Auf Leben und Tod

geschrieben von Birgit Gärtner

5. September 2013

Solidarität mit Mumia Abu Jamal ist dringender denn je

Mai-Juni 2009

Zu Mumias 55igsten Geburtstag am 5. Mai fand im Berliner Kino Babylon eine Lesung mit Musik statt, an der sich namhafte Künstler und Gruppen beteiligten.

Das Leben des Ehrenmitglieds der VVN-BdA, Mumia Abu-Jamal, hängt am seidenen Faden: Nachdem kürzlich der Oberste Gerichtshof der USA, der Supreme Court, die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen den weltberühmten schwarzen Journalisten abgelehnt hat, bleibt jetzt nur noch die Entscheidung über das Strafmaß – lebenslange Haft oder Hinrichtung. Eine Situation, in der alle Antifaschistinnen und Antifaschisten gefordert sind, sich aktiv mit Mumia zu solidarisieren, um die Exekution zu verhindern.

Am 24. April wurde Mumia 55 Jahre alt. Ein Mann in den besten Jahren also. Doch seine »besten Jahre« verbrachte der weltberühmte Publizist in der Todeszelle: Er wurde beschuldigt, am 9. Dezember 1981 den Polizisten Daniel Faulkner ermordet zu haben, und im Sommer 1982 zum Tode verurteilt. Mit manipulierten Beweisen, gefälschten Akten, erpressten Zeugenaussagen und vielem mehr, wurde diese Schuld vor Gericht »bewiesen«. Der engagierte Journalist war den Herrschenden in Politik und Justiz in Philadelphia wegen seiner kritischen Berichterstattung über die Polizeibrutalität gegenüber der schwarzen Bevölkerung ein Dorn im Auge. Er sollte zum Schweigen gebracht werden. Diese Rechnung ging indes nicht auf: Mumia setzte seinen Kampf gegen die rassistische US-Gesellschaft und das repressive System im Knast ungebrochen fort, und wurde weltweit zum Symbol für den Kampf gegen die Todesstrafe. Heute, nach fast 28 Jahren Haft, erreicht die »Stimme der Unterdrückten«, wie er als Journalist in Philadelphia in den 70er Jahren genannt wurde, durch seine Radioreportagen, Kolumnen und Bücher viel mehr Menschen auf der ganzen Welt als vor seiner Verhaftung am 9. Dezember 1981.

Leben in der Todeszelle, das bedeutet: hausen auf sechs Quadratmetern, 23 Stunden Isolation, eine Stunde Hofgang, am Wochenende nicht einmal das, keine menschlichen Berührungen, Besuche nur durch Glasscheibe, seine Lebensgefährtin Wadya hat Mumia seit vielen Jahren nicht mehr in den Arm nehmen können, er hat Enkelkinder, die er noch nie auf dem Schoß hatte.

Trotzdem ließ er sich nicht unterkriegen. Im Gefängnis bildete er sich zum Gefangenenanwalt aus, schrieb mehrere Bücher, die zum Teil weltweit verlegt wurden, macht Radioreportagen und schreibt Kolumnen. Dafür wurde er 2008 zum Mitglied des Schriftstellerverbandes P.E.N. ernannt. Viele berühmte Kolleginnen und Kollegen, z. B. die Schriftstellerin Peggy Parnass, Autoren wie Günter Wallraff, Günter Grass, Hermann Kant, Künstlerinnen und Künstler wie Esther Bejarano, Ursula Karusseit, Rolf Becker, Fatih Akin, Moritz Bleibtreu und die Brothers Keepers unterstützen Mumia.

Für sein politisches Wirken wurde dieser am 27. Mai 2001 in Lübeck mit dem Erich-Mühsam-Preis ausgezeichnet, den damals stellvertretend der Vorsitzende der VVN-BdA, Peter Gingold, entgegen nahm. »Wir, Überlebende des antifaschistischen Widerstands, des Holocaust, möchten unsere tiefste Verbundenheit mit Mumia zum Ausdruck bringen«, so Peter Gingold in seiner Laudatio. »Die Geschichte des deutschen Faschismus und Rassismus verpflichtet die Deutschen wie keine anderen auf dieser Erde, politisch und moralisch am lautstärksten aufzuschreien und den Rassismus zu bekämpfen, wann und wo er auch zu Tage tritt; und sich mit jedem zu solidarisieren, der aus rassistischen Gründen verfolgt, und vor allem, dessen Leben bedroht wird.«

Die aktuelle Situation macht es dringender denn je, das antifaschistische Erbe anzutreten, das Peter Gingold uns hinterließ: sich mit Mumia zu solidarisieren. Anfang April 2009 lehnte der Supreme Court den Antrag von Mumias Anwalt Robert R. Bryan auf Wiederaufnahme des Verfahrens ab. Bryan wird Widerspruch gegen diese Entscheidung einlegen, der aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls kommentarlos abgelehnt werden wird. Dann bleibt auf juristischer Ebene nur die Entscheidung über das Strafmaß: lebenslange Haft oder Hinrichtung. Die Gegenseite, die Bezirksstaatsanwaltschaft Philadelphia, wird alles daran setzen, die Hinrichtung durchzusetzen. Deshalb sollten alle fortschrittlichen Menschen in diesem Land »am lautstärksten aufschreien«, damit die »Stimme der Unterdrückten« nicht tatsächlich für immer zum Schweigen gebracht werden kann.