Ein historischer Markstein

geschrieben von Hans Canjé

5. September 2013

70 Jahre danach: Schweizer Interbrigadisten endlich rehabilitiert

Mai-Juni 2009

Peter Huber in Zusammenarbeit mit Ralph Hug: »Die Schweizer Spanienfreiwilligen. Biografisches Handbuch.
Rotpunkt Verlag Zürich 2009. 480 Seiten mit zahlreichen historischen Fotos. 36 EUR

Das ist in der Tat ein »historischer Markstein«: Am 12. März 2009 hat nach dem Nationalrat auch der Ständerat der Schweiz dem Bundesgesetz über die Rehabilitierung der rund 800 Frauen und Männer zugestimmt, die von 1936 bis 1939 als Freiwillige in den Reihen der Internationalen Brigaden die spanische Republik gegen die Heerscharen des Putschisten-Generals Franco und seiner faschistischen Komplicen aus Deutschland und Italien verteidigt haben. Der Beschluss bedeutet, wie die 2007 gegründete Schweizer »Interessengemeinschaft Spanienkämpfer« erklärt, »die Würdigung und Anerkennung der historischen Leistung derjenigen, die schon früh gegen den Faschismus gekämpft haben«.

Gut ein Viertel der Schweizer Freiwilligen hat diesen Einsatz mit dem Leben bezahlt. Viele, die nach dem Ende in die Heimat zurückkehrten, gerieten in die Fänge des Staatsschutzes, wurden von Militärgerichten wegen »Dienstes in fremden Streitkräften« zu Gefängnisstrafen verurteilt. Die so genannten »bürgerlichen Ehrenrechte« wurden ihnen auf viele Jahre aberkannt. Entsprechende Beschlüsse, mit denen die »Teilnahme an den Feindseligkeiten in Spanien« untersagt wurde, hatte der Bundesrat bereits im August 1936 gefasst. Eine 2001 veröffentlichte Studie aus der Westschweiz hat errechnet, dass die Divisionsgerichte aufgrund des Artikels 64 des Militärstrafgesetzbuches insgesamt 420 Urteile mit Strafen zwischen zwei Wochen und vier Jahren Gefängnis gegen eidgenössischen Interbrigadisten ausgesprochen haben. Das Mittel lag bei 3,8 Monaten.

Das ist fürwahr kein Ruhmesblatt für das Land, das bereits am 18. Februar 1939, noch vor der Kapitulation der Republik, das Francoregime diplomatisch anerkannt hatte. Es bedurfte eines 70 Jahre währenden Kampfes bis zur nun erfolgten Entkriminalisierung der Interbrigadisten – entsprechend eines im September 2006 von Nationalrat Paul Rechsteiner eingebrachten Antrags. Die Schweizer Freiwilligen, so Rechsteiner, hätten »auch die Freiheit der schweizerischen Demokratie verteidigt«.

Es hatte sich gefügt, dass wenige Tage nach dem Beschluss des Ständerates beim Züricher Rotpunkt Verlag das biografische Handbuch »Die Schweizer Spanienfreiwilligen« von Peter Huber und Jakob Tanner der Öffentlichkeit vorgestellt werden konnte. Das nach jahrlangen Forschungen entstandene Standardwerk nennt auf 480 Seiten die Namen von 780 Schweizer Freiwilligen und stellt 720 von ihnen mit zum Teil umfangreichen biografischen Angaben vor. Ausführlich werden ihre politischen Motivationen analysiert. Hier stehen die antifaschistische Einstellung und die Solidarität mit dem spanischen Volk im Vordergrund. Von Bedeutung war auch die als »unerträglich empfundene berufliche und gesellschaftliche Lage«. 85 Prozent waren Arbeiter und Handwerker. Dabei waren auch 24 Frauen, die überwiegend als Helferinnen im Sanitätsdienst gewirkt haben. Der 1921 geborene Cyprian Held war der jüngste Schweizer Freiwillige. Er ging als 16jähriger nach Spanien und kämpfte in den Reihen der XI. Brigade »Thälmann« an der Ebrofront. Schwer verwundet kehrt er im Dezember 1938 zusammen mit 16 weiteren Verwundeten in die Heimat zurück. Das Divisionsgericht in Chur verurteilte ihn wegen »Leistung fremden Militärdienstes« zu drei Monaten Gefängnis.

Jakob Tanner, Geschichtsprofessor an der Universität Zürich, merkt im Vorwort an, dass diese Biografien »einen faszinierenden Einblick« bieten »in Subjektentwürfe und das Selbstverständnis von Menschen, deren Problemhorizont die Schweizer Grenzen überschritt und die ‚fern im Süden‘ auch etwas für die Schweiz tun wollten.«

Ihnen vorangestellt ist eine ausführliche Darstellung der Entstehung der Interbrigaden, der politischen Auseinandersetzungen in ihren Reihen, auch der Rolle der Sowjetunion. Das alles geschieht mit spürbarem Respekt vor den Freiwilligen – fern jedes hierzulande noch immer gepflegten Denunziantentums. Dank gebührt den Autoren und dem Verlag für diesen hervorragenden Beitrag zur Geschichte des Kampfes gegen den Faschismus.