editorial
18. Dezember 2020
»Antifaschist*innen helfen, wenn der Staat versagt«, mahnte der Neuköllner Politiker Ferat Kocak auf unserer Kundgebung in Berlin, die – wieder einmal – unserer Gemeinnützigkeit galt (Seite 3). Doch die staatlichen Versäumnisse gegen Rechts reißen nicht ab, trotz später Läuterung in einigen Fällen. Auch in dieser Ausgabe lassen sich wieder große und kleine Beispiele der Verharmlosung, der Vertuschung und der nicht getroffenen Konsequenzen gegen faschistische und rassistische Angriffe und Gruppierungen nachlesen (Seiten 4, 7, 10). 40 Jahre der unermüdlichen Gegenöffentlichkeit brauchte es, damit die bayerische Landesregierung nun Versäumnisse bei der Aufklärung des Attentats auf das Münchner Oktoberfest 1980 zugab (Seite 11). Und noch etwas ist neu: Nach unzähligen Angriffen gegen Roma, erkannte im September ein Gericht erstmalig Antiziganismus als Tatmotiv für einen Brandanschlag an (Seite 8). Es ändert sich also doch etwas. Das ist auch der Thematisierung antifaschistischer Arbeit in der Massenkultur und neuen ansprechenden Formaten der Bildungsarbeit (Seite 30) zu verdanken. Das Antifa-Drama »Und morgen die ganze Welt« ist beispielsweise nominiert für den Oscar in der Kategorie bester internationaler Film. ProSieben hat eine beachtliche Dokumentation zur Verfasstheit des Rechtsextremismus vorgelegt und einem Millionenpublikum näher gebracht (Interview mit dem Macher auf Seite 5). Kultur ist ein jeher umkämpftes Terrain. Wir diskutieren anhand der Kabarettistin Lisa Eckhart die Strategie, mit antisemitischen und chauvinistischen Statements Aufmerksamkeit zu erzeugen und sich bei Kritik hinter der Meinungsfreiheit zu verstecken (Seiten 24, 25). Und auch die Corona-Pandemie lässt uns thematisch nicht los. Wir widmen das Spezial diesmal dem spirituellen Corona-Verständnis und germanischen Glaubenswelten, die sich auf den Demonstrationen gegen den Infektionsschutz und die staatlichen Eindämmungsmaßnahmen zeigen (Seite 13 – 16). Es gibt noch viel zu tun. Einen Ansatz dazu, wie und mit welchen Prämissen die Gegenwart zu bewältigen ist, stellen wir auf Seite 26 vor.