Relikt des Kalten Krieges

geschrieben von Hans Canjé

9. Juli 2014

Von der schnellen Erledigung einer Petition an den Bundestag

 

Eine Erinnerung vorweg. Wir schreiben den 5. Juli 1955. Es ist der 48. Verhandlungstag im 1951 von der Bundesregierung beim Karlsruher Bundesverfassungsgericht (BVG) beantragten Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Ritter Hans von Lex (CSU), er ist Leiter der Prozessdelegation der Bundesregierung vor dem Ersten Senat des BVG, hält das Schlussplädoyer. Die KPD, so von Lex ganz alte Schule (Reichsinnenministerium), sei »eine ernste Bedrohung für unser freiheitliches demokratisches Leben«, sie ist gar, so weiter und ungerügt, ein »gefährlicher Infektionsherd im Körper unseres Volkes, der Giftstoffe in die Blutbahnen des staatlichen und gesellschaftlichen Organismus sendet.« Um die »Giftzufuhr« zu beenden, erfolgte dann am 17. August 1956 das geforderte Verbot.

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Zurück ins Heute. 19. Mai 2014. Die Vorsitzende des Petitionsausschusses des Bundestages, Kerstin Steinke (Die Linke), empfängt den Sprecher der Initiativgruppe für die Rehabilitierung der Opfer des Kalten Krieges (IROKK), Peter Dürrbeck, und Prof. Heinrich Fink, langjähriger Vorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschisten (VVN-BdA). Sie übergeben eine von rund 3000 Personen unterzeichnete und von der VVN-BdA unterstütze Petition. Der 18. Deutsche Bundestag wird aufgefordert, Schritte einzuleiten, um das KPD-Verbotsurteil aufzuheben. Es habe als Begründung für ungerechtfertigte politische Verfolgungen und Diskriminierung gedient und wirke bis heute. (Siehe dazu antifa März/April 2014) Kerstin Steinke sagte laut Presseinformation der IROKK zu, »das Anliegen im Ausschuss vorzutragen, und dafür zu plädieren, dass eine Debatte dazu im Parlament stattfindet«.

Das wäre angemessen gewesen angesichts der Auswirkungen, die das KPD-Verbot nicht nur für solche Mitglieder der Partei gehabt hatte, die das Karlsruher Urteil als Gesinnungsurteil, als Ausdruck des »paranoiden Antikommunismus« jener Jahre betrachteten. 16 politischen Sonderstrafkammern oblag es fortan, Verstöße gegen das Verbot zu ahnden. An die 250 000 Ermittlungsverfahren und etwa 10 000 Verurteilungen waren das Ergebnis.

Von der nach dem Verbot verstärkt beginnenden antikommunistischen Hexenjagd waren nicht wenige Kommunisten betroffen, die in den Jahren der faschistischen Diktatur lange Jahre in Zuchthäusern und Konzentrationslager verbringen mussten. Auch dies, so Heinrich Fink, sei Anlass für die VVN-BdA, das Anliegen der Petition zu unterstützen. Er nannte Namen: u. a. die inzwischen verstorbenen VVN-Mitglieder Karl Schabrod (Lebenslang Zuchthaus), Kurt Baumgarten (Lebenslang Zuchthaus), Martha Hadinsky (acht Jahre Zuchthaus). Wegen »Verstoßes gegen das KPD-Verbot« waren sie nach 1956 erneut verurteilt worden; damit verfiel auch der Anspruch auf die Verfolgtenrente.

Eine seriöse Auseinandersetzung des Bundestages mit der nun eingereichten Petition und eine endliche Rehabilitierung der Opfer der Politischen Justiz in den Jahren des Kalten Krieges hätte, so die Erklärung des Sprecherrates der Initiative »ein Vorteil für alle Demokratinnen und Demokraten im Lande« sein können. Hätte, wenn die Auseinandersetzung stattgefunden hätte. Mit Datum vom 22. Mai wurde dem Sprecher der IROKK in Essen mitgeteilt, dass die in der Petition vom Bundestag geforderte Überprüfung des Verbotsurteils wegen »Dreiteilung der Staatsgewalt und der Unabhängigkeit der Richter« nicht möglich sei. »Ihre Eingabe«, so informiert die teilzeitbeschäftigte Oberamtsrätin Karla Melcher, »sehe ich damit als abschließend beantwortet an (…)«.

Zehn Jahre zurück: Am 1. November 2004 teilte der Petitionsausschuss der Essener Initiative immerhin noch mit: »… der Deutsche Bundestag hat ihre Petition beraten und am 28. Oktober beschlossen: Das Petitionsverfahren abzuschließen (…) Mit dem Beschluss des Deutschen Bundestages ist das Petitionsverfahren beendet.« Damals war immerhin noch im Parlament beraten worden! Heute bürstet eine Teilzeitbeschäftigte die Petenten ab.