Anti-Antifa im Bundestag

geschrieben von Cornelia Kerth

8. März 2022

Wie ein früherer Beitrag der heutigen Innenministerin für antifa zum »Skandal« erklärt wurde

Innenministerin Nancy Faeser ist die erste Frau in diesem Amt, dazu eine Sozialdemokratin, die immer klare Kante gegen rechts gezeigt hat. Deshalb gehört sie zu denen, die Drohbriefe mit der Unterschrift »NSU 2.0« bekamen. Das ist offensichtlich eine Herausforderung für die Dienste, deren Vorgesetzte sie nun ist, und sicher auch für manchen der Länderministerkollegen von der CDU, vor allem nachdem die Ministerin »Rechtsextremismus (als) größte Gefahr für die Demokratie« benannt und einen »Aktionsplan gegen Rechtsextremismus noch vor Ostern« angekündigt hat.

Die wenig später folgende »Enthüllung« über Nancy Faesers antifa-Beitrag in der Nazipostille Junge Freiheit wäre unter anderen Umständen vermutlich kaum auf Resonanz gestoßen. So aber wurde diese simple Information, die nur in Deutschland überhaupt einen Nachrichtenwert haben kann, sofort über die Bande »Welt – Bild – FAZ« gespielt und von in der Öffentlichkeit wenig bekannten Politikern der CDU/CSU im Chor mit der AfD zum Anlass für Rücktrittsforderungen an die Ministerin gewählt. Erfreulich: SZ, FR, Deutschlandradio und sogar der Bayerische Rundfunk thematisierten die wissenschaftlich kaum haltbare »Extremismus«-Theorie, die der ganzen Debatte zugrunde liegt, und am Ende gab es sogar in FAZ und Berliner Tagesspiegel Nachdenkliches zum Thema.

Nur wo Antifaschismus von einem Inlandsgeheimdienst als Chiffre für »ein komplexes politisches Programm« diskreditiert werden kann, »dessen Endziel die Beseitigung der freiheitlichen Demokratie und ihre Ersetzung durch eine ›antifaschistische‹, zumeist verstanden als sozialistisch-kommunistische, Ordnung darstellt«, und wo die Organisation überlebender Widerstandskämpfer:innen und Verfolgter des Naziregimes von diesem Dienst seit 1950 als »verfassungsfeindlich« und/oder »extremistisch« stigmatisiert wird, ist es möglich, einen Beitrag in deren Verbandszeitschrift zum »Skandal« zu erklären.

Zum unwürdigen Anti-Antifa-Spektakel wurde die Diskussion spätestens durch Abgeordnete der CDU/CSU in der Aktuellen Stunde »Zwei Jahre nach den rechtsterroristischen Morden von Hanau – Den Kampf gegen Rechtsextremismus und Hass entschieden weiterführen«. Drei Tage vor dem zweiten Jahrestag des Massakers, dem zehn Menschen zum Opfer fielen und zu dem bis heute viele Fragen an die hessische Polizei noch offen sind. So nutzte die bayerische Abgeordnete Andrea Lindholz (CSU) ihre Rede nach einem kurzen Pflichtsatz des Mitgefühls für die Angehörigen, um direkt danach auf »ideologische Scheuklappen« der Innenministerin zuzusteuern.

Getoppt am folgenden Tag in der von der CDU/CSU kurzfristig beantragten Aktuellen Stunde »Rechtsstaatlichkeit wahren, Demokratie schützen – Haltung der Bundesregierung (…) zur Publikation von Regierungsmitgliedern in Magazinen von linksextremistisch beeinflussten Organisationen«. Hier lief der CSU-Abgeordnete Alexander Hoffmann zu irrer Form auf, indem er über die VVN-BdA behauptete: »Jetzt muss man dazu aber wissen, dass die linksextremistische Vereinigung, die hinter diesem Magazin steht, eine Vereinigung ist, deren Leute Brandsätze auf Polizisten werfen, Steine auf Polizisten werfen, Autos anzünden, Wohnungen und Häuser besetzen.«

Offensichtlich darf man bei der »neuen« CDU/CSU mit allem rechnen, nur nicht mit einem Rest von Anstand. Auf jeden Fall verlangt die haltlose Verleumdung durch Herrn Hoffmann eine juristische Antwort!

Offener Brief der letzten noch lebenden Verfolgten des Naziregimes und der Nachkommen der Verfolgten des Naziregimes, von Exil und Widerstand an die Bundestagsfraktionen der SPD, CDU/CSU, Bündnis90/Die Grünen, FDP, Die Linke: kurzelinks.de/nachkommen-solidaritaet