Erneuter Anstieg von Angriffen auf queere Menschen. Ein Gespräch mit Kathrin Vogler
antifa: Laut Angaben des Bundesinnenministeriums sind die Zahlen der Angriffe auf queere Menschen im Jahr 2022 weiter angestiegen. Die BMI-Statistik zählt dazu Straftaten wegen der sexuellen Orientierung und Taten gegen geschlechtsbezogene Diversität. Was ist darunter zu verstehen?
Kathrin Vogler: Die offiziellen Zahlen queerfeindlicher Gewalt steigen von Jahr zu Jahr und stellen dennoch nur die Spitze des Eisbergs dar. Queere Menschen – vor allem Schwule, Lesben, trans*, inter* und nichtbinäre Personen – sind häufig Anfeindungen und Gewalt ausgesetzt. Dennoch werden viele Angriffe nicht gemeldet, weil die Opfer gute Gründe haben, der Polizei nicht zu vertrauen. Und wenn sie es tun, ist die Gefahr relativ hoch, dass die queerfeindlichen Motive in der offiziellen Statis-tik nicht berücksichtigt werden. Dunkelfeldstudien, bei denen queere Menschen nach ihren Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen befragt werden, ergeben regelmäßig Zahlen, nach denen nicht einmal zehn Prozent der potenziell strafbaren Angriffe zur Anzeige gebracht werden. Selbst offensichtlich homo- oder transfeindliche Gewalttaten gehen häufig nicht in die Statistik als solche ein, so berichtete der LSVD (Lesben- und Schwulenverband Deutschland) sogar von drei schwulenfeindlichen Morden im Jahr 2020, die nicht als solche aufgeführt wurden. Die steigenden Zahlen in der Polizeistatistik könnten allerdings auch ein gutes Zeichen sein. Sie könnten darauf hinweisen, dass sich mehr Betroffene als früher trauen, Straftaten anzuzeigen und dass die Polizeibehörden damit langsam anders umgehen. Kein CSD ohne Antifa! weiterlesen »