Friedliche Perspektive

geschrieben von Ulrich Schneider

6. Juli 2025

Potsdamer Abkommen: Vision für antifaschistisch-demokratische Gesellschaft

Die Potsdamer Konferenz ist seit längerer Zeit einer der Angriffspunkte geschichtsrevisionistischer Umschreibung des Jahres 1945. Ohne Zweifel war diese alliierte Konferenz zur Neuordnung Deutschlands und Europas nach der Befreiung vom Faschismus vom 17. Juli bis 2. August 1945 im Cecilienhof von Potsdam von grundlegender Bedeutung. Auf ihr trafen sich die Staatschefs der drei Siegermächte Großbritannien (Churchill, später Attlee), Sowjetunion (Stalin) und USA (Truman), um Festlegungen für das Nachkriegseuropa zu treffen. Wichtige Punkte waren bereits auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 festgelegt worden, zum Beispiel der Umgang mit Deutschland und Österreich nach dem Sieg, die Notwendigkeit der Reparationszahlungen sowie Instrumente und Grundlagen einer friedlichen Nachkriegsordnung. Nach dem militärischen Sieg in Europa und dem erkennbaren Ende des Krieges im pazifischen Raum sollten nun Regeln für den politischen Neubeginn insgesamt definiert werden.

Im Potsdamer Abkommen wurden politische und geopolitische Festlegungen getroffen, die eine friedliche europäische Nachkriegsordnung ermöglichen sollten. Die Grenzen wurden neu geordnet, wobei durch Umsiedlungen vermieden werden sollte, dass große nationale Minderheiten in den neugeschaffenen Staaten verblieben. Dass dies vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem deutschen Faschismus in erster Linie zu Lasten der deutschstämmigen Bevölkerung ging, kann nicht überraschen. Bezogen auf Polen wurden dessen Westgrenze (Oder-Neiße-Linie) und der polnische Anteil Ostpreußens endgültig fixiert, wobei zu diesem Thema auch eine polnische Delegation gehörte wurde. Eine zentrale Frage war die Überführung der deutschen Bevölkerungsteile aus Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei. Dabei ging es nicht um das ob, sondern nur in welcher Geschwindigkeit und wohin die Umsiedlung erfolgen solle. Bei aller Härte im Einzelfall gelang es auf diese Weise, Minderheitenkonflikte in Mitteleuropa weitgehend zu vermeiden. Friedliche Perspektive weiterlesen »

Vereinter Antifaschismus

geschrieben von Dirk Schneider

6. Juli 2025

Vor 90 Jahren: Volksfront-Allianzen in Frankreich, Spanien und Deutschland

Was zwischen dem 25. Juli und dem 20. August 1935 auf dem VII. und letzten Weltkongress der Kommunistischen Internationale (Komintern) in Moskau verabschiedet wird, ist nicht weniger als ein radikaler Paradigmenwechsel im Kampf gegen den weiter erstarkenden europäischen Faschismus. Entgegen der bis dahin vorherrschenden Sozialfaschismusthese im kommunistischen Lager, nach der Sozialdemokratie und Faschismus zwei Seiten derselben Medaille seien, inkorporiert die Idee der Volksfront nun nicht mehr nur die einstmals verhasste Sozialdemokratie, sondern sogar Teile der liberalen Bourgeoisie in das antifaschistische Bollwerk. Vereinter Antifaschismus weiterlesen »

Strukturen des Aufstands

geschrieben von Wanja Musta

6. Juli 2025

Der Deutsche Bauernkrieg als soziale und militärische Bewegung

Der Deutsche Bauernkrieg von 1524 bis 1526 war einer der bedeutendsten sozialen Konflikte des ausgehenden Mittelalters. Er speiste sich aus wirtschaftlicher Not, politischen Spannungen und religiösen Umbrüchen – und war keineswegs ein unorganisierter Aufruhr. Vielmehr entstand eine komplexe soziale Bewegung mit militärischen, politischen und kulturellen Ausdrucksformen.

Die Aufständischen organisierten sich in sogenannten Haufen – lose militärische Verbände wie der Seehaufen, der Oberallgäuer, der Schwarze Haufen oder der Helle Haufen. Zwar fehlte eine überregionale Koordination, doch viele dieser Einheiten verfügten über kampferfahrene Mitglieder, etwa ehemalige Landsknechte. Oftmals wurden ihre Anführer von allen Beteiligten gewählt – nicht nach Stand, sondern nach Kompetenz, Charisma oder Erfahrung. Bauern, Söldner, Gastwirte und sogar Adlige übernahmen Führungsrollen.

Die Bewegung war sozial heterogen: Neben bäuerlichen Akteur:innen beteiligten sich städtische Unterschichten, Handwerksgesellen, verarmte Söldner, Geistliche und marginalisierte Gruppen wie Vagabund:innen. Diese Vielfalt führte zu Spannungen und erschwerte einheitliche Strategien. Radikale Prediger wie Thomas Müntzer prägten Teile der Bewegung ideologisch – mit Forderungen nach sozialer Umwälzung –, blieben aber zahlenmäßig begrenzt. Strukturen des Aufstands weiterlesen »

Verleugnete Geschichte

geschrieben von Liane Lieske und Mareike Borger

6. Juli 2025

Ein Buch zu 80 Jahren Frankfurter Rundschau

Das Buch »Zeitung im Kampf« verspricht viel: Die erste »ausführlich zusammenhängende« Darstellung der bewegten Geschichte der Frankfurter Rundschau (FR), die im August ihren 80. Geburtstag feiert. Illustriert mit zahlreichen Fotos erzählt Claus-Jürgen Göpfert die Geschichte der Zeitung, in deren Redaktion er von 1985 bis 2020 arbeitete. 35 Jahre lang berichtete er aus der Mainmetropole und wurde bei der Buchvorstellung Ende Mai als »eine Instanz der Frankfurter Kommunalpolitik« bezeichnet.

Vor diesem Hintergrund mit seinen persönlichen Erfahrungen, Informationen aus Archiven und Bio-grafien, mit Hilfe zahlreicher Zeitzeug*innen wie Daniel Cohn-Bendit sowie Hintergrundgesprächen gelingt dem Autor eine tiefgründige und spannende Nacherzählung des Aufstiegs der FR von einer Lokalzeitung zu einer überregionalen Zeitung und auch ihres Niedergangs und ihrer Insolvenz. Verleugnete Geschichte weiterlesen »

Sinnlose »Verteidigung«

geschrieben von Axel Holz

6. Juli 2025

Die Ausstellung »1945 – Widerstand gegen den Nationalsozialismus am Kriegsende«

Zum Kriegsende stellten sich zahlreiche Menschen den NS-Zerstörungsbefehlen entgegen und versuchten, die sinnlose »Verteidigung« ihrer Heimatorte zu verhindern. Einiger Widerständler wurde im Nachkriegsdeutschland bereits früh gedacht, andere blieben lange Zeit vergessen. Die noch bis 25. August gezeigte Ausstellung »1945 – Widerstand gegen den Nationalsozialismus am Kriegsende« in der Berliner »Gedenkstätte Deutscher Widerstand« erinnert an diese Menschen und an ihren Mut angesichts der Todesdrohungen der NS-Führung. Sinnlose »Verteidigung« weiterlesen »

Wunsch nach Dokumentation

geschrieben von Bernd Hüttner

6. Juli 2025

Eine Schau im Berliner DHM hat die ersten Ausstellungen zur NS-Besatzung in Europa zum Thema

Die aktuelle Wechselausstellung im Deutschen Historischen Museum (DHM) ist die erste Aktivität des mit Beschluss des Bundestages vom Oktober 2020 gegründeten und beim DHM angesiedelten Dokumentationszentrums »Zweiter Weltkrieg und deutsche Besatzung in Europa«. Sie hat sechs Ausstellungen in fünf Städten zum Thema, die nach Kriegsende 1945 bzw. in London bereits am 1. Mai die Besatzungs- und Vernichtungspraxis Nazideutschland darstellten1.

Diese frühe Form der Dokumentation und Bekanntmachung der NS-Verbrechen beruhte auch auf der Sammlung von Dokumenten bereits während der Besatzung. Nach Kriegsende wurden weitere Objekte gesammelt, systematisch Interviews mit Überlebenden, oft mit ausgearbeiteten Leitfäden, geführt. Die Ausstellungen sollten zum einen Leben, Leiden und Kampf von Juden darstellen, ebenso waren sie Zeugnisse des Kampfes der jeweiligen nationalen Widerstandsbewegungen. Dass diese beiden Aspekte nicht immer widerspruchsfrei sind, haben etliche Publikationen und Debatten der letzten Jahrzehnte gezeigt. So kritisierten etwa jüdische Überlebende, dass in der in Paris von Juni bis August 1945 gezeigten Ausstellung »Hitlerische Verbrechen« vor allem das Wirken und die Bekämpfung der Résistance dargestellt worden seien, das Schicksal der verschleppten und ermordeten Juden und Jüdinnen aber zu wenig vorkomme. Wunsch nach Dokumentation weiterlesen »

Für ein plurales Erinnern

geschrieben von Bernd Hüttner

6. Juli 2025

Beiträge aus Wien zu einer vielfältigen Erinnerungspraxis

Mit der Vergangenheit und deren Deutung wird die Zukunft einer Gesellschaft verhandelt. Das Buch »Erinnern in Zukunft« will »gewohnte Narrative der Erinnerung« hinterfragen und plädiert dafür, dass »eine gerechte, demokratische und friedliche Zukunft eine Erinnerungspraxis (braucht), die offen für verschiedene Perspektiven ist und Raum für vielstimmige Erfahrungen der heutigen Gesellschaft lässt« (S. 12). Entstanden ist es in Wien, wo in der Brunnenpassage am Yppenplatz seit 2021 verschiedene Aktivitäten unter diesem Vorzeichen stattfinden.

Hintergrund war und ist es, einen dort gelegenen und stillgelegten Bunker in einen von der städtischen Zivilgesellschaft gestalteten und getragenen Ort der Erinnerung und des Gedenkens umzuwidmen. Der Bunker soll im sprichwörtlichen Sinne geöffnet werden, um Raum für viele Stimmen aus der aktuellen, multinationalen Stadtgesellschaft zu bieten1. Es sollen neue Perspektiven in die offizielle ebenso wie in die klassisch linke Erinnerungspolitik eingebracht werden. Dabei ist klar, dass Widersprüche existieren und Toleranz sehr hilfreich, wenn nicht unabdingbar ist. Für ein plurales Erinnern weiterlesen »

Nicht kleinmachen lassen

geschrieben von Peter Nowak

6. Juli 2025

Ein Buch erinnert an den antifaschistischen Gewerkschafter Willi Bleicher

»Du sollte Dich nie vor einem lebenden Menschen bücken«: Dieser Satz hat in den späten 1970er-Jahren in der BRD viele junge Leute inspiriert. Es war das Lebensmotto von Willi Bleicher, einem linken IG-Metall-Gewerkschafter, der damals für viele Menschen ein Vorbild war, die sich gegen alte und neue Nazis engagierten. Heute ist der schon 1981 verstorbene Bleicher wenig bekannt. Da ist es um so erfreulicher, dass der Historiker Hermann G. Abmayr mit einem neuen Buch an ihn erinnert.

In dem umfangreichen Band sind Texte aus verschiedenen Lebensphasen des Gewerkschafters abgedruckt. Darunter die Rede, die Bleicher zur Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Preises im Jahr 1978 gehalten hat. Darin geht er auf die Hintergründe des so viel zitierten Satzes ein: »Ich liebte sie nicht, meine Schullehrer, die mir als siebenjährigen Jungen befahlen, mich zu bücken, damit der Rohrstock nicht nur meinem Hinterteil Schmerzen bereitete, sondern auch meinem kindlichen Gemüt. So lernte ich beizeiten die Erkenntnis, mit welchen Mitteln und Methoden die Menschen kleingemacht werden« (S. 420). Nicht kleinmachen lassen weiterlesen »

Zukunft der Erinnerung

geschrieben von Ulrich Schneider

6. Juli 2025

80 Jahre nach der Befreiung: Bücher zu Auschwitz auf der Leipziger Buchmesse

Unter dem Titel »Endstation Hoffnung – Il bibliotecario di Auschwitz, Überleben um jeden Preis?« veranstaltete der Salon-Literaturverlag auf der Leipziger Buchmesse eine Lesung, auf der Sandra Hubmann und Andrea Frediani die Zuhörer mit Auszügen aus Texten von Überlebenden und literarischen Verarbeitungen an die Tragödie Auschwitz heranführten.

Yves Kugelmann von der Jüdischen Medien AG Zürich nutzte unter dem Titel »Auschwitz. Hat Erinnerung eine Zukunft?«, so der Titel einer Sonderausgabe der Zeitschrift Aufbau vom Januar 2025 mit Beiträgen von Sibylle Berg, Robert Menasse, Anetta Kahane und Ari Folman sowie einer kuratierten Bildserie von Gerhard Richter, die Buchmesse, um die editorische Zukunft dieser 1934 in New York von deutsch-jüdischen Emigranten gegründeten Zeitschrift vorzustellen. Als neuer Herausgeber fungiert Michel Friedman (ehemals Frankfurter CDU-Politiker und Publizist). Chefredakteur Yves Kugelmann möchte mit dem inhaltlich und optisch modernisierten Magazin ein Forum für kritischen Diskurs, Pluralität und Demokratie schaffen. Zukunft der Erinnerung weiterlesen »

Know your enemy

geschrieben von Max Vogel

6. Juli 2025

Dachauer Symposien zu rechtem Geschichtsrevisionismus

Wenn Maximilian Krah die SS verharmlost, sich Jana aus Kassel mit Sophie Scholl vergleicht, der ehemalige CDU-Abgeordnete Henry Nitzsche ein Ende des »Schuldkults« fordert oder die inzwischen verstorbene Ursula Haverbeck die Massenverbrechen der Nazis leugnet, dann wird sich Geschichte von rechts angeeignet, umgedeutet und für gegenwärtige politische Erzählungen genutzt. Rechter Geschichtsrevisionismus ist, wie diese Beispiele deutlich machen, kein einheitliches Phänomen, sondern ein Konglomerat verschiedener Strategien und Ideologien, deren Akteur*innen teilweise voneinander abweichende Ziele verfolgen. Der vorliegende Band »Rechter Geschichtsrevisionismus in Deutschland« versucht dieses unübersichtliche Feld zu ordnen, Gemeinsamkeiten aufzuzeigen und Unterschiede herauszuarbeiten.

Auf knapp 200 Seiten erfolgt dies in Form eines knappen Überblicks, indem insbesondere verschiedene Akteur*innen des rechten Geschichtsrevi-sionismus in den Blick genommen werden. Ein Fokus liegt nachvollziehbarerweise auf der AfD und deren Vorfeldorganisationen. So wird einerseits dem ehemaligen Institut für Staatspolitik um den extrem rechten Publizisten und Aktivisten Götz Kubitschek breite Aufmerksamkeit zuteil. Hier ist der Text von Volker Weiß hervorzuheben, der in beeindruckender Akribie eine Rede Kubitscheks analysiert und dort eine Programmatik extrem rechter Politik wiederfindet, die den »Krieg« (Kubitschek) um die Geschichte als zentral für die eigenen Ziele betrachtet. An diesem Kampf sind allerdings noch weitaus mehr Akteur*innen der extremen Rechten beteiligt. Justus H. Ulbricht führt in das weitverzweigte und umtriebige rechte Verlagswesen ein, während sich Maik Fielitz und Hendrik Bitzmann rechter Onlinepublikationen annehmen. Know your enemy weiterlesen »

Ältere Nachrichten · Neuere Nachrichten