Eine Hütte für Bakunin

12. Mai 2020

Ein Gespräch mit Christopher Hölzel

 antifa: Du engagierst dich für die Bakuninhütte, die auf dem Berg Hohe Maas liegt. Was macht sie aus?

Christopher: Das Besondere liegt bestimmt darin, dass die Baku-ninhütte das einzige staatlich anerkannte Kulturdenkmal des Anarchosyndikalismus in der BRD ist.

antifa: Was gibt es über die Gründungsgeschichte zu erzählen?

Christopher: Südthüringen war nach Ende des Ersten Weltkrieges eine Hochburg der Freien Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD). Anlehnend an die Ideen von Gustav Landauer hatte sich 1919 eine Gruppe aus Meiningen entschieden, einen Acker von einem Hektar zu pachten und dort genossenschaftlich Landwirtschaft zu betreiben. Dies geschah zur Selbstversorgung und lief mehrere Jahre unter hohem körperlichen Aufwand. 1926 wurde aufgrund eines Starkregens beschlossen, eine Schutzhütte zu bauen. Einzelne überlieferte Bilder lassen auf etwa 40 Aktive schließen. Später wurde das Gebäude immer weiter ausgebaut.

antifa: Was ist über die Geschichte in der Zeit des Faschismus bekannt?

Christopher: 1933 wurde die Bakuninhütte von den Nazis enteignet, später einer lokalen Müllerfamilie verkauft. Die FAUD hatte bereits 1932 ihre Strukturen auf die Illegalität vorbereitet.

Bisher ist der Forschungsstand zu unserem Projekt recht klein. Wir freuen uns über Unterstützung, daran etwas zu ändern.

Sicher ist bislang, dass die Interna – also Vereinsarchiv, Mitgliedsliste, die Kasse und das Hüttenbuch – versteckt wurden. Teile davon sind bis heute überliefert. Ab 1933 fanden unter dem Deckmantel von Wanderungen weiter Treffen anarchistisch Gesinnter statt. Fritz Scherer, ein Berliner Buchbinder, soll hier nicht unerwähnt bleiben. Er sicherte unter anderem das Hüttenbuch und wurde in der zweiten Verhaftungswelle um 1935 eingesperrt. Später verteilte er in Berlin Flugblätter gegen die Nazis. Wegen der nichtzentralen Strukturen der FAUD konnten einige Mitglieder während der Nazizeit Widerstand organisieren.

antifa: Was geschah mit dem Projekt in der Nachkriegszeit?

Christopher: In der DDR gab es verschiedene Nutzungsphasen. So war das Anwesen zunächst eine Touristenstation mit FDJ-Ferienlager. Danach hatte der Kulturbund der DDR dort eine Station und ab 1970 nutzte die Bereitschaftspolizei das Grundstück auf der Hohen Maas zu Übungszwecken. Bis heute ist weder Strom noch fließend Wasser vorhanden. Das Wissen über den Standort ist auch deshalb eher überschaubar, weil anarchistisch Aktive in der Sowjetischen Besatzungszone und später in der DDR vielfach Repression erfahren mussten. Ein Beispiel war der Anarchistenprozess Anfang 1949. Viele sind aus dem Land geflohen. 1990 übernahm das Vermögensamt das Anwesen.

antifa: Welchen Bezug haben die heute dort Aktiven zum Anarchismus und zum Namensgeber der Hütte, dem russischen Revolutionär Michail Bakunin?

Christopher: Das Projekt wird seit 2006 vom Wanderverein Bakuninhütte getragen. Zu anarchistischen Ideen haben die Vereinsmitglieder ganz verschiedene Bezüge. In der Satzung kommt das Wort Anarchismus nicht vor. Seit Vereinsgründung ist die Bakuninhütte kein anarchosyndikalistisches Szeneobjekt. Unser Hauptaugenmerk liegt auf Renovierung und Wiedernutzbarmachung. Dies läuft nicht ohne kräftezehrende, rechtliche Auseinandersetzungen ab. Weiterhin wichtig ist uns die Einbindung in die Meininger Gesellschaft, also Kontakt und Austausch. Wie schon zur Gründung ist die Hütte auch heute wegen ihrer schönen Lage ein beliebtes Ausflugsziel. Bekanntheit erlangte sie auch, weil die örtliche Presse beispielsweise den »Tag des offenen Denkmals« zur Berichterstattung über die Bakuninhütte nutzte.

antifa: Gibt es heute Aktivitäten von Rechten gegen das Projekt?

Christopher: Aus der aktiven Neonaziszene nicht, obwohl der mit Nazi-Open-Airs zu einiger Berühmtheit gelangte Ort Themar gerade einmal 20 Kilometer entfernt liegt. Allerdings gibt es auf parlamentarischer Ebene immer wieder Anfeindungen der CDU, beispielsweise im Meininger Stadtparlament. So ist die Zufahrt zum Grundstück mehrfach Thema gewesen und wird skandalisiert. Herbei beschworen wird ein Wallfahrtsort für Bakunin-Fans. Zeitweise lieferte man absurde Enthüllungen: Beispielsweise gab es einen halbseitigen Artikel in einem Lokalblatt, als Ostern 2019 ein Reporter zwei Autos vor der Hütte entdeckt hatte.

 Das Interview führte Andreas Siegmund-Schultze

 Christopher Hölzel engagiert sich für die Bakuninhütte, die nahe Meiningen in Thüringen gelegen ist. Die Hütte befindet sich auf einem etwa drei Hektar großen Gelände und wird vom »Wanderverein Bakuninhütte« unterhalten. Das Projekt ist assoziiertes Haus der NaturFreunde. Es wird für Seminare und Wanderungen genutzt. Voranmeldung für Besichtigungen per Mail an vorort@bakuninhuette.de oder telefonisch 0162 3310800. Infos unter bakuninhuette.de