Wieder Ansprüche stellen

8. November 2022

Interview mit Julian Pahlke zur Flüchtlingspolitik der Bundesregierung

antifa: Seit einem Jahr gibt es eine neue Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP. Vor welchen Herausforderungen steht sie in der Flüchtlingspolitik?

Julian Pahlke: Eine momentane große Herausforderung für Kommunen und Bund ist ganz klar die Unterbringung und Versorgung der rund eine Mil-lion Menschen aus der -Ukraine. Das Einsetzen der »Massenzustrom-Richtlinie«, die Schutz ohne vorherige Einzelfallprüfung ermöglicht, ist hierbei eine große Erleichterung. Gleichzeitig werden dadurch Standards für ähnliche Notlagen gesetzt. Wieder Ansprüche stellen weiterlesen »

Meldungen

8. November 2022

Urteil rechtskräftig

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main Ende August vollständig bestätigt. Somit bleibt es sowohl bei der lebenslangen Freiheitsstrafe mit Sicherungsverwahrung für den Lübcke-Mörder Stefan Ernst, als auch beim Freispruch für seinen Gesinnungsgenossen Markus Hartmann.

Compact-Heft verboten

Wegen Verletzung des Urheberrechts hat das Landgericht Berlin den Verkauf des Sonderhefts zur vierten Staffel der Serie »Babylon Berlin« des rechten Magazins Compact verboten. Nicht auf Grund des in der Ausgabe verbreiteten Geschichtsbildes ist der Verkauf Ende August eingestellt worden, sondern wegen der großzügigen Verwendung von Bildmaterial des Rechteinhabers. Die von der Produktionsfirma beantragte einstweilige Verfügung ist – anders als Compact behauptet – keine Zensurmaßnahme, dient aber der Distanzierung von dem rechten Blatt. Meldungen weiterlesen »

Stoppt das Töten!

8. November 2022

Aktionstag für Frieden und ein gutes Leben für alle am 19. November

Am 24. Februar begann die Invasion russischer Truppen in die -Ukraine. Der Angriffskrieg hat zu zehntausenden Toten, hunderttausenden Verletzten und Millionen Geflüchteten geführt. Durch den militärischen Konflikt, der bereits 2014 begann, wurden zudem unzählige Gebäude und öffentliche Einrichtungen zerstört, Lebensmittel vernichtet und deren Anbau unmöglich gemacht.

Die deutsche Regierung hat als Reaktion auf die neuerliche russische Aggression wenige Tage nach Beginn der Angriffe ein 100 Milliarden Euro umfassendes Aufrüstungsprogramm für die Bundeswehr angekündigt. Dieses wurde mittlerweile per Grundgesetzänderung beschlossen. Mit jährlichen Ausgaben von zwei Prozent des Brutto-inlandsprodukts hätte Deutschland bald nominal den drittgrößten Militäretat der Welt – nach den USA und China. Stoppt das Töten! weiterlesen »

Ausdruck vom Rechtsruck

8. November 2022

Gemeinnützigkeit: Sabotageakt gegen Kulturzentrum. Gespräch mit Yvonne Kratz

antifa: Das DemoZ in Ludwigsburg (Baden–Württemberg) hat jüngst seine Gemeinnützigkeit zurückerhalten. Diese war dem Zentrum vor drei Jahren durch das städtische Finanzamt entzogen worden. Ihnen zunächst einmal herzlichen Glückwunsch. Wie kam es dazu, und wie bewerten Sie die aktuelle Entscheidung?

Yvonne Kratz: Es bestand bereits die Aussicht, dass wir sie zurückbekommen. Seit Juni haben wir mit der Behörde ausgehandelt, welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen. Auf der einen Seite freut man sich total, weil der Kampf darum eine riesige Belastung war. Dieser Rechtsstreit hat unglaublich viele Ressourcen und auch Geld gefressen, die wir viel lieber in unsere Arbeit investiert hätten. Durch die fehlende Anerkennung der Gemeinnützigkeit sind erhebliche Summen an Fördergeldern wegge-blieben. Dass es uns überhaupt noch gibt, liegt einerseits an der Unterstützung durch unsere Mitglieder. Es hat auch damit zu tun, dass wir von städtischer Seite Hilfe trotz des zeitweisen Verlusts der Gemeinnützigkeit erhalten haben. Ausdruck vom Rechtsruck weiterlesen »

Nach der Erinnerung

geschrieben von Maxi Schneider

8. November 2022

Konferenz in Frankfurt stellt große Fragen zur Zukunft einer globalisierten Erinnerungskultur

Überthema dieser international angelegten Konferenz im September 2022 war die Frage, wie die Erinnerungen an Nationalsozialismus und Kolonialismus zusammengebracht werden können und welche Probleme dem derzeit entgegenstehen. Meron Mendel (Anne-Frank-Bildungsstätte, Frankfurt) forderte eingangs, dass auch die Erinnerung an den Holocaust selbst inklusiver gestaltet werden müsse. Die gesamte Veranstaltung wurde begleitet von der Frage nach dem Verhältnis Deutschlands zu Israel, der Charakterisierung des Nah-Ost-Konflikts und den Auswirkungen post-kolonialer Bewegungen und Theorien auf Erinnerungskulturen in einem globalen Kontext.

Das zweitägige Programm bildete aktuelle geschichtspolitische Debatten ab, die derzeit zum Teil aufgeheizt und aufgeladen geführt werden. So brodelte es während der beiden Konferenztage spürbar unter der Oberfläche. Dennoch: Das Ringen um Versachlichung und Verständigung stand im Vordergrund. Manchen war die Auseinandersetzung gar zu sanft, wie gegen Ende von einer Teilnehmerin geäußert wurde. Tatsächlich kann man sagen: Hier wurden einige heiße Eisen in Wattebäuschchen verpackt – und dadurch zumindest teilweise besprechbar gemacht. Nach der Erinnerung weiterlesen »

Aufstachelungspotential?

geschrieben von Nils Becker

8. November 2022

Der Straftatbestand »Volksverhetzung« wurde erweitert

Der Bundestag hat im Oktober den Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 Strafgesetzbuch) um einen weiteren Absatz ergänzt. Nunmehr kann mit Geld- oder Freiheitsstrafe bestraft werden, »wer eine Handlung der in den § 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches genannten Art« in einer Weise öffentlich billigt, leugnet oder gröblich verharmlost – und zwar auf eine Weise, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören. Die betreffenden § 6 bis 12 im Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) umfassen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen gegen Personen, gegen Eigentum und sonstige Rechte (z. B. Plünderungen), gegen humanitäre Operationen, unter Einsatz verbotener Methoden und Mittel. Explizit ausgenommen ist hier § 13 des VStGB, in dem es um einen Angriffskrieg geht. Den zu leugnen ist also weiterhin in Ordnung. Aufstachelungspotential? weiterlesen »

Rechte Subkulturen

geschrieben von Juliet Schnabel

7. November 2022

Grundlagenwissen zum Internetphänomen QAnon

Am 4. Dezember 2016 stürmte ein Mann mit einem Sturmgewehr bewaffnet eine Pizzeria namens »Comet Ping Pong« in Washington, D. C., um entführte Kinder zu befreien, die dort angeblich von Hillary Clinton, Barack Obama, Lady Gaga und deren Kinderhändlerring festgehalten wurden. Weder er noch die später gerufene Polizei fanden die besagten Kinder im Keller, zumal das Gebäude gar keinen Keller hatte.

Von solchen Rückschlägen unbeschadet wurden im Oktober 2017 die ersten Nachrichten auf dem Internetforum »4chan« veröffentlicht, in welchen ein Autor namens Q durch kryptische Nachrichten suggeriert, dass Hillary Clinton, zusammen mit ranghohen Mitgliedern der Demokratischen Partei sowie der sogenannten Küstenelite, Medien und unzähligen Stars und Sternchen aus Hollywood, Teil einer pädophilen Intrige sei, die Kinder zwecks Missbrauchs, Menschenhandels, Bluttrinkens und Ritualmordes entführe. Der damalige US-Präsident Donald Trump wird in dieser Verschwörungserzählung als Held dargestellt, der diese Machenschaften aufdecken wird, dabei aber gegen die Massenmedien kämpfen muss, die mit Falschmeldungen über ihn das Ausmaß der Intrige verschleiern. Rechte Subkulturen weiterlesen »

Prägender Antifaschist

geschrieben von Bernd Kant

7. November 2022

Vor 15 Jahren starb Kurt Julius Goldstein (1914–2007)

Wir erinnern an einen Antifaschisten, der wie wenige andere die Geschichte der antifaschistischen Organisationen in Ost und West mitgeprägt hat: Kurt Julius Goldstein. Geboren wurde er 1914 in Scharnhorst, heute ein Stadtteil von Dortmund. Er stammte aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie, wobei er sehr früh seinen Vater verlor. Seine verwitwete Mutter zog mit ihm und seinen drei Brüdern 1923 nach Hamm (Westfalen). Schon früh organisierte sich Kurt in der politischen Jugendbewegung, zuerst im linken jüdischen Jugendbund »Kameraden« und der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ). 1928 schloss er sich dem von Max Reimann geleiteten Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) an und wurde 1930 Mitglied der KPD. In seiner politischen Arbeit benutzte er den Tarnnamen »Kurt Berger«. 1932 wurde er »wegen kommunistischer Umtriebe« in Hamm der Schule verwiesen, konnte aber in Münster die Schule fortsetzen. Schon damals machte Goldstein Erfahrungen mit dem wachsenden Antisemitismus in Deutschland. Prägender Antifaschist weiterlesen »

Politisches Neuland

geschrieben von Tobias Alm, Kopenhagen

7. November 2022

Rechtsruck: Schwedendemokraten mit über 20 Prozent bei Parlamentswahl

Bei den Parlamentswahlen im September erreichten die extrem rechten Schwedendemokraten (SD) 21 Prozent der abgegebenen Stimmen und wurden damit zweitstärkste Kraft im Land. Mit diesem rechten Wahlerfolg betritt Schweden politisches Neuland; eine Überraschung war er allerdings nicht. Stetig haben die SD in den letzten Jahren an Stimmen und Popularität in der Bevölkerung dazugewonnen. Aus antifaschistischer Perspektive beziehen sich die damit verbundenen Herausforderungen jedoch nicht nur auf den Erfolg der SD, sondern ebenso auf das Agieren der anderen Parteien. Bis zur jüngsten Wahl gab es in Schweden einen breiten politischen Konsens, nicht mit den SD zusammenzuarbeiten. Einigkeit bestand auch darin, der populistischen Politik der Partei eine eindeutige Absage zu erteilen. Mittlerweile ist diese inhaltliche Distanz bei den meisten Parteien kaum noch zu erkennen. Politisches Neuland weiterlesen »

Faschismus ist ein Virus

7. November 2022

antifa-Gespräch mit Filippo Giuffrida von ANPI Europa zu den Wahlen in Italien

antifa: Die Wahlergebnisse in Italien waren vielleicht zu erwarten, sind aber dennoch ein Schock.

Filippo Giuffrida: Wie der Präsident der ANPI, Gianfranco Pagliarulo, auf einer Leitungssitzung des Partisanenverbandes betonte, liegt im Sieg einer Rechtskoalition, die von einer Partei angeführt wird, deren Ursprünge auf die faschistische MSI zurückgehen, eine Art »Sarkasmus der Geschichte«. Dennoch bin ich zuversichtlich, dass die Garantien der Verfassung eine natürliche Barriere darstellen, die jeden Versuch, Italien von seinen antifaschistischen Wurzeln zu trennen, verhindern wird. Außerdem repräsentieren die »Fratelli d’Italia« (FdI), die siegreiche Partei der Rechten, aufgrund des seltsamen Wahl-systems nicht die Mehrheit des Landes. Die Rechtskoalition hat einen Anteil von 43,79 Prozent und die Partei von Giorgia Meloni 26 Prozent erreicht. 12,3 Millionen Italiener haben ihre Unterstützung für die Rechte zum Ausdruck gebracht, während jedoch 13,8 Millionen Wähler »Mitte-links«-Parteien gewählt haben. Diese beiden Elemente und die Wahlenthaltung lassen den Schluss zu, dass es keine völlige Freiheit für die Neofaschisten geben wird.

 antifa: Auffallend ist, dass die Wahlbeteiligung trotz der politischen Auseinandersetzungen während des Wahlkampfes erneut um fast zehn Prozent sank.

Filippo Giuffrida, Brüssel, ist Journalist, Verantwortlicher für ANPI Europa, Vizepräsident der FIR

Filippo Giuffrida, Brüssel, ist Journalist, Verantwortlicher für ANPI Europa, Vizepräsident der FIR

F.G.: Tatsächlich liegt die Wahlbeteiligung bei rund 64 Prozent – ein historischer Tiefstand. Das hat mehrere Gründe. Dazu gehört eine allgemeine Politikverdrossenheit, wenn nicht gar Resignation gegenüber Politik und Politikern, die wir bereits in anderen europäischen Ländern beobachten konnten. Andere hängen mit dem Wahlsystem zusammen, das die Stimmabgabe vieler Italiener im Ausland (fast sechs Millionen von knapp 50 Millionen Wahlberechtigten) und jener, die aus beruflichen oder anderen Gründen nicht »physisch« in ihren Wahlkreis zurückkehren konnten, sehr erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht hat. Darüber hinaus – und dies sind die Daten, die wir als Antifaschisten sorgfältig untersuchen sollten – waren die Links-/Mitte-links-Parteien nicht in der Lage, einen ausreichenden Konsens zu erreichen, sondern zeigten sich zu »schüchtern«, ihre antifaschistische Position klar zu formulieren. Schlimmer noch, sie suchten Berührungspunkte mit den liberalen Positionen des rechten Flügels, um auch von dort potenzielle Wähler zu gewinnen. Nicht zuletzt war die totale Zersplitterung der Linken – ein halbes Dutzend »kommunistischer« Parteien, drei »Mitte-links«-Symbole, ein paar »unsichere« Parteien, die sich selbst als linksgerichtet bezeichneten, aber rechte/liberale Maßnahmen vorschlugen – keineswegs hilfreich.

antifa: Innerhalb der rechten Parteien gab es eine deutliche Verschiebung der politischen Gewichte von Matteo Salvinis Lega zu den offen faschistischen FdI. Mit welchen Konsequenzen?

F.G.: Der Erfolg von Meloni ist eindeutig auf den großen Zustrom von Wählern der Bewegung »Fünf Sterne« zurückzuführen. Noch deutlicher ist der Zustrom von Wählern, die seit 2019 von der Lega zu den FdI gewechselt sind, fast 40 Prozent Lega-Wähler entschieden sich diesmal für FdI. Infolgedessen kam es bereits bei der Wahl der Kammerpräsidenten und der Verteilung der Ministerien zu Reibereien innerhalb der rechten Koalition. Salvini drohte damit, die Regierung zu verlassen, wenn er nicht das Innenministerium bekäme. Berlusconis Partei stimmte nicht für den Kandidaten des rechten Flügels für den Vorsitz des Senats, da seine »Favoritin« – eine junge Frau, die von den Richtern, die Berlusconis Beziehungen zu Minderjährigen und Prostituierten untersuchten, als die Person identifiziert wurde, die dafür zuständig war, junge Mädchen zu finden und zu ihm zu bringen – von Meloni als Ministerin für Tourismus abgelehnt wurde. Und das war erst der Anfang.

 antifa: Welche Antworten haben ANPI und die anderen antifaschistischen Kräfte in Italien auf dieses Wahlergebnis?

F.G.: Die Antwort ist ein Aufruf für einen »neuen Antifaschismus«, der sich in zwei Richtungen bewegen sollte: Zum einen gegen den tatsächlichen Neofaschismus und allgemeiner gegen die Ideen der Ausgrenzung, des Rassismus und des Nationalismus und zum anderen ein politischer, kultureller und rechtlicher Kampf, der in eine »soziale Richtung« geht. Faschismus ist ein Virus, der sich dort vermehrt, wo es Angst, Arbeitslosigkeit und soziale Fragmentierung gibt. Dies mit konkreten und positiven Politiken zu bekämpfen, beseitigt dessen materielle Grundlage. Das bedeutet, dass der Kampf für soziale Rechte, angefangen beim Recht auf Arbeit, an erster Stelle steht. In seiner Rede anlässlich der Erinnerung an den faschistischen Angriff auf die größte italienische Gewerkschaft CGIL (am 9. Oktober 2021, antifa) fasste der Präsident der ANPI diese neue Herausforderung als »Engagement für eine soziale Demokratie« zusammen, die sich auf die volle Verwirklichung der Bedürfnisse des täglichen Lebens der Menschen und die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft als Ganzes konzentriert. Kurz gesagt, ein neues wirtschaftlich-soziales Modell mit einem internationalen antifaschistischen Netzwerk, für Arbeit, soziale Rechte und Demokratie.

Im Vorfeld der Wahlen rief die Associazione Nazionale Partigiani d’Italia (ANPI) dazu auf, bei der Abstimmung für die Verteidigung der Verfassung und die Unterstützung des Antifaschismus einzutreten. ANPI rief dazu auf, wählen zu gehen, sich nicht der Stimme zu enthalten, da es ohne Abstimmung keine Lösung für die Probleme der Familien und der repräsentativen Demokratie geben könne. Nicht zu wählen, so ANPI, bedeute, ein Recht aufzugeben, das in der Vergangenheit erkämpft und nach dem Ende des Faschismus 1946 in der Verfassungscharta verankert wurde.

Das Gespräch führte Ulrich Schneider

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