Faschismus ohne Maske

geschrieben von Otto Pfeiffer

6. November 2015

Ein spanischer Verein kämpft um die Wiedererlangung der historischen Erinnerung

 

»Todesursache: Kampf gegen den Marxismus«. So steht es in zynischer Offenheit in der Sterbeurkunde des hingerichteten Antonio Fernando González, die immerhin seinen Angehörigen noch ausgehändigt wurde. Im Gefängnis von Monte Ezkaba (Navarra) wurden die Totenscheine auf dem anstaltseigenen Friedhof in Flaschen gesteckt und zusammen mit den Leichen vergraben. Die Opfer blieben verschollen. Aus dem Gefängnis von Ayerbe (Huesca) wurde die letzte Gruppe von neun inhaftierten Francogegnern erschossen in einem Straßengraben bei Murillo de Gallega (Zaragoza) namenlos verscharrt. In einem Massengrab in Ardaya (Burgos) konnte von 28 Ermordeten bisher nur einer identifiziert werden: An seinem Finger trug er noch den Ehering mit der Gravur »Benita 22-10-1931« – eine Erinnerung an seinen Hochzeitstag in glücklicher Zeit.

Diese und viele andere Beispiele für den menschenverachtenden mörderischen Terror der spanischen Faschisten zeigte die Ausstellung »Exhumando fosas; recuperando dignidades« (Gräber öffnen; Würde wiedergewinnen), die vom 2. September bis 30. Oktober in Berlin in den Räumen der »Deutschen Gesellschaft e. V.« zu sehen war. Sie wurde vom »Verein zur Wiedererlangung der historischen Erinnerung in Spanien« (ARMH) zur Verfügung gestellt, der sich seit 2000 um die Öffnung der Massengräber und die würdige Bestattung der Opfer des Francoregimes verdient macht.

Häufig besteht die erste Schwierigkeit darin, die Gräber überhaupt zu finden. Das Regime war daran interessiert, seine Untaten in Vergessenheit geraten zu lassen. Nur wenige Zeitzeugen sind noch unter den Lebenden. Die mündliche Überlieferung in den Familien der Opfer ist inzwischen lückenhaft. Während der Zeit der faschistischen Diktatur und auch noch danach blieben die Anhänger der legitimen republikanischen Regierung verfemt. Zweifel an der »Berechtigung des Bürgerkriegs« waren eines der großen Tabus der Francozeit.

Es ist bezeichnend, dass die Angehörigen eines Lehrers, des am 21.06.1936 ermordeten Victorino Cobo Vega in Prioranza del Bierzo (León), den Anstoß für die Suche nach den sterblichen Überresten und deren Exhumierung gaben: Die Liquidierung der republikanischen Intelligenz begann bei der Einnahme der Landgemeinden durch die Francotruppen typischerweise mit der Erschießung des örtlichen Lehrers. Die Mörder machten selbst vor dem Personal des Krankenhauses von Valdediós (Asturien) nicht Halt, wo ihnen elf Frauen und sechsMänner zum Opfer fielen.

Seither fanden 200 Ausgrabungen statt, die die Gebeine von 6000 Menschen enthielten – nur ein Anfang angesichts der weiteren etwa 113.000 noch heute »Verschwundenen«.

Die Ausstellung gewährte einen erschütternden Einblick in ein tragisches Kapitel spanischer Geschichte. Sie hätte in Berlin gewiss eine größere Aufmerksamkeit verdient als die, die ich in dem knappen Dutzend Eintragungen ins Besucherbuch nach sechs Wochen Laufzeit feststellen konnte. Schade auch, dass die deutschen Sponsoren offensichtlich keine Mittel bereitstellten, um in einem Begleitmaterial – und sei es nur ein einfacher Flyer – über historische Hintergründe zu informieren. Eigentlich eine moralische Verpflichtung in dem Land, dessen faschistische Regierung Franco mit Waffenhilfe in den Sattel hob.