Der Feind steht links

geschrieben von Ulrich Schneider

22. September 2019

Neofaschismus in den USA

Das Thema Rassismus und Neofaschismus hat auch in den USA »Hochkonjunktur«. Es sind nicht nur historische Aufnahmen von weißen Amerikanern, die gewalttätig gegen Farbige vorgehen, Inszenierungen der Ku-Klux-Klan-Bewegung mit ihren weißen Kutten und der mehr als symbolischen Verbrennung von Holzkreuzen, das Auftreten von WASPs (White Anglo-Saxon Protestant: »weißer angelsächsischer Protestant«), die sich als amerikanische »Elite« verstehen, die diesen Eindruck hervorrufen. Erschreckend sind auch die Bilder amerikanischer Neonazis, die offen mit Hakenkreuz-Fahnen und SS-Runen durch die Straßen marschieren und deren Aufmärsche von der Polizei gegen Protestaktionen von Demokraten geschützt werden. Und wenn man die Bilder der Polizisten sieht, kann man nicht wirklich sicher sein, ob die Polizisten den Aufmarsch nur pflichtgemäß schützen, oder ob sie sich nicht selbst als Teil dieser faschistischen Kräfte verstehen. Wie tief das rassistische und neofaschistische Denken in den Köpfen der Sicherheitskräfte verankert ist, konnte man vor wenigen Wochen bildlich erleben, als zwei weiße Polizisten zu Pferde einen festgenommenen Farbigen mit einem Strick hinter sich herziehend zur Wache schleppten. Bilder aus der Zeit der Sklaverei in den Südstaaten wurden selbst in der US-amerikanischen Öffentlichkeit wach.

Aber es sind nicht allein Aufmärsche, sondern eine zunehmende Gewaltbereitschaft, die sich in erschreckenden Bluttaten ausdrückt. Amerikanische Neonazis sind dabei Teil eines rassistischen Mainstreams, der in den vergangenen Jahren mehrfach Massenmörder hervorgebracht hat, wie Anfang August bei dem Massaker gegen mexikanische Einwanderer in El Paso durch einen weißen Texaner. Laut Medienberichten hat der 21 jährige Täter, kurz bevor er in einer Walmart-Filiale in der texanischen Grenzstadt um sich schoss und dabei 22 Menschen tötete, im Internet ein Manifest veröffentlicht, in dem gegen Einwanderer aus Lateinamerika gehetzt, vor einer »hispanischen Invasion von Texas« gewarnt und ein Angriff angekündigt wurde. Zudem hat der Sheriff von El Paso, der den Attentäter befragt hat, in seinen Äußerungen keinen Zweifel daran gelassen, dass nach seinen Erkenntnissen hinter der Tat ein politisches, rassistisches Motiv steht. Der Angreifer habe Mexikaner töten wollen. Nach jetzigem Stand stufen die Ermittler den Angriff in El Paso daher als »rechtsradikal motivierten Terroranschlag« ein.

Zudem sollte nicht vergessen werden, dass das Massaker in El Paso die dritte große Gewalttat eines weißen Neofaschisten in den USA binnen eines Jahres darstellt. Im Herbst 2018 und im Frühjahr 2019 hatten extrem rechte Gewalttäter Synagogen in Pennsylvania und Kalifornien attackiert – weil es, so ihre krude Rechtfertigung, ein jüdischer Plan sei, die Weißen in Amerika durch Einwanderer zu verdrängen.

Diese Gewalttaten sind nur der brutale Ausdruck einer gesellschaftlichen Situation, die von einer Vielzahl von »hate groups«, wie es in den USA genannt wird, geprägt wird. Die zivilgesellschaftliche Organisation »Southern Poverty Law Center« (SPLC), die seit 20 Jahren die extrem rechte Szene in den USA verfolgt, listet in ihrem Jahresbericht für 2018 über 1000 aktive »hate groups« auf. Darunter befinden sich Ku Klux Klan (51), Neonazis (112), weiße Nationalisten (148), rassistische Skinheads (63), fundamentalistische Evangelikale (17), Anhänger der Südstaaten-Konföderation (36), schwarze Nationalisten (264), Feinde jeglicher Einwanderung (17), LGBT-Gegner (49), Anti-Muslime (100), und andere Hass-Gruppen (163, wozu neofaschistische Musikgruppen, Holocaust-Leugner, völkische Gruppen und extrem religiöse Gruppen gezählt werden).

Auch US-Präsident Trump, der für seine kruden Ansichten und seine verkürzten Twitter-Statements berüchtigt ist, hat beides kürzlich gegenüber der antifaschistischen Bewegung geäußert. Im Wahlkampf nannte er – laut Medienberichten – antifaschistische Aktivisten »kranke, schlimme« Menschen. Und auf einer seiner vielen Twitter-Nachrichten wollte er die Antifa-Bewegung in den USA als terroristische Organisation einstufen.

Er folgte damit seinen republikanischen Parteifreunden, den Senatoren Ted Cruz und Bill Cassidy, die die Antifa-Bewegung als inländische Terrororganisationen eingestuft möchten, da diese angeblich den konservativen Journalisten Andy Ngo angegriffen und verletzt hätten. Was die republikanischen Senatoren nicht erwähnten, ist, dass sich der Vorfall bei einem Aufmarsch der neofaschistischen »Proud Boys« und »Patriot Prayer« abspielte, wo der Journalist zwischen die Fronten der angreifenden Neonazis und der sich verteidigenden Rose City Antifa geriet.

Mit den »Proud Boys« entwickelt sich übrigens seit drei Jahren ein Versuch, verschiedene Richtungen der »hate groups« mit Ideologiezentren und den »alt-right«-Bewegung zu vernetzen. Ein Ausdruck davon war die »Unite the Right«-Demonstration 2017 in Charlottesville, bei der eine antifaschistische Demonstrantin getötet wurde.

Dass sich solche Gewalt sich nicht nur gegen Migranten und jüdische Einrichtungen richtet, mussten amerikanische Antifaschisten schon 2017 blutig erleben, als in Charlottesville (Virginia) bei Protesten gegen einen gewalttätigen Aufmarsch der Rechten ein Anhänger der Neonazis mit seinem Auto in eine Gruppe von Demonstranten raste, wobei eine junge Frau getötet wurde.