergrund: Menschenrechte sind unteilbar! Nationalismus und Rassismus dürfen nicht weiter an Boden gewinnen, das gilt für die Hufeisensiedlung genauso wie für Berlin, Deutschland und Europa.

Am Sonntag, dem 7. April 2019, wurden in einer gemeinsam Aktion von mehr als 40 Schülern, Gewerkschaftern, Mitglieder der Falken, der Initiativen Hufi und »Hufeisern gegen Rechts« sowie der Neuköllner Bezirksverbände von SPD, Grünen und Linken bei strahlendem Sonnenschein in der Hufeisensiedlung die Plakate angebracht.

Während viele Bewohner die Aktion begrüßten (»Toll, dass ihr das macht!« – »Genau! Nicht schweigend wegducken, den Mund aufmachen.« – »Sowas müssten wir öfters laut sagen, nicht nur zu Wahlzeiten.« – »Endlich machen Demokraten mal was zusammen. Wo ist denn die CDU?«), brauchte die AfD für ihre Reaktion etwas länger. Obwohl auf dem Plakat gar nicht namentlich erwähnt, fühlte sich die AfD (zu Recht) getroffen.

Am 10.4. wurde die Aktion auf der Facebook-Seite der Neuköllner AfD auf eine Art kommentiert, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Unter einem Foto des Plakats waren u.a. die folgenden Sätze zu lesen:

»Alle Volksverräter auf einer Tafel.« – »Es wird Zeit, dass wir zu unserem positiven, natürlichen Rassismus stehen, denn er ist legitim. Ne Partei dafür haben wir ja schon.« – »Wer so eine Schande aufhängt, müsste ins Lager.«

Hier finden sich wesentliche Elemente eines faschistischen, völkischen Weltbildes wieder: Eine auf Rassismus beruhende biologistisch definierte Volksgemeinschaft, deren Gegner ohne Unterschied als »Volksverräter« stigmatisiert werden und auszusondern sind.

Es wird aber auch deutlich: Alle sind betroffen, die sich als Demokraten dem Rassismus und Geschichtsrevisionismus der AfD entgegenstellen. Die Notwendigkeit breiter antifaschistischer Bündnisse ist offenkundig. Schaffen wir sie.

www.hufeiserngegenrechts.de