Was passiert in Ungarn?

20. Mai 2014

Gespräch mit Vilmos Hanti – Präsident der FIR und des ungarischen MEASZ

 

antifa: Die rechtpopulistische FIDESZ-Partei hat mit Hilfe eines veränderten Wahlrechts auch bei der jüngsten ungarischen Parlamentswahl eine Zweidrittel-Mehrheit erreicht. Wie schätzen die ungarischen Antifaschisten das Ergebnis ein?

Vilmos Hanti: Zuerst einmal muss man betonen, dass FIDESZ gegenüber der vergangenen Wahl tatsächlich deutlich an Stimmen verloren hat. Viele Wähler sind enttäuscht und den Wahlurnen fern geblieben. Dass die Regierungsparteien dennoch erneut eine Zweidrittelmehrheit bekamen, lag daran, dass die Wahlgesetze von FIDESZ so verändert wurden, dass sie für FIDESZ Vorteile sicherten. Man hat z. B. die Wahlkreise verändert und ermöglichte auch der ungarischen Minderheit im Ausland eine Wahlbeteiligung. Wir ungarische Antifaschisten sind der Meinung, dass Ungarn in Richtung Nazismus tendiert, und zwar in Zusammenarbeit von JOBBIK und der Regierungskoalition (FIDESZ und Christdemokraten). FIDESZ und Co. treten dabei selbst noch nicht als extrem-rechte Bewegung auf, aber ihre Politik geht in die rechte Richtung, ein Zeichen des gnadenlosen Machthungers von Viktor Orbán. Er ist ein solcher Populist, dass er jede Ideologie, die aktuell die Massen anspricht, vertreten kann. Seine Politik bereitet den Boden für die extreme Rechte. Gleichzeitig sind in seiner Umgebung mehrere Leute, die offen extrem rechte Ideologien vertreten. Wir können uns freuen, dass noch Kräfte der Demokratie in Ungarn existieren, doch wenn es so weitergeht, werden diese Kräfte morgen nicht mehr da sein.

Tibor Szanyi (Listen-Kandidat der SozPartei für das Europaparlament) und Vilmos Hanti am 69. Jahrestag der Befreiung Budapests im Februar 2014 am russischen Befreiungdenkmal. Auf den Schildern steht: Wir brauchen kein Nazi-Monument!

Tibor Szanyi (Listen-Kandidat der SozPartei für das Europaparlament) und Vilmos Hanti am 69. Jahrestag der Befreiung Budapests im Februar 2014 am russischen Befreiungdenkmal. Auf den Schildern steht: Wir brauchen kein Nazi-Monument!

antifa: Die Orbán-Regierung versuchte schon vor den Wahlen, ein Monument der Geschichtsfälschung mitten in der Innenstadt zu errichten. Vor dem Wahltermin gelang es dem öffentlichen Protest, dieses Projekt zu stoppen. Nun scheint die Regierung entschlossen zu sein, das Denkmal mit allen Mitteln umzusetzen. Wie reagiert die ungarische Öffentlichkeit?

Vilmos Hanti: Sehr viele Organisation und Persönlichkeiten des ungarischen öffentlichen Lebens haben gegen dieses Monument Einspruch erhoben. Wir, die MEASZ, haben dieses Monument von Anfang an als »Nazi-Denkmal” bezeichnet. Wir protestierten dagegen seit Anfang des Jahres. Es ist kein Denkmal zur Erinnerung der deutsche Okkupationszeit. Es verfälscht die Historie, weil es keine Unterschied zwischen den Tätern und ihren Opfern, zwischen Mördern und Helden macht. Es sagt nicht über diejenigen, die am antifaschistischen Kampf teilgenommen haben und ihr Leben gegen die faschistische Barbarei riskierten. Wir Humanisten können uns mit mit einem solchen Denkmal nicht einverstanden erklären, vor allem deswegen nicht, weil es so tut, als habe das Horthy-Regime nichts mit dem Nazismus, der faschistischen Bewegung in der damaligen Zeit zu tun gehabt. Wenn wir schon über den Holocaust sprechen, dann müssen wir auch an diejenigen erinnern, die eine Alternative zur Kollaboration boten, die sich versteckten, auswanderten oder gegen die antihumanistischen Ideen kämpften. Diesen Helden gelang es gemeinsam vor Jahrzehnten den Faschismus zu besiegen.

antifa: Ende Mai 2014 werden auch in Ungarn Abgeordnete für das Europäische Parlament gewählt. Haben die Ergebnisse der Parlamentswahlen Sig-nalwirkung für die Europawahl?

Vilmos Hanti: FIDESZ und JOBBIK sind erklärte Feinde von Europa. Obwohl Viktor Orbán bereits die EU-Ratspräsidentschaft inne hatte, grenzt er sich von europäischen Normen und Werten ab. JOBBIK mobilisiert nationalistische Wähler, die sich von Europa verraten fühlen und sich gegen Europa stellen. Für beide Parteien ist es daher schwierig, ihre Anhänger für eine Wahl zu mobilisieren, in der es um die Zukunft Europas geht. Die FIR hat einen Aufruf publiziert: »Antifaschisten ins Europa-Parlament !« MEASZ hat verschiedene Parteien angesprochen, diesen Appell zu unterstützen, und tatsächlich haben Kandidaten mehrerer Parteien den Aufruf unterschrieben. Ich hoffe diesmal auf bessere Wahlergebnisse für die Antifaschisten, weil die Rahmenbedingungen der EP-Wahlen nicht von unserer Regierung festgelegt wurden. Wir wollen unsere antifaschistischen Positionen in diesem Wahlkampf verstärken. Wir unterstützen alle Kandidaten verschiedener Parteien, die mit unseren Ideen und Zielen übereinstimmen.

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Das Gespräch führte Ulrich Schneider