Unsere Wut gibt uns Kraft

6. September 2025

Polizeiüberfall auf Antifacamp auf dem Gelände der NS-Gedenkstätte Peršmanhof (Kärnten). Ein Gespräch

antifa: Ende Juli 2025 kam es in Österreich auf dem Gelände der NS-Gedenkstätte Peršmanhof in Kärnten zu einem martialischen Polizeiüberfall auf ein antifaschistisches Sommercamp. Eingesetzt wurden auch ein Polizeihubschrauber, Drohnen und eine Hundestaffel. Was ist geschehen, und wie habt ihr diesen Angriff erlebt?

Maria Knez: Es war Sonntagvormittag, gegen elf Uhr. Wir saßen gerade auf der Wiese in einem Workshop, hatten uns nach dem Frühstück versammelt, um einem Programmpunkt zuzuhören. Die meisten Campteilnehmer:innen waren dort. Plötzlich kam die Polizei, zunächst zwei Streifenwagen, zwei schwarze Zivilfahrzeuge und ein Mannschaftswagen.

Zuerst versuchte das Organisationsteam, Kontakt aufzunehmen, um abzuklären, was die Polizei wollte. Wir wollten das Programm nicht sofort unterbrechen, sondern erst verstehen, was los ist. Wir hatten nicht mit einer Störung gerechnet – schließlich fand das Camp schon im zweiten Jahr in Folge dort statt, im Vorjahr ohne Zwischenfälle. Damals war nur einmal ein Polizeiauto kurz aufs Gelände gefahren und gleich wieder umgedreht. Dieses Mal war es anders. Dabei war das Programm vielfältig und stark mit dem Gedenkort verbunden, es gab Führungen im Museum in drei Sprachen. Unsere Wut gibt uns Kraft weiterlesen »

Zentrale Bausteine

geschrieben von Niklas Tretow

6. September 2025

Queerfeindlichkeit und der Kampf gegen Sexualforschung im Nazireich und heute

Queeres Leben ist unter Beschuss: Die AfD hetzt, ihre Fußsoldat*innen und die neuen Stiefelnazis greifen Christopher-Street-Day-Paraden an. Wo die Faschist*innen und andere Reaktionäre bereits an der Macht sind – siehe Italien, USA, Ungarn – werden die Rechte queerer Menschen beschnitten. In Deutschland plant das Bundesinnenministerium eine Speicherung und Weitergabe der Daten zum früheren Geschlechtseintrag von Trans- und nicht-binären Menschen.

Auch wenn die Lage sich aktuell verschärft, ist all das nicht neu. Homo- und Queerfeindlichkeit waren zentrale ideologische und politische Bausteine des deutschen Faschismus. Bisher stand die Verfolgungsgeschichte homosexueller Männer im Vordergrund, die nach Paragraf 175 verurteilt wurden – auch vor und nach der politischen Herrschaft des Nationalsozialismus. 5.000 bis 15.000 Männer verschleppten die Nazis aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Homosexualität ins KZ. Zehntausende weitere wurden in Zuchthäusern inhaftiert, zwangskastriert oder in den Suizid getrieben. Zentrale Bausteine weiterlesen »

Arbeiterwiderstand und Lagerhaft

geschrieben von Ulrich Schneider

6. September 2025

Die biografischen Erinnerungen von Heinz Junge

Da die Zeitzeugen heute nicht mehr selbst sprechen können, sind Autobiografien, manchmal auch Video-interviews mit ihnen eine Möglichkeit, einen authentischen Eindruck der politischen Wirklichkeit von Verfolgung und Widerstand zu erhalten. Einer derjenigen, der sehr umfänglich seine Erfahrungen und Erlebnisse aus dieser Zeit niedergeschrieben hat, ist der Dortmunder Heinz Junge (1914–2004). Bereits in den letzten Jahren der Weimarer Republik politisch in den Reihen des kommunistischen Jugendverbandes aktiv, wurde er mit 18 Jahren zum ersten Mal verhaftet und von der SA, die als »Hilfspolizei« agierte, misshandelt. Um ihn »kleinzukriegen«, wie er selber schreibt, kam er im Herbst 1933 für kurze Zeit ins KZ Börgermoor (Emsland).

Zurück in Dortmund, organisierte er erneut eine Widerstandsgruppe. Wegen »Hochverrats« verhaftet und verurteilt, saß er im Jugendknast in Bochum. Nach seiner Entlassung ging er illegal in die Niederlande, wo er seit Herbst 1939 auf der Insel Vlieland mit anderen »feindlichen Ausländern« interniert war, bevor er mit dem deutschen Überfall im Westen erneut in die Fänge der Gestapo geriet und in das KZ Sachsenhausen verschleppt wurde. Arbeiterwiderstand und Lagerhaft weiterlesen »

Gefangenenbefreiung 1934

geschrieben von Detlef Grumbach

6. September 2025

Polizist Bruno Meyer wollte Etkar André und Fiete Schulze aus Naziknast holen

Im Juni 1935 wurde der Hamburger Widerstandskämpfer Fiete Schulze von den Nazis ermordet, ein Jahr später brachten sie auch Etkar André, damals Mitglied der Bürgerschaft, um. Beide haben in der antifaschistischen Erinnerungskultur Hamburgs prominente Plätze. Verbunden mit dem Schicksal der beiden Kommunisten ist aber ein weiterer Kämpfer, doch an ihn erinnert heute (fast) nichts: Bruno Meyer!

1929, mit 18, ist Meyer in die KPD eingetreten. Am 1. Januar 1931 begann er seine Ausbildung im Polizeidienst. Hier wollte er später das Abitur nachholen und Ethnologie studieren. Sein Traum war Afrika, er nannte sich »Simba, der Löwe«. Doch dann saß er fest bei einer Polizei, die seine eigenen Leute verfolgte. Er ging in den Widerstand. Als wachhabender Polizist im Untersuchungsgefängnis planten er und ein paar andere, Schulze und André aus der Haft zu befreien. Der Plan scheiterte damals, Meyer hat ihn teuer bezahlen müssen. Gefangenenbefreiung 1934 weiterlesen »

In einer Falle

geschrieben von Harry Friebel

6. September 2025

Die Holocaustüberlebende Anita Lasker-Wallfisch wurde jüngst 100

Die Holocaustüberlebende Anita Lasker-Wallfisch hat am 17. Juli 2025 ihren 100. Geburtstag gefeiert. Dies soll hier Anlass sein, auf die 2025 in 22. Auflage erschienene Biografie aus dem Jahr 2000 mit Lebenserinnerungen von Anita Lasker-Wallfisch hinzuweisen.

Sie wurde 1925 als Anita Lasker in Breslau in einer jüdischen Familie geboren: »Wir waren eine typische assimilierte Familie.« Die ersten antisemitischen Angriffe erfuhr sie als Achtjährige. »Ich erinnere mich …, dass Kinder mich auf der Straße anspuckten und mich ›dreckiger Jude‹ nannten.« Im April 1942 wurden ihre Eltern durch die Nazis deportiert und ermordet. Anita und ihre Schwester Renate blieben zunächst in Breslau. Bei einem Fluchtversuch (Ziel: Unbesetzte Zone Frankreichs) mit ihrer Schwester wurde sie von der Gestapo verhaftet. Die beiden wurden getrennt und in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert. In einer Falle weiterlesen »

Kritiker rechter Ideologien

geschrieben von Ulrich Stuwe

6. September 2025

Narthex zu regressiven Erscheinungen, Strategien, Taktiken und Grundlagen

Bereits Ende 2024 ist die 9. Ausgabe von Narthex – Heft für radikales Denken erschienen. Diese Ausgabe trägt den Titel »Jenseits der Mitte? Zur Kritik der (neu-)rechten Ideologie«. Die Autorinnen und Autoren beleuchten aktuelle Erscheinungen, Strategien, Taktiken und Grundlagen rechter Bewegungen in Deutschland und Europa. Sie liefern meist auf wenigen Seiten Berichte und Analysen aktueller rechter Aktivitäten.

Was die Herausgeber sowie Autorinnen und Autoren des Heftes verbindet, ist die Ablehnung derzeit in der deutschen Mehrheitsgesellschaft gängiger Erklärungen für das verstärkte Auftreten neofaschistischer Parteien und Bewegungen. An die Stelle treten eigene Erklärungen, die logischerweise in den Beiträgen nicht identisch sind, sich bei einigen in jeweils anderer Herangehensweise aber auch wiederholen. Vorherrschend sind Erklärungsansätze, die vor allem Imperialismus und Neo-liberalismus für den erstarkenden Neofaschismus verantwortlich machen und dementsprechend eine nichtkapitalistische Zukunft als Ausweg andeuten. Kritiker rechter Ideologien weiterlesen »

Politischer Überlebensinstinkt

geschrieben von Erika Weisser

6. September 2025

Die Geschichte der schwäbisch-jüdischen Familie Moos in einer Autobiografie

Der Freiburger Rechtsanwalt Michael Moos, Mitglied der VVN-BdA und 17 Jahre lang Stadtrat der Linken Liste, hat in seiner nun veröffentlichten Autobiografie mehr als die Geschichte seiner schwäbisch-jüdischen Familie festgehalten. Zwar thematisiert er die mühsame Emanzipation der oberschwäbischen Landjuden, ihr langes Bemühen um Integration in die städtischen Gesellschaften – und ihr vernichtendes Ende. Doch über die analytische Beschreibung der Leidenswege seiner Ulmer Elternfamilien gelingt ihm zugleich eine ebenso exakte wie bedrückende Darstellung des Faschismus an der Macht. Zudem beleuchtet er die Wirkung transgenerationaler Traumata – aber auch die Bedeutung politischen Engagements. Politischer Überlebensinstinkt weiterlesen »

Akt der Rückeroberung

geschrieben von ANPI Berlin-Brandenburg

6. September 2025

Pastasciutta antifascista: Erinnerung an den Sturz des Faschismus 1943 in Italien

Am 25. Juli feierte der Verein ANPI Berlin-Brandenburg das traditionelle antifaschistische Nudelessen zur Erinnerung an die berühmte Pastasciutta, die die italienische Familie Cervi den Einwohnern von Campegine in der Provinz Reggio Emilia nach der Absetzung und Verhaftung des Faschisten Benito Mussolini am 25. Juli 1943 anbot. Der König ernannte Marschall Pietro Badoglio zum neuen Regierungschef. Trotz des Sturzes des Faschismus ging der Krieg an der Seite der Deutschen weiter.

Die antifaschistische Familie Cervi erfuhr nicht sofort von Mussolinis Sturz, da sie auf den Feldern arbeitete. Auf dem Heimweg trafen sie jedoch zahlreiche feiernde Menschen. Obwohl sie wussten, dass der Krieg nicht wirklich beendet war, beschlossen sie, das Ereignis dennoch zu feiern – ein Moment des Friedens nach mehr als zwei Jahrzehnten faschistischer Diktatur. Sie besorgten Mehl, nahmen Butter und Käse auf Kredit aus der Molkerei und bereiteten Kilo um Kilo Pasta zu. Diese luden sie auf den Wagen und brachten sie auf den Platz in Campegine, um sie an die Dorfbewohner zu verteilen. Es wurde ein richtiges Fest. Akt der Rückeroberung weiterlesen »

Ihnen überhaupt mal zuhören

6. September 2025

Ein Film erinnert an die Opfer des Anschlags in Mölln 1992. Gespräch mit der Regisseurin Martina Priessner

antifa: Wie ist die Idee zum Film entstanden?

Martina Priessner: Ich habe Ibrahim Arslan, der den Anschlag als Siebenjähriger überlebte, bei einer anderen Filmvorführung in Offenbach getroffen. Dort hat er mir von den Briefen erzählt. Ich war erst mal sprachlos, und dann hat die Geschichte nicht aufgehört, in mir zu arbeiten. Für mich persönlich war Mölln 1992 eine Zäsur. Ich war damals 23, und es war der Beginn meiner Auseinandersetzung mit Rassismus, Antisemitismus und der Kontinuität rechten Terrors. Nach zwei Wochen habe ich ihn angerufen und gefragt, ob er Lust hat, eine Dokumentation darüber zu machen. Nachdem er sich dazu bereit erklärt hatte, habe ich die restliche Familie kennengelernt. Für Ibrahim war besonders wichtig, dass der Film als Projekt den Rückhalt der gesamten Familie hat. Ihnen überhaupt mal zuhören weiterlesen »

Oft übersehene Vielfalt

geschrieben von Nils Becker

6. September 2025

Perspektive Ost: Demokratische Praxis sichtbar machen

Der Druck auf Menschen, die sich im ländlichen Raum politisch engagieren, steigt, so der Kultursoziologe Alexander Leistner von der Uni Leipzig. In vielen Regionen herrsche ein falsches Verständnis von »Neutralität« – welches Engagement eher als störend und nicht als demokratische Pflicht interpretiert. Das Ergebnisse: Eine mundtot gemachte passive Zivilgesellschaft – eine, die sich aus aktiven Diskursen heraushält – lässt ein politisches Vakuum entstehen, in dem die extreme Rechte schnell Raum gewinnen kann. Oft übersehene Vielfalt weiterlesen »

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