Unterbelichteter Aspekt

geschrieben von Kristin Caspary

4. Januar 2025

Die Library of Lost Books bringt den NS-Raub von Schriftgut in die Öffentlichkeit

NS-Raubgut ist in Film und Buch immer wieder Thema der Auseinandersetzung mit der Nazizeit. Meist geht es dann um wertvolle Skulpturen, Gemälde oder Kultgegenstände. Der millionenfache Bücherraub verblasst dahinter.

Ab 1934 ergingen insgesamt vier Ministerialerlasse, durch die Gewerkschaften und kommunistische Verbände enteignet und auch deren materielles Vermögen verwertet wurde. Später folgte die Enteignung und Verwertung jüdischer und hebräischer Literatur. Die sogenannte Reichstauschstelle, angesiedelt in der Preußischen Staatsbibliothek, war damit betraut, die Verteilung der Bücher an Bibliotheken im ganzen Reich zu besorgen. Dieser Prozess erfolgte nicht unentgeltlich, wie ein aufgrund seines Umgangs herausragender Fall zeigt: 1943 kaufte die Berliner Stadtbibliothek, heute ZLB, insgesamt 40.000 dieser Bücher der Pfandleihanstalt ab. Unterbelichteter Aspekt weiterlesen »

Systematisches Ausblenden

geschrieben von Thomas Hacker

4. Januar 2025

Buch zum »Bandera-Komplex: Der ukrainische Faschismus – Geschichte, Funktion, Netzwerke«

Das Vorwort der Herausgeberin Susann Witt-Stahl beginnt mit der Legende, der Ruf »Slawa Ukrajini!« (Ruhm der Ukraine) sei faschistischen Ursprungs. In Wahrheit stammt er aber aus dem 19. Jahrhundert. Der Slogan der ukrainischen Nationalisten lautet nämlich »Ruhm der Ukraine, den Helden Ruhm«. Richtig ist, dass dieser heute auch in den ukrainischen Streitkräften Anwendung findet. Nicht richtig ist, dass sich »ein deutscher Kanzler [Scholz 2022, T. H.] ein Ritual der faschistischen Organisation Ukrainischer Nationalisten, von Hitlerkollaborateuren, zu eigen« machte, indem er die ältere Parole aussprach. Es ist kaum anzunehmen, dass die Verfasserin dies nicht wusste. Systematisches Ausblenden weiterlesen »

Flucht aus dem Totenreich

geschrieben von Harry Friebel

4. Januar 2025

Ein Buch des Schriftstellers und Holocaustüberlebenden Gerhard L. Durlacher

Als die Rote Armee am 27. Januar 1945 das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau befreite, befand sich Gerhard L. Durlacher an der Schwelle des Todes. Die Zwangsarbeit im benachbarten Steinbruch hatte ihn extrem entkräftet. Dann ein Sturz, und er fiel in eine tage- sowie nächtelange Bewusstlosigkeit. Das Krankenstationspersonal und junge Russen holten ihn ins Leben zurück. Durlacher berichtet im Manuskript rückerinnernd damalige Gedanken: »Ich fliehe aus dem Totenreich« (S. 201).

Nur wenige Monate zuvor hatte er an seinem 16. Geburtstag ein herzzerreißendes Wechselbad der Gefühle erlebt: Vater und Mutter wurden in die Gaskammern gezwungen. Er sah noch aus der Ferne für einige Momente seine Mutter in ihrer graublauen Strickjacke (S. 191) – auf ihrem letzten Weg. Danach Angst, Resignation, Verzweiflung. Am selben Tag holte ihn der Blockführer aus dem mentalen Nichts. Es war eine Befehlsschrei in die Baracke hinein: »Alle Jungs raus!«. Durlacher erinnert sich daran: »In diesem Augenblick weiß ich, dass ich leben werde« (S. 192). Denn mit Dutzenden von Altersgenossen wird er auf dem Appellplatz für die Arbeit im Steinbruch gemustert. Eine Überlebenschance für ihn. Flucht aus dem Totenreich weiterlesen »

Ort des Terrorregimes

geschrieben von Gerald Netzl

4. Januar 2025

Neues Buch zum Konzentrationslager Gusen

Am 5. November 2024 fand im neuen Informationszentrum der KZ-Gedenkstätte Gusen die Präsentation des Buches »Konzentrationslager Gusen 1939–1945. Eine Dokumentation« statt. Gusen liegt in Oberösterreich, 15 Kilometer östlich von Linz.

Das großformatige, reich bebilderte Buch erinnert an einen Ausstellungskatalog. Herausgegeben von vier MitarbeiterInnen der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, bietet es eine umfangreiche Quellenedition, die erstmals die Geschichte der drei Lager Gusen (I, II, III) in dieser Tiefe dokumentiert. Das KZ Gusen, vier Kilometer vom Hauptlager Mauthausen entfernt, war von 1939 bis 1945 ein Ort des Terrorregimes der Nationalsozialisten und bald das größte Konzentrationslager auf (heute) österreichischem Boden, das jedoch lange Zeit im Schatten des Hauptlagers stand und sowohl in der Forschung wie auch in der öffentlichen Erinnerung weitgehend unsichtbar war. Ort des Terrorregimes weiterlesen »

Ausgabe November/Dezember 2024

1. November 2024

 

Unser Titelbild zeigt die Kundgebung der Kampagne »AfD-Verbot jetzt!« am 17. Oktober 2024 in Berlin. Siehe auch Länderseiten der Bundesvereinigung sowie zahlreiche Beiträge im Innenteil dieser Ausgabe.

Unser Titelbild von Christian Ditsch zeigt die Kundgebung der Kampagne »AfD-Verbot jetzt!« am 17. Oktober 2024 in Berlin.

Die kommenden Wochen sind geprägt von Konferenzen der Vergewisserung unter Antifaschist*innen. In kaum einem Bundesland findet kein »Ratschlag«, ein »Aktiventreffen« oder eine »Aktions­konferenz« statt. Nach den katastrophalen Wahlergebnissen in den ostdeutschen Bundesländern, aber auch im Vorfeld der Landtagswahlen in NRW und den Bundestagswahlen im nächsten Jahr, gibt es viel zu besprechen. Gut so, denn diese Findungsprozesse, sind kontinuierlich nötig, um sich gegenseitig als Akteure wahrzunehmen. In allen Regionen gibt es Antifaschist*innen oder zumindest Menschen mit klaren humanistischen Werten. Diese in alten und neuen Organisationen miteinander zusammen zu bringen und eine Basis für gemeinsame Politik zu schaffen, ist die Aufgabe. Die Konferenzen dienen auch dazu, die eigenen Erfahrungen im Kampf gegen rechts darzustellen und die eigene Politik im solidarischen Umfeld zu hinterfragen. Zum anderen bereiten sie auf die Bündnisse von morgen vor, die wir brauchen, um uns und andere vor dem rechten Vormarsch zu schützen. Beispielsweise regionale Strukturen des Selbstschutzes, die ja schon funktionieren, müssen auch überregional entstehen, um schnell gegen rechte Massenmobilisierungen unterstützen zu können. Die Möglichkeiten der Einflussnahme auf politische Entscheidungen und den konkreten Vollzug rechter Politik müssen wieder auf andere Aktionsfelder verlagert werden, da mancherorts die antifaschistischen Kräfte in den Parlamenten und den Verwaltungen mindestens für ein paar Jahre abhanden gekommen sind. Doch woran sind vergangene Versuche von Aktionsbündnissen gescheitert – wie beispielsweise »unteilbar«? An der nicht geteilten Dringlichkeit, an den Ressourcen und daran, dass auch in den großen Organisationen der Zivilgesellschaft die ständig neuen Widersprüche nicht genug bearbeitet werden können. Sich das einzugestehen gehört zur solidarischen Selbstkritik. Die VVN-BdA ist davor nicht gefeit, und wir bemühen uns, die Widersprüche auch in der antifa aufzuzeigen, aber nicht zu dramatisieren, sondern konstruktiv zu bearbeiten. Nils Becker

Zeitgeschehen

AfD Verbot als schlichte Notwendigkeit (Cornelia Kerth)
Das Sicherheitspaket macht nicht sicher (Nils Becker)
Lebensschutzbewegung: Rechter Strategieexport (Wtf-Bündnis)
Kriegsberichterstattung (Thomas Willms)
Antifa statt Kollaps (Tino Pfaff)
Doku zu Razzien gegen Antifas (Le-Je)
Ethische Grundlagen für Protest (Letzte Generation)
Meldungen
Der 9. November 1938 und Feindschaft gegenüber Juden heute (Reinhard Schramm)
Jugendkonzentrationslager Uckermark
Erfolgreich gegen Hentschke-Bau (Silvio Lang)
Nius bekommt Fernsehlizenz (Janka Kluge)
Archivseite: Antifaplakate aus Thüringen seit 1990 (Peter Nowak)
Debatte um den gewerkschaftlichen Beitrag gegen rechts (Holger Elias)

Spezial

Gedenkstättenlandschaft in Gefahr (Ulrich Schneider)

Portrait

Inge Lammel (Eva Hackenberg)

Geschichte

80. Jahrestag des Nationalaufstands in der Slowakei (Jana Lubinova und Ruben Schenzle)
Bildungsreise im Riesengebirge (Peps Gutsche)

Internationales

Die USA vor den Präsidentschaftswahlen (André Wartmann)
Frauenkonferenz für den Frieden
Das »Forum Madrid« als Einheit von Rechten (Bernd Kant)

Kultur

»Die neue Protestkultur« (Peps Gutsche)
Elisabeth Schumacher im Widerstand der Roten Kapelle (Frank Nonnenmacher)
»In Liebe, Eure Hilde« (Kristin Caspary)
Die schleichende Machtergreifung der AfD (Harry Friebel)
„Es ist 5 vor 1933. Was die AfD vorhat“ (Ulrich Stuwe)
»Satiren, Geschichten und Cartoons gegen den Judenhass« (Axel Holz)
Die europäische »Neue Rechte« (Holger Czitrich-Stahl)
Hans-Jürgen Urban für aktiven Kampf gegen Faschisten (Stephan Krull)
»Wer nicht hören will, wird bestreikt!« (Ulrich Schneider)

Schlichte Notwendigkeit

geschrieben von Cornelia Kerth

1. November 2024

AfD-Verbot jetzt! Verharmlosung, Beschwichtigung und Legitimierung befördern Aufstieg extrem rechter Partei

Noch während der von Wohlstandschauvinismus und Ressentiment geprägten Debatte um den »EU-Rettungsschirm« war 2010 das rassistische Machwerk »Deutschland schafft sich ab« des damaligen Bundesbankvorstands und Berliner Exfinanzsenators Sarrazin schnell zum Bestseller hochgejazzt worden. So schien es fast folgerichtig, dass ermittelt werden musste, welche Chancen eine »Sarrazin-Partei« hätte. Mit prognostizierten 18 Prozent lag das Ergebnis im Rahmen der damals schon bekannten Studien zur Verbreitung rechter Einstellungsmuster in Deutschland. Es gab also gute Chancen für ein Partei, die »faule Griechen« und »Integration verweigernde« Einwanderer »in unsere Sozialsysteme« den »hart arbeitenden Menschen« gegenüberstellte.

2011 trat ein »Bündnis Bürgerwille« an die Öffentlichkeit, dessen wesentliche Köpfe der ordoliberale Professor Bernd Lucke (noch CDU), der Industrievertreter Hans-Olaf Henkel und die in reaktionären Netzwerken aktive Adelslobbyistin Beatrix von Storch waren. 2012 erweiterte sich der Kreis um Alexander Gauland (noch CDU), den FAZ- und Welt-Redakteur Konrad Adam und Joachim Starbatty, der zehn Jahre zuvor mit Manfred Brunner den »Bund freier Bürger« (BfB) gegründet hatte, zur »Wahlalternative 2013«. So wie das antifeministische Projekt »Zivile Koalition«, mit dem von Storch gegen Gender-Themen und Abtreibung mobil machte, wurde auch der BfB durch Millionen-Zuwendungen des in der Schweiz lebenden Milliardärs August von Finck finanziert; er gehörte zudem zu den Förderern der dann aus der »Wahlalternative« heraus gegründeten AfD. Schlichte Notwendigkeit weiterlesen »

Keine Sicherheit

geschrieben von Nils Becker

1. November 2024

Weitreichendes Verelendungs- und Datenbeschaffungspaket beschlossen

Zwei Monate nach einem islamistisch motivierten Messer-angriff in Solingen wurde ein sogenanntes Sicherheitspaket von der Bundesregierung eingebracht und im Bundestag verabschiedet. Demnach werden Menschen, die in einem anderen EU-Land als Geflüchtete anerkannt sind (»Dublin-Fälle«), zukünftig von Sozialleistungen ausgeschlossen. Die Folgen werden Wohnungslosigkeit und Verelendung sein. Die Sachverständigenanhörung im Bundestag förderte zutage, dass so ein pauschaler Ausschluss gegen die EU-Aufnahmerichtlinien ein Verstoß gegen das Völkerrecht und zahlreiche UN-Konventionen darstellt. Auch die Folgen der Verelendungsstrategie für die innere Sicherheit wurden nicht bedacht. Keine Sicherheit weiterlesen »

Rechter Strategieexport

geschrieben von Tomke

1. November 2024

»Lebensschutzbewegung« bleibt anpassungsfähig an rechte Diskurse

»Pro-life is a lie, you don’t care if people die« hallte es am 21. September auf Berliner Straßen – und zeitgleich auch in Köln. In beiden Städten fand an diesem Tag der sogenannte Marsch für das Leben statt, zum zweiten Mal parallel. Vordergründig geht es den Organisatoren um den Schutz »ungeborenen Lebens«, aber in der Konsequenz um das Verbot von Abtreibungen. Beiderorts stellten sich deshalb feministische und antifaschistische Gruppen dem Marsch entgegen.

In Köln und Berlin werden die Märsche vom Bundesverband Lebensrecht organisiert, der sich konfessionslos und überparteilich gibt. Nachdem in den vergangenen Jahren nach außen ein bürgerlicher Eindruck gewahrt wurde, lief in Berlin dieses Jahr erstmalig seit 2015 wieder die AfD-Politikerin Beatrix von Storch in den vorderen Reihen mit. Auch mit den Redner*innen hatte man sich internationale Vertreter der neuen Rechten auf die Bühne geholt: in Berlin Trump-Anhänger Pablo Munoz Iturrieta und in Köln John Deighan von der »Society for the Protection of Unborn Children«. Radikale Aussagen, Shoah-Vergleiche und Aufrufe zum Kulturkampf werden gerne ausländischen Gästen überlassen. Rechter Strategieexport weiterlesen »

Lichte Nebel

geschrieben von Thomas Willms

1. November 2024

Wie informiert man sich am besten über den Ukraine-Krieg?

Es ist keine einfache Aufgabe, sich über das Geschehen in einem Kriegsgebiet zu informieren, nicht einmal für die Kriegsparteien selbst. Das liegt in der Natur der Sache: Den Gegner über eigene Stärken und Schwächen zu täuschen, ohne sich dabei selbst zu täuschen, gehört von alters her zum Wesen des Krieges. Heute jedoch ist der »Informationskrieg« ein Kernelement der Kriegführung und führt zu einer Überfülle an Nachrichten, Bildern und Bewertungen auf Telegram und anderen Social-Media-Kanälen. Im Zuge des Ukraine-Krieges weicht außerdem das Informationsmonopol der kriegführenden Parteien auf. Zivilgesellschaftliche Akteure oder einfach Privatpersonen in aller Welt können heute Aufgaben übernehmen, die einmal Geheimdiensten vorbehalten gewesen sind. Geolokalisierte Handyfotos und frei verfügbare Satellitenaufnahmen dokumentieren das Geschehen in einer nie dagewesenen Detailtreue. Aficionados dokumentieren Seriennummern abgeschossener Flugzeuge, zählen Fahrzeugwracks und wie viele Sowjetpanzer noch in den Depots tief in Russland stehen.

Die Kriegsparteien müssen damit umgehen. Das diktatorisch geführte Russland verhält sich ambivalent. Während jede Kritik am Krieg oder auch nur die Erwähnung des Wortes »Krieg« brutal unterdrückt wird, duldet sie das Engagement ultranationalistischer sogenannter Militärblogger, die das offizielle russische Narrativ unterlaufen (siehe Spalte). Lichte Nebel weiterlesen »

Antifa oder Kollaps

geschrieben von Tino Pfaff

1. November 2024

Wer den Kapitalismus inkonsequent herausfordert, bekommt Faschismus als Antwort

Es gibt keinen Kapitalismus ohne ökologische Zerstörung und Ungleichheit. Das Anhäufen von Macht, Besitz und Geld in den Händen Weniger, ist davon abhängig, Naturvorkommen und Ökosysteme zu zerstören sowie große Teile der (Welt-)Gesellschaft zu unterwerfen. Solange es privatwirtschaftlich agierende Superreiche und Großkonzerne gibt, wird es ökologische Zerstörung, Ausbeutung und Leid geben. Vorangetrieben wird dies durch das unaufhörliche Wachstumsstreben, das dem kapitalistischen System zugrunde liegt, und so erzeugt es seit seinem Bestehen eine soziale Frage. Diese befasst sich damit, wie, dadurch entstehende, sozioökonomische Missstände aufgelöst werden können.

In der Jetztzeit wird die soziale Frage durch die ökologische Komponente maßgeblich definiert. Planetare Ökosysteme stehen vor einem Kollaps. Die Folge sind häufigere und stärkere Extremwetterereignisse sowie ökologische »Systemausfälle«, die Katastrophen und Mangelzustände in Lieferketten nach sich ziehen. Die Stabilität von Gesellschaften wird dadurch akut bedroht. Zum künstlich erzeugten Mangel durch gezielte Ungleichverteilung gesellt sich also ein Mangel an intakten Naturvorkommen, die den Menschen als Lebensgrundlagen dienen. Die soziale Frage unserer Zeit ist daher unweigerlich eine sozialökologische Frage. Antifa oder Kollaps weiterlesen »

Ältere Nachrichten · Neuere Nachrichten