Aufrüstungsspirale beenden

geschrieben von Ali Al-Dailami

8. März 2022

Plädoyer für eine konsequente Friedenspolitik. Gastbeitrag von Ali Al-Dailami (MdB)

Nicht selten wird einer Antikriegshaltung von politischen Gegnern Verantwortungslosigkeit und somit auch Regierungsunfähigkeit attestiert. Die Ablehnung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr seit Bestehen der Linksfraktion (vorher PDS) hat sich jedoch als richtig erwiesen. Die Linke hat sich den Ruf als letzte verbliebene Friedenspartei erarbeitet und sollte diesen nicht verspielen. Denn tatsächlich verantwortungslos und nicht regierungsfähig sind jene, die Soldatinnen und Soldaten in zum Scheitern verurteilte und nicht selten völkerrechtswidrige Auslandseinsätze entsenden.

Stopp dem Säbelrasseln!

Als einzige friedenspolitische Kraft im Bundestag müssen wir unsere Positionen zu aktuellen Konflikten jedoch immer wieder aufs Neue untermauern und mit besseren Argumenten überzeugen. Besonders in polarisierten Konflikten muss eine Positionierung mit friedenspolitischer Ausrichtung immer für sich stehen. Unsere Position für eine Deeskalation im Ukraine-Russland-Konflikt sollte nicht in eine einseitige Parteinahme umgedeutet werden, so wie dies me­dial aktuell in Bezug auf das Verhältnis der Linken zu Russland versucht wird. Es gilt, das vorherrschende Narrativ einseitiger Schuldzuweisungen abzulehnen und gleichzeitig Moskaus militärisches Vorgehen zu kritisieren. Gerade Deutschland hat historisch eine besondere Verantwortung, dafür Sorge zu tragen, dass es in Europa nicht zu einem Krieg kommt. Damit einhergehend müssen die Sorgen der beteiligten Akteure in diesem Konflikt ernst genommen werden.

Ali Al-Dailami ist stellvertretender Parteivorsitzender und verteidigungspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke im Bundestag. Foto: Rico Prauss/die-linke.de

Ali Al-Dailami ist stellvertretender
Parteivorsitzender und verteidigungspolitischer
Sprecher der
Fraktion Die Linke im Bundestag.
Foto: Rico Prauss/die-linke.de

Die ständige Präsenz der NATO in Osteuropa ist Teil einer faktischen Einkreisung Russlands. Der Konflikt wird durch die für Mai und Juni 2022 angekündigte Militärübung Defender-Europe 22 weiter angeheizt. Das geplante Manöver mit etwa 30.000 Soldaten aus 26 Staaten soll schnelle Kampfhandlungen erproben. Derartige Übungen stellen den operativen Teil der sukzessiven Expansion der NATO in Richtung Osten dar. Und Deutschland hat eine zentrale Rolle inne, da die Bundesrepublik bei derartigen Manövern als Drehscheibe in Europa dient, von der aus schweres Militärgerät und Truppen über den Kontinent verteilt werden. Solange die BRD die militärische Präsenz der USA mitträgt und sich an militärischen Projekten so exponiert beteiligt wie bisher, wird Deutschland keine ernstzunehmende Vermittlungsposition einnehmen können. Auch die jüngste Ankündigung der USA, Tausende weitere Soldaten in Deutschland und Polen zu stationieren, hat die Bundesregierung bislang unkommentiert hingenommen und ihrerseits begonnen, das Bundeswehr-Kontingent in Litauen um 350 Soldaten aufzustocken. Der Konflikt macht deutlich, dass die USA über den Kopf der Europäer hinweg agieren und somit auch über Krieg und Frieden auf diesem Kontinent entscheiden. Damit muss Schluss sein. Europa braucht eine souveräne Politik und eine eigene Sicherheitsstruktur, damit die Konflikte auf dem Kontinent ohne äußere Einmischung friedlich gelöst werden können.

Abrüstung statt Aufrüstung

Die im Koalitionsvertrag angekündigte »abrüstungspolitische Offensive« ist bereits zur sinnentleerten Phrase verkommen. So hat die Ampel-Koalition in den ersten anderthalb Monaten Rüstungsexporte in Höhe von knapp 2,2 Milliarden Euro genehmigt. Das Festhalten am Zwei-Prozent-Ziel der NATO (2% des Bruttoinlandsprodukts für Militärausgaben) würde gegenwärtig weitere 25 Milliarden Euro jährlich für Rüstung und Verteidigung verschlingen. Die Ankündigung, die nukleare Teilhabe fortführen zu wollen sowie atomwaffenfähige Kampfjets als Ersatz für die Bundeswehr-»Tornados« zu beschaffen, sprechen genau wie die geplante Anschaffung von Kampfdrohnen für eine aggressive Rüstungspolitik der Ampel-Koalition. Außerparlamentarische Bündnisse wie »Rheinmetall entwaffnen« setzten an der richtigen Stelle an, indem der Rüstungsstandort Deutschland offensiv infrage gestellt wird. Wir sollten diese neuen außerparlamentarischen Impulse für die Friedensbewegung wahrnehmen und aktiv unterstützen.

In den kommenden vier Jahren werden wir im Bundestag abrüstungspolitische Initiativen einbringen und versuchen, den Diskurs in Richtung Demilitarisierung zu beeinflussen. Die Militarisierung der EU und ihrer Außengrenzen schreitet im erschreckenden Tempo voran. Wir dürfen nicht zulassen, dass europäische Soldaten Geflüchteten an Europas Grenzen gegenüberstehen. Linke Oppositionsarbeit muss aufklärerisch sein. Dies bedeutet auch, sowohl die NATO als auch europäische Militärprojekte als vermeintliche »Verteidigungsbündnisse« zu entlarven und zu benennen, welche militärischen Strategien und Projekte auf europäischer und internationaler Ebene verfolgt werden. Wir sollten nicht vergessen, dass die NATO als Militärbündnis ein Überbleibsel des Kalten Krieges ist und seit 1990 potenzielle Feinde entlang machtpolitischer Interessen neu definiert hat. Wir müssen vor dem Hintergrund, dass Militäreinsätze im Ausland für die BRD als geostrategische Option in Betracht kommen, unsere eigenen antimilitaristischen Analysen erarbeiten.