Spaniens soziale Kraft?

geschrieben von Carmela Negrete

30. Juli 2020


Die Faschisten von Vox nutzen die Corona-Krise

Spaniens Vox war Anfang Juni 2020 die einzige Kraft im Parlament, die, obwohl die Coronakrise viele im Land in absolute Existenzsorgen getrieben hatte, nicht für ein Mindesteinkommen stimmte. Dennoch gelingt es der Neonazipartei immer wieder, sich als soziales Gewissen zu inszenieren, im Gegensatz zu den Rechtsliberalen von Ciudadanos oder der rechtskonservativen Volkspartei. Fast alle Fraktionen mit Ausnahme der Vox unterstützten die Maßnahme, mit der die Not von 800.000 Haushalten in Spanien gemindert werden soll. Dies geschah, obwohl die Parlamentskammer in Madrid mit ihren 13 Parteien beziehungsweise Parteienbündnissen immer wieder beweist, dass man sich selten besonders einig ist. Aber eine Unterstützung für die Ärmsten fand sich in fast allen Parteiprogrammen. Nicht jedoch bei den Vox-Faschisten, die eine wochenlange Kampagne gegen das Mindesteinkommen in den sozialen Medien führten.

Beliebtheit sinkt

Dies dürfte nur einer der Gründe sein, warum Vox zuletzt schlechte Umfrageergebnisse erhielt. Auch sonst wurde es in den vergangenen Monaten ein wenig stiller um die rechte Partei: Deren Chef Santiago Abascal hatte sich im März vermutlich während einer Parteigroßveranstaltung mit dem Covid-19-Virus angesteckt. Es hieß, bei der Versammlung mit rund 6.000 Gästen sei wenig Abstand gehalten worden. Stattdessen habe man sich immer wieder inbrünstig in den Armen gelegen. Die ihr sonst häufig zu Teil werdende Aufmerksamkeit wurde Vox auch versagt, weil während der landesweiten Ausgangssperren tagtäglich Generäle der Armee sowie Minister und andere Mitglieder des Krisenstabes vor die Fernsehkameras traten und vielbeachtet »die Lage« der Nation erörterten.

Nun versucht man, mit anderen Mitteln wieder auf die Beine zu kommen. Vox mobilisierte Ende Mai in Madrid seine Anhänger zu einem Autokorso unter dem Motto »Für Spanien und seine Freiheit«. Die Aktion war vor allem gegen die von Pedro Sánchez geführte Regierung gerichtet. Gegen deren Management der Coronakrise geht die Partei auch juristisch vor und manche Mitglieder riefen zum Putsch gegen Sánchez auf. Die Propaganda der Faschisten verrät jedoch nicht, was ursächlich für die verheerende Lage im Land ist: So sind in der Region Madrid Krankenhäuser und Altersheime flächendeckend privatisiert worden. Dies hat zu einer erheblich größeren Zahl an Pandemietoten geführt als in anderen Regionen.

Zudem fordert die Partei für »illegale Migranten« ein »Verbot zum Zugang des Gesundheitswesens«, wie Vox-Chef Abascal Anfang Juni in einem Interview erklärte. Diese Migranten sollten außer »in extremen Fällen« nicht behandelt werden, ließ er verlauten. Ärzte seien angehalten, »Illegale« bei der Polizei zu denunzieren. Wozu derlei Gedankenspiele führen können, zeigte sich bereits während der Finanzkrise von 2007 und 2008. Als die spanische Regierung damals den Zugang zur Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere verweigerte, gab es in manchen Orte Ausbrüche von ansteckende Krankheiten wie Tuberkulose. Dem gesamten öffentlichen Gesundheitssystem drohte daraufhin der Kollaps.

Migranten wehren sich

Doch Vox bekommt wegen seiner rassistischen Propaganda nun auch die Wut derjenigen zu spüren, die davon am meisten betroffen sind. Seriñe Mamadou, ein in Spanien in der Landwirtschaft arbeitender Migrant aus dem Senegal, hat Vox gezeigt, wer das Land während der Pandemie am Laufen gehalten hat. In seinen viel beachteten Videos auf Youtube und Facebook machte er deutlich, dass rund 80 Prozent der Agrararbeiter Migranten sind. »Wir sind diejenigen, die an der Front sind, um Euch zu ernähren«, so Mamadou. Gegen den Vox-Chef polterte er: »Dein ›Hoch lebe Spanien‹ musst Du hier auf dem Feld zeigen. Die Arbeit, die Spanien rettet, wird hier verrichtet«. Mamadou ist inzwischen Sprecher einer landesweiten Initiative, die Papiere für alle Migranten fordert. Es ist bemerkenswert, dass ausgerechnet Dörfer wie Lepe und Moguer in der südwestlichen Region Andalusien zu einer Hochburg von Vox geworden sind. Hier wird ein Großteil von Spaniens Beeren geerntet, die im Land verkauft oder unter anderem nach Deutschland exportiert werden und seit Jahrzehnten müssen die bei dieser Arbeit ausgebeuteten Migranten in erbärmlichen Verhältnissen leben. Die Erklärung für den Vox-Erfolg: Die Region profitiert enorm von der Ausplünderung der Arbeitskraft der Migranten, zeitgleich aber verachtet man die Arbeiter zutiefst.

Vox sitzt seit 2018 im spanischen Parlament. Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen 2019 wurde die Partei mit rund 15 Prozent drittstärkste Kraft. In den Gründungsjahren ab 2013 soll die Partei eine große Spende vom Nationalen Widerstandsrat des Iran erhalten haben. Nicht ohne Erfolg gibt man sich seit der Gründung als »Partei des kleinen Mannes«. Dafür werden Gegenden bevorzugt, in denen andere Parteien kaum präsent sind. Das Gerede vom »vergessenen Spanien« kann so besonders gedeihen. Aber auch das 2017 für illegal erklärte Referendum für die Unabhängigkeit Kataloniens spielte eine wichtige Rolle für den Aufstieg. Der Vox-Chef trat als Nebenkläger im Prozess gegen die katalanischen Politiker auf und war in den Medien monatelang präsent.