Wahlschmerzen in Bremen

geschrieben von Ulrich Stuwe

11. Juli 2023

»Bürger in Wut« (BIW) bei Urnengang mit lokal unterschiedlichen Ergebnissen

Die Aufregung um die Ergebnisse der rechten Vereinigung »Bürger in Wut« (BIW) bei den Wahlen am 14. Mai im Stadtstaat Bremen ist inzwischen schon fast wieder verflogen. Die Zahlen der Bürgerschaftswahlen zeigen verglichen mit 2019 nur wenig Bewegung. Die SPD hat den Grünen ein paar Prozentpunkte abgenommen und ist nun wieder stärkste Kraft. BIW haben neben ihrem gewohnten Wählerspektrum fast nur die Stimmen der AfD – die nicht antreten durfte – eingesammelt. Anders in Bremerhaven. Dort sammelten die Rechten rund sechs Prozentpunkte mehr, als 2019 BIW und AfD auf sich vereinigen konnten. Mehr als einer von fünf machte seine Kreuze rechts von der Union. Wahlschmerzen in Bremen weiterlesen »

AfD einfach verbieten?

geschrieben von Gerd Wiegel

11. Juli 2023

Studie stellt die Möglichkeit in den Raum, ohne die Konsequenzen zu diskutieren

In der aktuellen Sonntagsfrage liegt die AfD bei 19 Prozent – ein neuer Höchststand. Sie kokettiert damit, einen eigenen Kanzlerkandidaten (oder gar eine Kandidatin?) zur nächsten Bundestagswahl aufzustellen, und in verschiedenen Bundesländern werden Gedankenspiele zur Bildung von Mehrheiten rechts der Mitte unter Einbeziehung der AfD ventiliert. Während sich Regierung und konservative Opposition gegenseitig die Schuld am weiteren Aufstieg der extremen Rechten zuschieben, hat niemand eine konkrete und handhabbare Idee, wie der Aufstieg der AfD begrenzt werden kann. AfD einfach verbieten? weiterlesen »

Eine polizeiliche Deutungsweise

11. Juli 2023

Das Forschungsprojekt »Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen«. Gespräch mit Hannah Espín Grau

antifa: Das Projekt »Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen« benennt einen Straftatbestand. Gefragt wurden die Betroffenen aber nach »übermäßiger Gewaltanwendung«, also gerade nicht nach rechtswidrigen Taten, sondern nach »Überschreitungen der Grenzen des Akzeptablen«. Warum?

Hannah Espín Grau: Unser Ausgangspunkt war durchaus die juristische Formulierung. Die staatsanwaltschaftliche Statistik zeigt, dass die allermeisten Verfahren wegen Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen eingestellt werden. Wir haben uns gefragt: Was ist mit den Fällen, die gar nicht erst angezeigt werden? Was ist mit den Fällen, die eingestellt werden? Um uns dem zu nähern, brauchten wir einen Begriff, der nicht diese juristische Definition umfasst. Übermäßigkeit meint in unserem Verständnis, dass Gewalt aus mindestens einer Perspektive als problematisch begriffen wird. Es muss gar nicht sein, dass das Recht von dem abweicht, was gesellschaftlich als problematisch gilt, sondern es ist eine Reflexion dessen, wie in der Gesellschaft Gewalt verhandelt wird. Eine polizeiliche Deutungsweise weiterlesen »

Meldungen

11. Juli 2023

Gesichert extrem rechts

Die Hamburger »Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft« (SWG) wird seit Ende Juni vom Landesverfassungsschutz als »gesichert rechtsextrem« eingestuft. Der Verein ist seit 60 Jahren tätig und machte in seinem Deutschland-Journal unter anderem mit Positionen von sich reden, dass Nazideutschland keine Schuld am Zweiten Weltkrieg habe. Dass derlei Thesen bei dem Verein zum guten Ton gehören, bezeugen auch frühere Referenten wie Ex-Innenminister Friedrich Zimmermann (CSU).

Archiv zu Rechtsterror

Mitte Mai wurde bekannt, dass die Bundesregierung ein Digitalarchiv zu rechtem Terror einrichten will. Online sollen Akten und Dokumente zu Neonazimorden zusammengetragen werden. Es sollen auch Unterlagen ziviler Organisationen und aus journalistischer Arbeit herangezogen werden. Laut KritikerInnen ist der Wert aber zweifelhaft. Was »rechts« bzw. »Terror« ist, sehen AntifaschistInnen und staatliche Behörden gewöhnlich recht unterschiedlich. Auch welche Unterlagen zugänglich sein sollen und welche gesperrt bleiben ist offen. Bereits die staatliche »Aufklärung« zum NSU-Komplex und dem Attentat auf dem Münchener Oktoberfest zeigen die Zwiespältigkeit von Staat und Politik beim Thema. Meldungen weiterlesen »

Wir werden gebraucht

11. Juli 2023

Zur zehnjährigen Neugründung von Hashomer Hatzair in Deutschland. antifa-Gespräch mit Nitzan Menagem

antifa: Voriges Jahr habt ihr als Hashomer Hatzair das zehnjährige Jubiläum eurer Neugründung in Deutschland gefeiert. Wo steht ihr gerade?

Nitzan Menagem: Die Organisation besteht zwar seit zehn Jahren wieder, aber erst seit drei Jahren mit neuem Vorstand und der Vision, in der deutschen Gesellschaft bekannter werden zu wollen. Eigentlich könnte der Verband schon 92 Jahre alt sein, wurde aber erst vor rund zehn Jahren neu gegründet und ist seitdem langsam gewachsen. Das lag auch an den bürokratischen Hürden, die uns als migrantischer Organisation bei dem Vorhaben, eine Jugendorganisation in Deutschland zu gründen, im Weg standen. Wir sind der erste jüdische Jugendverband im Landesjugendring Berlin seit der Neugründung 1949 und komplett unabhängig von jüdischen Institutionen, wie beispielsweise dem Zentralrat der Juden in Deutschland. Das gibt uns Entscheidungs- und Kritikfreiheit. Jetzt ist die Organisation in einer Phase, in der es darum geht, sich strukturell nachhaltig aufzubauen. Wir werden gebraucht weiterlesen »

Gezielte rechte Provokation

geschrieben von Lagergemeinschaft Ravensbrück/Freundeskreis e. V.

11. Juli 2023

Gedenken in Ravensbrück: Versuch, nationalistische Stimmung zu inszenieren

April 2023, 78. Feier anlässlich der Befreiung des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück, Parkplatz der Mahn- und Gedenkstätte: Eine Gruppe sportlicher, schwarz gekleideter junger Männer mit NSZ-Fahnen trägt ein Transparent, auf dem neben der Aufschrift »polnischer Stolz« ein durchgestrichenes Hakenkreuz und ein durchgestrichenes Hammer-und-Sichel-Symbol zu sehen sind. Sie werden von allen Seiten fotografiert und gefilmt, unter anderem vom polnischen Staatsfernsehen TVP und einem Radiosender aus Szczecin. Sie sind umgeben von Polizisten, die sie nicht auf das Gelände lassen. Diese Szene markiert das Ende einer als gewöhnlicher Gedenkstättenbesuch in Szene gesetzten Provokation eines rechten bis extrem rechten Bündnisses.

Die NSZ (Narodowe Siły Zbrojne – Nationale Streitkräfte) war während des Zweiten Weltkrieges eine militärische Untergrundorganisation, in der sich viele Personen aus dem (extrem) rechten Lager organisierten. Sie war unter anderem verantwortlich für Morde an Jüd*innen, Ukrainer*innen und linken Pol*innen und kollaborierte partiell mit den Nazis. Die Ehrung dieser Organisation wird heute von der polnischen Regierung, aber auch der liberalen Opposition aktiv betrieben, zuletzt am 9. Mai im polnischen Parlament, wo ein Abgeordneter der extremen Rechten anerkennend bemerkte, dass die NSZ viele der im Raum anwesenden Abgeordneten erschossen hätte. Gezielte rechte Provokation weiterlesen »

Waffen niederlegen!

geschrieben von Florian Gutsche

11. Juli 2023

Seit dem 21. September 1981 gibt es den Weltfriedenstag

1981 verkündete die Generalversammlung der Vereinten Nationen:

»Dieser Tag soll offiziell benannt und gefeiert werden als Weltfriedenstag (International Day of Peace) und soll genützt werden, um die Idee des Friedens sowohl innerhalb der Länder und Völker als auch zwischen ihnen zu beobachten und zu stärken.«

Während der Corona-Pandemie erklärte UN-Generalsekretär António Guterres anlässlich des 21. Septembers, das Ziel des Tages bestehe darin, dass sämtliche Kriegsparteien überall auf der Welt ihre Waffen niederlegen und sich für Harmonie einsetzen. Waffen niederlegen! weiterlesen »

Überlieferungsverlust droht

geschrieben von Julia Hartung

11. Juli 2023

Masterarbeit zum Thema »Archive in der VVN-BdA«

»Archiv statt Deponie«: So titelt das Wuppertaler Hartmut-Meyer-Archiv auf einem seiner Flugblätter. Mit diesem öffentlichen Aufruf will es auf den drohenden Überlieferungsverlust innerhalb der VVN-BdA aufmerksam machen. Denn die Zeit läuft: Wertvolle Archivalien drohen unbrauchbar zu werden oder können nicht mehr identifiziert und zugeordnet werden. Überlieferungsverlust droht weiterlesen »

Bürgerschaftliches Engagement stört

geschrieben von Ulrich Schneider

11. Juli 2023

Emslandlager-Gedenken durch Ausgrenzung von DIZ gefährdet

Jede und jeder kennt das Lied »Die Moorsoldaten«, dennoch hat es in der alten BRD Jahrzehnte gedauert, bis endlich die Emslandlager und das KZ Esterwegen in den Blick der Öffentlichkeit kamen. Ein großer Anteil kam dabei dem Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager zu. 1985 wurde es gegründet, es erinnerte erstmals öffentlich an dieses Konglomerat aus frühen Lagern, Strafgefangenenlagern, Kriegsgefangenenlagern der Wehrmacht sowie Außenlagern des KZ Neuengamme. Ohne die Arbeit des DIZ, das wesentliche Unterstützung von Exhäftlingen und Angehörigen erfuhr, wäre die politische Debatte, die 2008 zur Gründung der Stiftung Gedenkstätte Esterwegen führte, nicht in Gang gekommen. Dem DIZ kommt das Verdienst zu, die Grundlage für die Einrichtung der Gedenkstätte am historischen Ort gelegt zu haben. 2011 verlegte das DIZ auf Einladung des Landkreises seinen Sitz von Papenburg in die neu eröffnete Gedenkstätte, deren Arbeit es nicht nur maßgeblich aufbaute, sondern bis heute auch durchführt. Bürgerschaftliches Engagement stört weiterlesen »

Antidot gegen Hetze

11. Juli 2023

Leserbrief zu »Ein Pulverfass«, antifa Mai/Juni 2023, Seite 12

Dank an Juliet Schnabel für ihre kritischen Anmerkungen zu einer leitmedialen Berichterstattung über den Massenmord an der religiösen Minderheit der Jehovas Zeugen in Hamburg, die in ihren extremsten Ausformungen tatsächlich bis zu »einer klassischen Opfer-Täter-Umkehrung« reichte, wie die Autorin anhand des Boulevardmediums Bild aufzeigt.

Als umso bedauerlicher erscheint uns daher, dass bestimmte Klischees, die mit der »Sekte« der Zeugen Jehovas verbunden sind, in einzelnen Passagen selbst dieses Artikels nicht hinterfragt bzw. sogar reproduziert werden. So wird der – richtige – Hinweis darauf, dass es sich bei dem Mörder nicht um einen gewöhnlichen Aussteiger handelte, verknüpft mit der These, seine »recht kurze Mitgliedschaft« erscheine »eher als ein Schritt innerhalb seines Radikalisierungsprozesses«. Ist die Religionsgemeinschaft, an der der Faschist seinen mörderischen Hass auslebte, also doch selbst ein bisschen faschismusaffin? Das Gegenteil ist der Fall, dies haben die Zeugen Jehovas auch und gerade unter dem Hitlerfaschismus von Beginn an in einer Geschlossenheit demonstriert, die ihresgleichen sucht. Einer Geschlossenheit, die sich aus einer prinzipiellen Unvereinbarkeit mit dem Totalitätsanspruch einer faschistischen Partei und Regierung ergab, dessen politisch-theologische Dimensionen sie kategorisch verwarfen, während allzu viele Angehörige der »säkularen« Mehrheitsgesellschaft sich ihm willfährig unterwarfen.

Jehovas Zeugen blieben standhaft, denn trotz Verfolgung und Ermordung verweigerten sie den Hitlergruß und ersetzten im Gegensatz zu führenden Repräsentanten der Großkirchen den Gott der Bibel nicht durch Hitler. Im Nationalsozialismus war der Hitlergruß überall, auf der Arbeit, in der Uni und der Schule, für alle eine tägliche Pflicht. Die Minderheit der Jehovas Zeugen aber blieb von Beginn an unbeugsam; für sie stand und steht auch heute noch fest: Rettung, also Heil, kommt nicht von Hitler, denn das Heil kommt nur vom Gott der Bibel.

In Anbetracht der Mordtat in Hamburg gilt es in antifaschistischer Perspektive, das Martyrium der Angehörigen dieser Gemeinschaft öffentlich in Erinnerung zu rufen – auch als Antidot gegen die »Sekten«hetze bestimmter großkirchlicher Institutionen, die sich ihrerseits ihrer Verantwortung für Frieden und Minderheitenschutz nicht mehr entziehen dürfen.   Danny Oestreich, Daniel L. Schikora

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