Extreme Rechte in Sachsen

geschrieben von Markus Bernhardt

5. September 2013

Zwischen Graswurzelrevolution und Landtagsarbeit

Mai-Juni 2009

Kerstin Köditz: »Und morgen? Extreme Rechte in Sachsen«,
Verbrecher Verlag, 224 Seiten, 14 EUR, ISBN 978-3-940426-17-8

Die neofaschistische NPD steckt in der Krise. Sie leidet aktuell wie eh und je an harschen innerparteilichen Auseinandersetzungen und den Auswirkungen des vom ehemaligen Schatzmeister Erwin Kemna verursachten Finanzskandals. Dieser hatte von 2004 bis 2007 etwa 740000 Euro Parteigelder abgezweigt und wurde daraufhin im September des vergangenen Jahres vom Landgericht Münster zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Hinzu kamen mittlerweile weitere »Unregelmäßigkeiten« in den Rechenschaftsberichten der Partei.

Aller Flügelkämpfe zum Trotz, stellt die Partei eine massive Gefahr für Migranten und Andersdenkende dar. In Sachsen, wo die NPD derzeit über 8 Abgeordnete im Landtag verfügt und bei der vergangenen Kommunalwahl mancherorts zweistellige Ergebnisse einfuhr, scheint es, als sitze die Partei fest im Sattel. Insgesamt konnten die Rechtsextremen dort 5,1 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen und vervierfachten damit ihr Ergebnis bei der Kommunalwahl 2004. In der Gemeinde Reinhardtsdorf-Schöna kamen die Neofaschisten gar auf 25,2 Prozent der Stimmen, womit jeder vierte Wähler der in der Sächsischen Schweiz gelegenen Gemeinde für die Neonazis votierte. Während die NPD mancherorts zweistellige Ergebnisse einfuhr, erreichte die ehemalige Volkspartei SPD vielerorts kaum fünf Prozent.

Trotz kleiner Erfolge: Die beiden sächsischen NPD-Spitzenfunktionäre Holger Apfel und Jürgen Gansel, beide Mitglieder des Landtages, äußerten sich erst kürzlich unzufrieden über den Verlauf des Bundesparteitages der extremen Rechten, den diese vor einigen Wochen in Berlin abhielten. Man werde sich von unpolitischer Nostalgiepflege, ziellosem Verbalradikalismus und pubertärem Provokationsgehabe abgrenzen, erklärten Apfel und Gansel vor wenigen Wochen.

Nun hat die sächsische Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz (Die Linke) ein Buch über Neofaschisten in Sachsen vorgelegt. In »Und morgen? Extreme Rechte in Sachsen« schildert die engagierte Antifaschistin ihre Erfahrungen mit der NPD und anderen neofaschistischen Gruppierungen. Das Buch sei weder aus Sicht einer außenstehenden Wissenschaftlerin oder einer beobachtenden Journalistin geschrieben, so Köditz. Vielmehr wolle sie in ihrem Buch »von meinen Erfahrungen mit den Rechten sprechen und Überlegungen anstellen«. »Noch ist es Zeit, aus den zahlreichen Fehlern zu lernen, die in Sachsen beim Umgang mit der extremen Rechten gemacht worden sind und gemacht werden«, so Köditz weiter, die darauf verweist, dass die derzeitigen Flügelkämpfe keines falls Grund zur Entwarnung geben würden.

Köditz resümiert: »Zivilcourage ist wichtig, ebenso eine funktionierende Zivilgesellschaft«. Aber selbst wenn beides vorhanden wäre, könne damit allein der Aufstieg der NPD nicht gestoppt werden.

Das Buch der Linksparteipolitikerin ist eine facetten- und analysereiche Dokumentation der Aktivitäten der extremen Rechten in Sachsen. Kerstin Köditz klärt über Zustände und Fehlentscheidungen etablierter Politik auf, vor denen viele nur allzu gern die Augen verschließen. Dabei bleibt die Antifaschistin nicht wie so viele vor ihr bei der Beschreibung der Zustände stehen, sondern macht Vorschläge für eine explizit antifaschistische Strategie und Praxis. Ihr Buch ist höchst empfehlenswert für all jene, die sich ein realistisches Bild von der unerträglichen Situation in Sachsen machen wollen. Vor allem eine Weisheit Köditz’s sollten sich viele politisch Aktive zu Herzen nehmen: »Je weniger links die Linke ist, desto stärker wird die Rechte«!