Hanne Hiob zum Gedenken

geschrieben von Heinrich Fink

5. September 2013

Juli-Aug. 2009

Das schauspielerische Lebenswerk von Hanne Hiob ist seit ihrem Tode in ausführlichen Nachrufen angemessen gewürdigt worden. Ich möchte eine, für viele wichtig gewordene, Begegnung mit ihr zu Beginn der Wende hinzufügen. 1990 stand im Hof der Humboldt-Universität der Ausstellungskonvoi zu Brechts Gedicht: »Der anachronistische Zug«. Diese Demonstration war Teil eines internationalen Kongresses von Künstlerinnen und Künstlern im Auditorium Maximum zum Thema »Wohin zieht der anachronistische Zug?« Auch Hanne Hiob nahm teil, zumal sie Schirmherrin des Ausstellungszuges als auch des Kongresses war. Ihr wurde begeistert applaudiert. Ohne ihre künstlerische aber auch großzügige finanzielle Unterstützung hätte -diese »Gedichtdemonstration« ihre aufrüttelnde Reise durch ganz Deutschland für »Frieden und Demokratie« nicht unternommen werden können.

Der Moderator würdigte Hanne Hiob vor dem Auditorium als die große Schauspielerin, die mit Leidenschaft wichtige Stücke ihres Vaters, Bertolt Brecht, auf die Bühne gebracht habe. Neben Therese Giehse habe sie z. B. der stummen Katrin in »Mutter Courage« und der Heiligen Johanna der Schlachthöfe unter der Regie von Gustaf Gründgens 1959 am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg Gestalt verliehen. Mit diesen Rollen sei sie in die Theatergeschichte als Brechtschauspielerin eingegangen. Hanne Hiob bedankte sich freundlich, aber kritisch: »Meine Bühnenlaufbahn ist für mich Geschichte. Mein Lebensthema ist die antifaschistische Botschaft wie sie speziell in Brechts Anachronistischem Zug ausgedrückt ist. Jetzt geht es darum, wie ehrlich in die Einheit Deutschland ›Freiheit und Demokratie‹ eingebracht wird. Wird das nun wieder große Deutschland es schaffen demokratischer zu werden oder ›fährt die Dummheit immer noch mit im Zug‹.«

Sie hatte sich gegen Berufsverbote in der Bundesrepublik Deutschland eingesetzt, gegen alten wie neuen Faschismus, der für sie paradigmatisch bei der Wahl des ehemaligen Mitglieds der NSDAP, Karl Carstens, zum Bundespräsidenten offenbar wurde. Damals hat sie als aktuellen Protest den »Anachronistischen Zug« verlesen. Dafür bekam sie prompt einen Prozess mit Franz Josef Strauß.

Für ihre Freunde und Kampfgefährten war es eine besondere Freude, dass Hanne Hiob als erste Künstlerin den Aachener Friedenspreis für ihr Lebenswerk im Kampf gegen Faschismus und Rechtsradikalismus bekommen hat. Sie rief damals spontan in die Menge: »Ich werde auch mit 100 noch auf die Barrikaden gehen für Gerechtigkeit und Frieden.« Nun ist sie leider nur 86 Jahre alt geworden. Sie wird uns fehlen.