Man spricht immer von Teilhabe …

9. März 2023

Ein Gespräch mit Arnold Weiß vom Landesverein der Sinti in Hamburg e. V.

antifa: Der Landesverein der Sinti in Hamburg e.V. besteht nunmehr seit 1999. Wollen Sie uns bitte berichten, was Schwerpunkte der Organisation sind?

Arnold Weiß: Schwerpunkt unserer Arbeit ist, eine Stimme für die Minderheit der Sinti:zze und Rom:nja hier in Hamburg zu sein, als Verein haben wir da mehr politisches Gehör. Das ist gesellschaftlich gerade auch für die Vermittlung dessen, was in der Vergangenheit passiert ist, wichtig. Mein Vater hat im Jahr 1999 den Verein ins Leben gerufen, und wir führen ihn weiter. Wir vermitteln Wissen über das Unrecht, das im Holocaust geschehen konnte, bis hin zu dem, wie heute in Deutschland eine Spaltung der Gesellschaft – auch am Beispiel des Umgangs mit Sinti:zze und Rom:nja – vonstattengeht. Zudem sorgen wir natürlich auch für Hilfe innerhalb der Community selbst. Man spricht immer von Teilhabe … weiterlesen »

Statt eines Nachrufs

geschrieben von Kurt Nelhiebel

9. März 2023

Zum Tod des Anwalts und Autors Heinrich Hannover (1925–2023)

Es dauerte eine Weile, bis wir uns auf einen Termin geeinigt hatten. Das lag nicht an anderweitigen Verpflichtungen und auch nicht an der Entfernung. Von Bremen aus ist man mit dem Auto in knapp einer Stunde in Worpswede, dem postalischen Wohnort von Heinrich Hannover. In Wirklichkeit wohnte er ziemlich weit draußen auf dem Lande in der Nähe des Teufelsmoores, wo sich Fuchs und Hase »Gute Nacht« sagen und nur noch Feldwege weiterführen in die Landschaft mit dem fernen Horizont.

Mit Hilfe von Satellitenaufnahmen hatte ich mir eine Fahrtroute zurechtgelegt, die sich bei näherer Betrachtung als nicht sonderlich empfehlenswert erwies und von Heinrich Hannover rundweg verworfen wurde. Ich hatte sie ihm per E-Mail beschrieben, und er antwortete darauf mit einer handschriftlich angefertigten Wegeskizze. Sie führte mich problemlos und überraschend schnell ans Ziel, über mir ein blauer Maihimmel mit dicken weißen Wolken, ein Himmel, so hoch und so weit, wie er nur hier anzutreffen ist. Statt eines Nachrufs weiterlesen »

Nach dem Reichstagsbrand

geschrieben von Ulrich Schneider

9. März 2023

Der Weg ins Dritte Reich (Teil 4)

Mit der Ernennung der Regierung Hitler–Hugenberg–von Papen am 30. Januar 1933 waren die Weichen für die Etablierung der faschistischen Herrschaft gestellt.

Reichspräsident Paul von Hindenburg hatte mit den ersten Notverordnungen zum »Schutz des deutschen Volkes« den Weg frei gemacht für Versammlungsverbote, Zeitungsverbote und die Verhaftung politischer Gegner. Am 4. Februar wurden der Reichstag und die preußischen Kommunalparlamente aufgelöst und Neuwahlen für Anfang März 1933 angekündigt. Bis dahin agierte die Hitler-Regierung ohne parlamentarische Kontrolle. Nach dem Reichstagsbrand weiterlesen »

Gesinnungsprognose

geschrieben von Michael Csaszkoczy

9. März 2023

Zu 90 Jahren »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums«

»… bietet nicht die Gewähr, jederzeit voll einzutreten für …« – diese Formulierung rückte anlässlich des 50. Jahrestages des Radikalenerlasses wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein. Weniger bekannt: Sie stammt aus einem Nazigesetz.

Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 machten sich die Nazis umgehend an den Umbau des Staates zu einer Diktatur, auch wenn die Weimarer Verfassung formal in Kraft blieb. Als entscheidende Schritte auf diesem Weg gelten die »Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat« (»Reichstagsbrandverordnung«) vom 28. Februar 1933 und das »Ermächtigungsgesetz« vom 24. März 1933. Kurz danach folgte das »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums«, das sich sowohl gegen Jüdinnen und Juden als auch gegen politische GegnerInnen richtete. Es wurde am 7. April 1933 verabschiedet und ohne parlamentarische Erörterung im Kabinett verkündet. Gesinnungsprognose weiterlesen »

Schutz der Republik

geschrieben von Gerald Netzl

9. März 2023

Gründung des Republikanischen Schutzbunds vor 100 Jahren

Im Februar 1924 wurde in Magdeburg das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold gegründet, im Juli 1924 in Halle/Saale der Rote Frontkämpferbund. Bereits ein Jahr zuvor war im kleinen Nachbarland Österreich der Republikanische Schutzbund als proletarische Selbstschutzorganisation geschaffen worden. Schutz der Republik weiterlesen »

Offene Diskriminierung

geschrieben von Anna Styczyńska

9. März 2023

Polnischer Antisemitismus in den 1920er- und 1930er-Jahren

»Christusmörder«

Im Vorkriegspolen wurden die Juden als Fremde behandelt. Einer der Hauptakteure des polnischen Antisemitismus war die katholische Kirche, der die Mehrheit der polnischen Gesellschaft angehörte. Juden für den Tod Jesu verantwortlich zu machen und sogar an »Blutverleumdungen« (es wird behauptet, dass Juden sich an der Entführung, Folter und Opferung christlicher Kinder beteiligen) zu glauben, war in Polen üblich. Predigten und Artikel in der katholischen Presse, die reich an Verschwörungstheorien über die »jüdische Freimaurerei« sowie an antijüdischen und antisemitischen Thesen waren, fanden dank der hohen gesellschaftlichen Stellung der Priester große Aufmerksamkeit. Offene Diskriminierung weiterlesen »

Ersatzveranstaltungen

geschrieben von Florian Gutsche

9. März 2023

NS-verherrlichende Gedenkveranstaltungen in Budapest (11.2.) und Sofia (25.2.)

In diesem Jahr konnte man sehen, dass antifaschistische Interventionen etwas bewegen können. Weder in Budapest noch in Sofia konnten die Neonazis ihre Veranstaltungen so durchführen, wie sie es während der letzten zehn Jahre gewohnt waren.

Von staatlicher Seite gab es in Budapest das Verbot der vom Blood&Honour-Ableger organisierten Gedenkveranstaltung im Városmajor-Park. In Sofia wurde der abendliche Fackelmarsch zu Ehren des glühenden Antisemiten Hristo Lukov ebenfalls verboten. Die als Wanderung getarnte Neonaziveranstaltung, bei der der Ausbruchsversuch der faschistischen Truppenverbände während der Belagerung Budapests durch die Rote Armee mit allerlei Nazi-Devotionalien nachvollzogen wird, konnte jedoch wieder stattfinden. Die Teilverbote der alljährlichen Spektakel sind die direkte Reaktion auf die international gewachsene Aufmerksamkeit für diese Veranstaltungen. Dass diese auch weltweit Beachtung fanden, ist das Resultat kontinuierlicher internationaler antifaschistischer Aufklärungsarbeit unterschiedlicher Organisationen. Ersatzveranstaltungen weiterlesen »

Festung Österreich

geschrieben von Heide Hammer / Diana Leah Mosser

9. März 2023

Wie sich auch in der Alpenrepublik der Rassismus breit macht

Ende Januar wurde in Niederösterreich – nach Wien das bevölkerungsreichste Bundesland Österreichs – der Landtag gewählt. Wenig überraschend verlor dabei die ÖVP zehn Prozentpunkte ihrer Stimmen, während die FPÖ zehn Punkte dazugewann. Überrascht hat das niemanden, weil die Österreichische Volkspartei – auch wenn sie es vielleicht nicht wahrhaben möchte – seit mehreren Jahren in einem oder mehreren Korruptionsskandalen steckt, während die Freiheitlichen vor ihren Wähler*innen behaupten können, dass sie sich der Verantwortlichen des Ibiza-Skandals entledigt hätten. Und auch vor 2019 hatte die ÖVP große Schwierigkeiten, als glaubwürdig zu gelten, was wohl daran liegen mag, dass es sich bei der Zielgruppe der ÖVP überwiegend um Arbeitgeber*innen und Landwirt*innen (=Großgrundbesitzer*innen) handelt – volksnah ist lediglich die Macht, die von der immer autoritärer werdenden Führung ausgeht. Im Vergleich dazu ist die FPÖ ein undisziplinierter Haufen. Festung Österreich weiterlesen »

Objekte der Forschung

geschrieben von Ulrich Schneider

9. März 2023

Die Verbände der Überlebenden des NS werden immer interessanter

Es ist bemerkenswert, dass mit dem biologischen Verschwinden der Zeitzeugengeneration in den KZ-Gedenkstätten und der geschichtspolitischen Erinnerungsarbeit in verschiedenen europäischen Ländern die ehemaligen Häftlinge, die Mitglieder von Überlebendenverbänden jetzt in den Fokus nachgeborener Historiker*innen geraten. Bekanntlich entstanden bereits unmittelbar nach der Befreiung vom Faschismus die ersten Organisationen der Überlebenden. Sie bildeten Amicales, Komitees, Lagergemeinschaften, nationale Interessenverbände und internationale Dachorganisationen. Es ging ihnen um einen antifaschistisch-demokratischen Neubeginn und um eine Erinnerungskultur aus der Sicht der Verfolgten. Objekte der Forschung weiterlesen »

Esthers Vermächtnis

geschrieben von Janka Kluge

9. März 2023

Ihr letztes Interview gab sie zwei Studenten

Kurz vor ihrem Tod hat sich die bereits gesundheitlich angeschlagene Esther Bejarano noch einmal bereit erklärt mit zwei jungen Studenten, Florian und Kay, ein langes Gespräch über ihr Leben und ihren Kampf zu führen. Esther war in der Nacht davor gestürzt und lag über Stunden hilflos in der Wohnung, weil sie den Notknopf nicht erreichen konnte. Als sie hörte, dass die beiden Studenten bereits nach Hamburg gekommen sind, reißt sie sich zusammen und empfängt sie. Der Journalist Sascha Hellen, der den Kontakt hergestellt hat, schreibt in der Einleitung: »Mit einem flotten Spruch bricht Esther Bejarano gleich das Eis – und das obwohl sie Schmerzen hat vom Sturz in der Nacht, den Stunden auf dem kalten Steinboden. Die beiden wissen, was es bedeutet, dass Frau Bejarano dem Treffen unter diesen Voraussetzungen zugestimmt hat.« Esthers Vermächtnis weiterlesen »

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