Als es keine Brandmauer gab

geschrieben von Maxi Schneider

11. Juli 2023

Querfront: Überlegungen zu historischen Fehlern und drohenden Wiederholungen

Die sogenannte Querfront spukt durch die politische Debatte. Während der Corona-Pandemie und anlässlich des russischen Einmarsches in die Ukraine, fanden politische Gruppen und soziopolitische Milieus zusammen, von denen man mehr Abstand zueinander erwarten würde. Rufe wurden laut, die Kategorien »links« und »rechts« seien überholt.

Gleichzeitig ist die extreme Rechte auf dem Vormarsch, während vonseiten der Ampelregierung an der Extremismusdoktrin festgehalten, die Gefahr des Linksextremismus betont und das Recht auf Asyl faktisch vollständig abgeschafft wird. Manche in der CDU wiederum versuchen, die AfD rechts zu überholen oder begeben sich auf kommunaler und Landesebene – trotz anderslautender Beteuerungen von der Bundesebene und interner Gegenstimmen – doch in den Bereich praktischer Zusammenarbeit mit Faschisten. Als es keine Brandmauer gab weiterlesen »

Kein Mensch ist asozial

geschrieben von Peter Nowak

11. Juli 2023

Nachruf auf Anne Allex, die Stichwortgeberin für solidarische Theorie und Praxis

»Unsere Weggefährtin Anne Alex ist gestorben. Sie war eine Kämpferin. Unsere Arbeit der Initiative hat sie viele Jahre solidarisch und kritisch begleitet.« Mit diesen Worten verabschiedete sich die »Initiative Gedenkort Konzentrationslager Uckermark« von einer am 28. April mit 64 Jahren verstorbenen Frau, die in den letzten Jahren für die Rechte von als asozial stigmatisierten Menschen eintrat. Dazu gehörten auch die jungen Frauen, die im deutschen Faschismus verschleppt wurden. Kein Mensch ist asozial weiterlesen »

Die Arbeit weiterführen

11. Juli 2023

Wie Erinnerung an NS-Verbrechen weitertragen? Interview mit Gisela Plessgott

antifa: Am 16. April, dem Jahrestag der Befreiung des KZ, fand in der Gedenkstätte Buchenwald erneut das »Treffen der Nachkommen« statt. Wie hast du dieses Zusammenkommen erlebt?

Gisela: Es war ein erfolgreiches Wochenende, mit viel Beteiligung. Die meisten sind nach wie vor Nachfahren von Verfolgten, aber Interessierte waren auch eingeladen. Inhaltlich ging es um den Völkermord an den Sinti und Roma, und Frank Reuter von der Forschungsstelle Antiziganismus der Uni Heidelberg hat seine Forschungen vorgestellt. Er sprach auch über die medizintechnischen »rassebiologischen« Folterungen und Morde durch die Nazis, mit denen die behauptete Minderwertigkeit belegt werden sollte. Das hat mich so niedergeschmettert. Außerdem hatten wir wieder eine Baumpflanzaktion, und nach der Veranstaltung auf dem Appellplatz – bei der es auch in diesem Jahr sehr gute Beiträge unter anderem von Naftali Fürst (1) und Jens-Christian Wagner2 ( )gab – fand unser jährliches Gedenken am Glockenturm statt. Allerdings haben wir das große Problem, dass wir uns nicht um den Nachwuchs gekümmert haben. Es rächt sich nun, dass die Buchenwalder immer unter sich geblieben sind. Wir brauchen dringend Engagierte, die die Arbeit weiterführen. Die Arbeit weiterführen weiterlesen »

Keine Überlebenschance

geschrieben von Janka Kluge

11. Juli 2023

Zu Unrecht fast vergessen: Die Aufstände von Jüdinnen und Juden in Treblinka und Sobibor vor 80 Jahren

Wenn von der Shoah die Rede ist, verbindet sich das in der Regel mit den Verbrechen im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Doch der Plan zur Vernichtung der Jüdinnen und Juden beschränkte sich nicht auf Auschwitz. Die Vernichtungslager Belzec, Sobibor und Treblinka gehörten ebenso zu bestialischen Bestandteilen des Massenverbrechenskomplexes der Nazis.

Im Oktober 1941 hatte Heinrich Himmler dem Polizei- und SS-Führer von Lublin, Odilo Globocnik, den Auftrag gegeben, alle jüdischen Menschen aus dem Generalgouvernement zu ermorden. Himmler hatte dabei »radikale Maßnahmen« gefordert. Die drei Lager befanden sich in abgeschiedenen Gegenden, die aber allesamt über einen Anschluss an das Schienennetz verfügten. In den eineinhalb Jahren zwischen März 1942 und Oktober 1943 wurden in den drei Vernichtungslagern mehr als 1,8 Millionen jüdischer Menschen ermordet. Die Vernichtungslager wurden von der Naziverwaltung mit der Bezeichnung »Reinhardt-Lager« zusammengefasst, nachdem Reinhard Heydrich im Mai 1942 bei einem Attentat in Prag 1942 ums Leben gekommen war. Als erstes wurde Belzec ausgesucht. Hier existierte zwischen Mai und Oktober 1940 bereits ein Zwangsarbeiterlager. Dadurch befand sich bereits ein Gleis mit einer Rampe vor Ort. Die beiden anderen Vernichtungsorte wurden kurz danach errichtet. In Sobibor begannen die Morde im Mai, in Treblinka im Juni 1942. Keine Überlebenschance weiterlesen »

»Wunderbar« oder »fremd«

geschrieben von Karl Forster

11. Juli 2023

Zur jüdischen Tradition und Gegenwart in Tunesien

»Bei einem Angriff vor der ältesten Synagoge Afrikas auf der tunesischen Insel Djerba sind mehrere Menschen getötet worden«, meldeten Anfang Mai deutsche Medien. Es folgten ein paar Details zum Anschlag. Jedoch keine Informationen zum Hintergrund und der Geschichte des Ereignisses, bei dem der Anschlag geschah.

Im vergangenen Jahr berichtete die Rosa-Luxemburg-Stiftung unter dem Titel »Vergessene Juden« über eine Konferenz des Jüdische Komitees der Stadt Nabeul (im Nordosten Tunesiens), die sich alten jüdischen Kulturorten wie Synagogen oder Friedhöfe in Tunesien widmete.

Tatsächlich lebten nach dem Zweiten Weltkrieg noch über 100.000 Juden in dem nordafrikanischen Land (mal wird auch eine Zahl von 140.000 oder sogar 200.000 genannt). Erst nach dem Sechstagekrieg 1967 verschlechterte sich die Situation zwischen Muslimen sowie Juden, und ein großer Teil der jüdischen Bevölkerung verließ das Land. Heute leben noch schätzungsweise 2.000 Juden in Tunesien, der größte Teil auf der Insel Djerba. »Wunderbar« oder »fremd« weiterlesen »

Verheerende Folgen

geschrieben von Ulrich Schneider

11. Juli 2023

Der Vormarsch der extremen Rechten in Europa bei den zurückliegenden Urnengängen

Parlamentswahlen sind Indikatoren für gesellschaftliche Einflussverhältnisse, selbst wenn sie manchmal kurzfristig von äußeren Faktoren beeinflusst werden, und Ausdruck der Machtverteilung zwischen den politischen Eliten. In diesem Sinne ändern die jeweiligen Wahlprozente wenig an den tatsächlichen Machtverhältnissen, sie sagen vielmehr etwas über die Integration der Bevölkerung in das jeweilige politische System. Diese Grunderkenntnis bestätigte sich auch bei den letzten politischen Wahlen in verschiedenen Ländern Europas. Dabei ist es auffällig, mit welcher Aufmerksamkeit die jeweiligen Wahlen durch viele bundesdeutsche Medien verfolgt wurden, zeigt es doch, welche politischen Interessen durch diese Wahlen berührt sind. Verheerende Folgen weiterlesen »

»Unbewohntes« Land?

geschrieben von Cornelia Kerth

11. Juli 2023

50 Jahre nach dem Putsch in Chile: Mapuche, deutsche Kolonisten und Landreform

Wer in Chile im »Kleinen Süden« zwischen Concepcion und Puerto Montt unterwegs ist, findet in Bäckereien und Cafés »Kuchenes« und »Strudel«, sieht in nahezu jeder Stadt eine »Deutsche Schule«, gelegentlich ein »Deutsches Haus« mit deutschtümelnder Gedenktafel und natürlich: »Kunstmann«-Bier. Als der »deutscheste aller chilenischen Orte« und zugleich eine der »idyllischsten Siedlungen Chiles« gilt Frutillar am Westufer des Lago Llanquihue. Der Name des Sees weist darauf hin, wo man sich befindet: in Wallmapu, dem Land der Mapuche, in deren Sprache Mapudungun »llanquyn-we« einen Ort bezeichnet, an dem man »ins Wasser eintauchen« kann.

Es ist kein Zufall, dass die meisten der rund 500.000 Deutsch-Chilenen im Land und auf dem Land der Mapuche leben und es ist auch kein Zufall, dass ihre »idyllischen« Häuser vom Wohlstand der Bewohner zeugen, während die oft windschiefen Behausungen der Mapuche zwischen Puerto Montt und Valdivia auf äußerste Armut schließen lassen. »Unbewohntes« Land? weiterlesen »

In Diktatur getrieben

geschrieben von Holger Czitrich-Stahl

11. Juli 2023

Studie zur »Machtergreifung« von Faschisten im ländlichen Raum

20 Jahre nach dem Ende der NS-Diktatur veröffentlichte William Sheridan Allen 1965 seine Studie über den Aufstieg der NSDAP in der norddeutschen Kleinstadt Northeim, 1966 erschien sie in deutscher Sprache. Der Autor (1932–2013) studierte unter anderem an der FU Berlin und in Göttingen. Northeim liegt in der Nähe des Harzes. Allen nannte es »Thalburg«. Ihn bewegte, wie eine Demokratie lokal in die Diktatur getrieben werden konnte. Es gab erste Studien zur »Machtergreifung« der Faschisten im ländlichen Raum, jedoch keine lokalen Analysen des Zeitraums von 1930 bis 1935. Insofern war seine Arbeit eine Pionierstudie. In Diktatur getrieben weiterlesen »

Die Fragen sind anschlussfähig

11. Juli 2023

Ausstellung für junge Menschen erinnert an Kinder des »Verlorenen Transports«. Gespräch mit Carolin Starke

antifa: Sie haben an der Wanderausstellung »›Wer ein Leben rettet …‹ – Lebensgeschichten von Kindern des ›Verlorenen Transports‹« mitgewirkt. Worum geht es genau in der Exposition?

Carolin Starke: Alles verbindet sich mit einem Räumungstransport kurz vor Kriegsende aus dem KZ Bergen-Belsen bei Hannover. Es gab drei dieser Transporte, allesamt Güterzüge, in denen sich sogenannte Austauschjuden befanden und die jeweils Anfang April 1945 in Bergen-Belsen starteten und Theresienstadt erreichen sollten, was aber nur einem Zug gelang. Jener Zug, der in der Ausstellung Thema ist, war rund zwei Wochen unterwegs und fuhr mit etwa 2.500 jüdischen KZ-Häftlingen quer durch das Reichsgebiet. Die Situation der Menschen war absolut schrecklich: Die meisten hatten mindestens ein Jahr die Qualen im KZ Bergen-Belsen und weiteren Haftorten ertragen müssen, waren krank, geschwächt, und sie wussten nicht, wo sie hinfahren oder wo gehalten wird, Essen und Wasser mussten sie während einiger Halte unter gefährlichen Bedingungen selbst organisieren. Über 500 Häftlinge starben insgesamt während der Fahrt und noch nach der Befreiung. Schließlich ist der Zug nahe des Dorfes Tröbitz im heutigen südbrandenburgischen Landkreis Elbe-Elster zum Stehen gekommen, weil die Brücke über die Elster durch die Hitlerjugend gesprengt worden war, um das Vorrücken der Roten Armee zu erschweren. Am Ende sind die SS-Männer abgehauen, und die Sowjets kamen am nächsten Morgen, dem 23. April 1945, und retteten die Insass:innen. Die Fragen sind anschlussfähig weiterlesen »

Unbeschwert in Zwickau

geschrieben von Sebastian Schröder

11. Juli 2023

»Wenn du hier politisch wirst, ändert sich alles«: Zu »Unter Nazis«

Im sächsischen Zwickau fährt ein Bus der städtischen Verkehrsbetriebe mit einem roten Eisernen Kreuz auf schwarzem Hintergrund. Dieser Bus macht stadtweit Werbung für das Tattoo-Studio eines bekannten Zwickauer Rechten, der auf Fotos schwer bewaffnet posiert und auch die Motive »Schwarze Sonne«, der »Rote Baron« und Wehrmachtssoldaten anbietet. Unbeschwert in Zwickau weiterlesen »

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