Widerstand, Verfolgung, Neuaufbau

geschrieben von Rosel Vadehra-Jonas

25. April 2015

Erinnerung an die hessische Antifaschistin Käthe Jonas

 

Die Geschichte von Käthe Jonas und ihrer Familie ist beispielhaft zum einen für den Widerstand und die Verfolgung zahlloser kommunistischer Arbeiterfamilien und zum anderen für das Engagement der Überlebenden für den Wiederaufbau Deutschlands nach der Befreiung vom Faschismus.

Käthe Jonas wurde 1902 als Katharina Margarete Seng in Dörnigheim am Main geboren. Sie war das vierte von sechs Kindern einer Arbeiterfamilie. Schon ihr Großvater mütterlicherseits war aktiver Sozialdemokrat. Nach dem Ersten Weltkrieg schloss sich die Familie der neu gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) an.

Mit vierzehn Jahren begann für sie das Berufsleben als Arbeiterin in einer Munitionsfabrik in Frankfurt-Fechenheim.

1921 heiratete Käthe. Ein Jahr später wurde ihr Sohn Friedel geboren. Ihr Mann konnte schon nach wenigen Ehejahren seinen Beruf als Maler und Anstreicher nicht mehr ausüben. Er litt an der Bechterewschen Krankheit. Die Familie geriet dadurch in große wirtschaftliche Not. Von da an musste Käthe – zunächst durch Gelegenheitsarbeiten – maßgeblich den Lebensunterhalt der Familie bestreiten. Erst durch den Aufbau einer Hühnerfarm und einer Versuchstierzucht gelangten die Eheleute wieder zu einem bescheidenen Einkommen. Zu den Wahlen im März 1933 kandidierte Käthe auf der Liste der KPD für den Kreistag in Hanau und für die Gemeindevertretung in Dörnigheim. Dies war der Anlass für ihre erste Verhaftung. Über die Wahlen hinweg wurde sie ohne Urteil vier Wochen inhaftiert.

Käthes jüngsten Bruder, Karl Seng, brachte man ebenfalls schon 1933 im Alter von 19 Jahren in das Konzentrationslager Breitenau, wo er vier Monate festgehalten wurde.

1935 wurde Käthe zusammen mit 88 Bürgerinnen und Bürgern aus der Stadt und dem Kreis Hanau wegen Vorbereitung zum Hochverrat angeklagt und zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Im gleichen Verfahren erhielten auch ihr Ehemann Peter Jonas, ihr Vater Karl Seng und ihre beiden Brüder Adam und Karl Seng Haftstrafen. Man konnte ihnen nachweisen, dass sie Flugblätter verteilt oder angenommen hatten, mit denen die Bevölkerung über die Ziele des Hitlerfaschismus aufgeklärt werden sollte. Käthe musste die Strafe in den Strafanstalten Ziegenhain, Aichach und Laufen verbüßen.

Ihr Bruder Karl wurde nach Ablauf seiner 2 ½ -jährigen Zuchthausstrafe nicht nach Hause entlassen, sondern in das KZ Buchenwald gebracht. Während des Krieges steckte man ihn in das berüchtigte Strafbataillon 999. Unmittelbar nach dem Attentat auf Hitler im Juli 1944 wurde Käthe erneut verhaftet und in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück gebracht. Die Befreiung erlebte sie auf dem Todesmarsch.

Die Festnahmen bedeuteten für Käthe stets die Trennung von ihren Kindern. 1933, bei ihrer ersten Verhaftung war ihr Sohn elf Jahre alt. Als sie 1944 nach Ravensbrück gebracht wurde, blieb ihre dreijährige Tochter zurück. Ihr Sohn war damals schon als Soldat der Hitlerwehmacht an der Ostfront vermisst.

Die Existenzgrundlage der Familie, die Versuchstierzucht war kurz vor Kriegsende durch Beschuss der Alliierten völlig zerstört worden. Aufgrund der Gesundheitsschäden, die Käthe durch die Inhaftierung in Ravensbrück erlitten hatte, war an einen Wiederaufbau der Zucht nicht zu denken,

Käthe gehörte zu den ersten, die nach Kriegsende das Gemeinwesen in Dörnigheim wieder aufbauten. Bis zum Verbot der KPD war sie Mitglied der Gemeindevertretung Dem Vermächtnis der Opfer des Naziregimes und den sozialen Belangen der Verfolgten widmete sie einen großen Teil ihrer Zeit und ihrer Kraft. Sie hatte maßgeblichen Anteil am Aufbau der ›Betreuungsstelle für politisch, rassisch und religiös Verfolgte‹ in Hanau. Hier fand Käthe 1946 eine Anstellung. Nach Auflösung dieser Dienststelle im Jahre 1952 arbeitete sie als Sachbearbeiterin bei der Stadtverwaltung Hanau.

Käthe war Mitbegründerin der VVN im Kreis Hanau. Sie gehörte dem Kreisvorstand Hanau und zeitweise dem Landesvorstand der VVN Hessen an. Sie war Hauskassiererin und vertrieb allwöchentlich die Zeitung der VVN ›Die Tat‹ im Freiverkauf.

1963 schied Käthe aus dem Berufsleben aus. Die Krankheit ihres Mannes war inzwischen so weit fortgeschritten, dass er auf Betreuung angewiesen war. Dennoch fand Käthe in den sechziger Jahren die Zeit, um gemeinsam mit anderen Überlebenden des Konzentrationslagers Ravensbrück die Lagergemeinschaft Ravensbrück in der Bundesrepublik Deutschland aufzubauen. 1966 wurde sie zur Vorsitzenden der Lagergemeinschaft gewählt. Es wirft ein bezeichnendes Licht auf die Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland, dass parallel dazu erneut von der Staatsanwaltschaft gegen Käthe ermittelt wurde. Dieses Mal wegen »staatsabträglicher Verbindungsaufnahme«. Das Verfahren wurde später ohne Angabe von Gründen eingestellt.

Nachdem die Schlussnovelle des Bundesentschädigungsgesetzes verabschiedet war, hielt Käthe 1966 erneut ehrenamtlich Sprechstunden im Rathaus in Hanau ab, um Verfolgte zu beraten und bei der Antragstellung zu unterstützen. Käthe Jonas starb im Jahre 1977.