Ein Sonntag im Mai

geschrieben von Tanja Girod

5. September 2013

In einer kleinen Stadt fand ein NPD-Parteitag statt

Juli-Aug. 2011

Im Vorfeld hatte es juristische Auseinandersetzungen gegeben: der Bürgermeister hatte versucht, vor dem Oberlandesgericht Lüneburg den bereits abgeschlossenen Mietvertrag für die Stadthalle für ungültig erklären zu lassen. Er scheiterte. Darüber war berichtet worden, doch das eigentliche Problem, dass Rechtsradikale sich in ländlichen Regionen wie dieser bevorzugt ansiedeln und dann scheinbar unmerklich die »normale« Zivilgesellschaft übernehmen, wurde in den Medien nicht beleuchtet.

Üblicherweise sind NPD-Parteitage exklusive Veranstaltungen, zu denen Journalisten und Nichtparteifreunde keinen Zutritt haben. So auch dieses Mal. Im Vorfeld hatte sich ein relativ breites Bündnis gegen Rechts gebildet, dem nicht nur Parteien sondern auch der Paritätische Verband, der Kinderschutzring, Gewerkschafter und Kirchen sowie Einzelpersonen angehörten. Bei einem solchen Bündnis sind Interessenkollisionen durchaus normal, jedes Bündnis ist auch immer ein act de balance.

Angekommen in Northeim traf ich auf dem Bahnhofsvorplatz die ersten Gegendemonstranten – es waren Kinder. Die Antifa bestand aus Personen, die ihr bürgerliches Heldenleben noch lange nicht ernsthaft begonnen haben und den üblichen Verdächtigen des Schwarzen Blocks. Der Begriff des Rädelsführers passte auf keinen von ihnen. Bei strahlendem Sonnenschein versuchten sie, in die Stadt zu gelangen, ohne erkennungsdienstlich behandelt und durchsucht zu werden. Der Einsatzleiter saß wie ein Jäger auf seinem Hochsitz und blinzelte zufrieden in den Sonntagmorgen. Später stellte sich heraus, dass dieser Teil der Demonstranten geschlossen zurück nach Göttingen fuhr, wo er entgegen aller vorherigen Absprachen von der Polizei eingekesselt wurde. Es wurden auch Festnahmen gemeldet.

Die Innenstadt lag wie ausgestorben. Spießige Fachwerkhäuser, in der Fußgängerzone Totenstille wie bei einer Day-after-Inszenierung. Einheimische waren kaum zu sehen, das plötzliche Hereinbrechen von Zombie-Horden hätte nicht verwundert. Doch auf dem Marktplatz saßen Menschen im Café, demonstrativ Cappuccino trinkend. Die Honoratioren zeigten sich auf ihrem Fest. Bekleidet, als würden sie in eine Opernvorstellung gehen, 13 cm Absatzhöhe aus schwarzem Samt, den Familienschmuck um den Hals gelegt. Hunde badeten fröhlich im Brunnen, Tauben kreisten über dem Platz, kleine Mädchen mit neuen Sonnenbrillen schaukelten. Das Bürgerbündnis feierte sich selbst mit Hüpfburgen und Bananasplit. Gelegentlich spazierten Rentnergruppen vorbei.

Ein großes Polizeiaufgebot, zusammengezogen aus ganz Niedersachsen und anderen Bundesländern, beschützte das Recht auf Meinungsfreiheit der NPD, doch nicht das der Gegendemonstranten. Die Antifa Göttingen war zu diesem Zeitpunkt bereits aus dem Blickfeld des Bündnisses entschwunden.

Der NPD-Parteitag fand ungehindert statt.