Rechte Umsturzfantasien

geschrieben von Ulrich Peters

7. Januar 2023

Hintergründe zu den groß angelegten Razzien bei der »Patriotischen Union«

Am 7. Dezember 2022 kam es in der Bundesrepublik, in Österreich und Italien zu medial einige Furore machenden groß angelegten Hausdurchsuchungen und Festnahmen. Im Fokus dieser aktuellen Ermittlungen gegen bewaffnete extreme Rechte steht eine Gruppe, die unter der Bezeichnung »Patriotische Union« Waffen gehortet, Schießübungen durchgeführt, Feindeslisten angelegt und einen gewaltsamen Umsturz vorbereitet haben soll. In den rund 150 durchsuchten Gebäuden wurden neben diversen Pistolen und Gewehren auch Nachtsichtgeräte und Satellitentelefone beschlagnahmt sowie mehrere hunderttausend Euro in bar als auch Gold sowie Silber gefunden. Von den insgesamt 54 Beschuldigten sind aktuell (Stand Mitte Dezember 2022) 25 Personen in Haft. Inhaltlich greift die Gruppe auf reichsideologische Versatzstücke ebenso zurück wie auf Verschwörungsglaube und (rechte) Esoterik. Sie ist damit auch Ausdruck einer anhaltenden Radikalisierung demokratiefeindlicher Milieus, die insbesondere im Zuge der verschwörungsideologischen »Corona-Proteste« neue Allianzen geschlossen haben. So verwundert es wenig, dass neben langjährigen Reichsideolog*innen und Neonazis auch Impfgegner*innen, Esoterikfans, QAnon-Gläubige sowie AfD-Anhänger*innen zu den Beschuldigten gehören. Rechte Umsturzfantasien weiterlesen »

Ziel: Ertrinkenlassen

7. Januar 2023

Seenotrettungsorganisation Sea-Watch gegen neues Dekret der Regierung Italiens

Das am 28.12.2022 beschlossene Dekret zielt direkt auf zivile Seenotrettungsorganisationen ab und nennt explizit Schiffe, die systematisch oder nicht nur gelegentlich Such- und Rettungseinsätze durchführen, als Geltungsrahmen. Es beinhaltet verwaltungsrechtliche Sanktionen, die von Geldstrafen bis 50.000 Euro, Festhalten des Schiffes bis zur Beschlagnahme und Einziehung des Schiffes reichen. Das Dekret schreibt unter anderem vor, dass zivile Rettungsorganisationen unmittelbar nach Ausführung einer ersten Rettung einen sicheren Hafen anfordern und diesen unverzüglich ansteuern müssen. Werden zivile Rettungsschiffe nach erster abgeschlossener Rettung in einen Hafen gezwungen, während weitere Menschen in Seenot sind, verstößt dies jedoch gegen die im Völkerrecht verankerte Pflicht einer jeden Kapitän:in zur Rettung. Das Unterlassen dieser Pflicht ist strafbar. Ziel: Ertrinkenlassen weiterlesen »

Lebt der »Flügel« erneut auf?

geschrieben von Janka Kluge

7. Januar 2023

AfD: Das »Debatten-Netzwerk Idearium« bringt sich als möglicher Nachfolger in Stellung

Thorsten Weiß, AfD-Mandatsträger im Berliner Abgeordnetenhaus, tat sich nach einem Bericht der taz (20.10.2022) als Organisator einer brisanten Parteiveranstaltung am 10. Oktober in Berlin hervor. Bereits rund einen Monat zuvor hatte er die Gründung des »Debatten-Netzwerks Idearium« auf Telegram bekannt gemacht. In der Beschreibung der geschlossenen Gruppe (Abonnent:innen Ende Dezember 2022: 470) heißt es: »So wichtig die Einheit nach außen ist, so notwendig ist nach innen das offene Wort und die Debatte um eine stetige programmatische und personelle Optimierung«. Die neue Telegram-Gruppe solle »den Austausch zwischen unseren Mitgliedern fördern und eine neue, produktive Debattenkultur entwickeln«, so die vollmundigen Ankündigungen.

Zu der besagten Veranstaltung in Berlin war auch Björn Höcke eingeladen, um über den »Heißen Herbst« und was dieser für die AfD bedeutet, zu sprechen. Nach Veranstalterangaben nahmen mehr als 100 Mitglieder der AfD daran teil. Dabei ist auch ein Bild entstanden, auf dem mutmaßlich Mitglieder der Jungen Alternative Brandenburg eine Antifafahne verkehrt herum halten. Neben ihnen ein grinsender Höcke und Weiß selbst. Die Fahne ist mit rechten Aufklebern »verziert«. Neben Weiß waren mit Jeannette Auricht, Gunnar Lindemann, Hugh Bronson, Harald Laatsch und Andreas Wild weitere AfD-Abgeordnetenhausmitglieder unter den Besuchern. Teilnehmen konnten nur AfDler, die sich bei Weiß angemeldet hatten. Lebt der »Flügel« erneut auf? weiterlesen »

Wieder mehr rassistische Brandanschläge

geschrieben von Nils Becker

7. Januar 2023

Die Zahl der Anschläge gegen Unterkünfte für geflüchtete Menschen nahm zuletzt wieder zu. Laut Bundesinnenministerium waren es bis zum 3. Quartal 2022 rund 65 nennenswerte Angriffe, genauso viele wie im gesamten Vorjahr. Im 4. Quartal haben die Brandanschläge auf Sammelunterkünfte in Groß Strömkendorf (Mecklenburg-Vorpommern), in Krumbach (Bayern) und Bautzen (Sachsen) sowie in Großzössen bei Leipzig und in Dresden für mediales Echo gesorgt. Das Spreehotel in Bautzen war mehrfach betroffen. Mittlerweile ist der Landkreis davon abgerückt, in dem Hotel Geflüchtete unterzubringen. Laut dem Städte- und Gemeindebund nehmen viele Kommunen keine Menschen mehr auf und berufen sich auf Kapazitätsgrenzen. Wieder mehr rassistische Brandanschläge weiterlesen »

Keine Zeit verlieren

7. Januar 2023

Auszüge aus Ansprache von Liliana Segre zu Eröffnung des italienischen Senats

Am 28. Oktober vor 100 Jahren begann mit dem »Marsch auf Rom« das italienische faschistische Regime. Liliana Segre war noch ein Kind, als sie durch die rassistischen Gesetze des Faschismus aus der Schule geworfen wurde. Sie war eine Teen-agerin, als sie in einen Zug nach Auschwitz verladen wurde. 30 Jahre lang war die Frau, Mutter und Großmutter als Zeitzeugin in Schulen unterwegs, die die Erinnerung an die Tragödien von gestern immer mehr mit einem Zeugnis für die heutige Zivilisation verband. Aus diesen Gründen wurde sie zur Senatorin auf Lebenszeit ernannt, der höchsten zivilen und moralischen Anerkennung der Italienischen Republik. Liliana Segre ist nicht mehr nur die Frau, die von den Schrecken der Shoah erzählt: Sie ist zu einer Persönlichkeit geworden, die uns jedes Mal, wenn sie spricht, daran erinnert, dass Italien sich für Menschlichkeit, Solidarität und gegenseitigen Respekt entschieden hat. So war es auch Mitte Oktober bei der Eröffnungssitzung des italienischen Senats, in dem nun die faschistische Rechtskoalition die Mehrheit hat. Als Alterspräsidentin entschied sich Liliana Segre für eine Demonstration von politischer Entschlossenheit, intellektueller und moralischer Klarheit. Einmal mehr gab sie allen ein Beispiel dafür, wie antifaschistisches Engagement heute aussehen sollte.        Alessandro Pollio Salimbeni Keine Zeit verlieren weiterlesen »

Ein Staatsschutz-Prozess

7. Januar 2023

Interview mit der Verteidigung im sogenannten Antifa-Ost-Verfahren

antifa: Was wird beim Prozess in Dresden verhandelt, und warum passiert das am Oberlandesgericht?

Rita Belter: Es geht um mehrere Fälle von Körperverletzungen an führenden Neonazis in Sachsen und Thüringen im Zeitraum 2019/2020. Angeklagt sind vier Antifas, wovon eine in Untersuchungshaft ist und drei auf freiem Fuß sind. Ausschlaggebend waren Ermittlungen nach einem Angriff auf ein Führungsmitglied der kriminellen Vereinigung »Knockout 51« mit Verbindungen zu dem deutschen Ableger der »Atomwaffendivision« Ende 2019 in Eisenach. Danach waren zwei der jetzt Angeklagten in der Nähe des Tatorts festgestellt worden. Die Ermittlungen liefen zunächst bei der Staatsanwaltschaft Meiningen, bis die Bundesanwaltschaft (BAW) ihr sogenanntes Evokationsrecht ausübte und die Ermittlungen an sich zog. Es wurden großflächig Überwachungsmaßnahmen gegen die Beschuldigten, denen mehrere Körperverletzungen an Neonazis zugerechnet werden, organisiert. Die Taten allein begründen nicht die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts. Eigentlich wären die örtliche Staatsanwaltschaft und das Landgericht zuständig. Aber die BAW möchte dem Ganzen eine größere Bedeutung zumessen, um nach etlichen Verfahren wegen Bildung krimineller Vereinigungen gegen Neonazis nun auch mal die Gegenseite, nicht wegen der konkreten Taten, sondern wegen der dafür angeblich gebildeten Vereinigung, anzuklagen. Um zuständig zu sein, wurde eine Art Staatsgefährdung durch die Angriffe auf Neonazis konstruiert. Tatsächlich heißt es in der Anklageschrift, dass sie die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner weg vom gewaltfreien Diskurs hinein in die gewaltsame Konfrontation verlagern und den friedlichen politischen Meinungskampf damit in Frage stellen würden. Eine völlig Verdrehung der Kräfteverhältnisse auf den Straßen. Weitere Beschuldigte wegen des gleichen Angriffs in Eisenach, wurden mittlerweile bei dem zuständigen Landgericht in Thüringen angeklagt, der Vereinigungsvorwurf wurde dort eingestellt. Ein Staatsschutz-Prozess weiterlesen »

Meldungen

7. Januar 2023

Schmähplastik bleibt

Ende Oktober wurde bekannt, dass in Wittenberg die Plastik an der Außenfassade der Stadtkirche erhalten bleibt. Die mittelalterliche antijüdische Schmähplastik – genannt Judensau – muss nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH) nicht entfernt werden, da sie durch eine erklärende Bodenplatte und einen Aufsteller von einem Schandmal in ein Mahnmal umgewandelt worden sei. Ein vom Kirchenrat eingesetztes Expertengremium hatte zuvor für den Abbau plädiert.

Jack Terry verstorben

Der ehemalige Häftling des KZ Flossenbürg, Jack Terry, ist Anfang November 2022 92-jährig verstorben. Als Jakub Szabmacher erlebte er 1945 im Flossenbürg die Befreiung durch die US-Truppen. Seine Mutter und seine Schwester waren vor seinen Augen getötet worden. Als Waise wird er in den USA adoptiert und nimmt den Namen Jack Terry an. Wegen geo-logischer Studien kehrt er 1956 nach Flossenbürg zurück und wird Zeuge der Relativierung der Verbrechen. In den USA wird er wegen der Folgen seiner Traumatisierung Psychoanalytiker. Ab 1995 besuchte er die Gedenkstätte Flossenbürg jährlich. Er wendete sich gegen die weitgehende Überbauung des Lagergeländes. Meldungen weiterlesen »

Aus dem Raster gefallen

7. Januar 2023

Über verleugnete NS-Opfer. Ein antifa-Gespräch mit Frank Nonnenmacher

antifa: Du hast schon in der antifa-Ausgabe Mai/Juni 2022 mit einem auch sehr persönlichen Beitrag über die NS-Verfolgten mit grünem und schwarzem Winkel geschrieben, also die von den Nationalsozialisten als »Berufsverbrecher« und »Asoziale« Stigmatisierten und Verfolgten. Gib doch bitte unseren Leserinnen und Lesern einen Einblick in deinen persönlichen und familiären Bezug zum Thema.

Frank Nonnenmacher: Während mein Vater Gustav für Hitlers Luftwaffe flog, war sein Halbbruder Ernst im KZ. Dieser hatte aus materieller Not kleinkriminelle Delikte begangen und seine Haftstrafen vollständig abgesessen.1 Ernst fühlte sich als Opfer der Aussortierungsmaschine »Kapitalismus« und als Teil des Proletariats, als »Kommunist«, ohne Parteimitglied zu sein. Die Differenz im Lebenslauf der Brüder hat später zu dramatischen innerfamiliären Diskussionen geführt. Durch Forschungen zu solchen Biografien habe ich gelernt, dass Delinquenz und Kriminalität eher eine Folge der Klassenlage als der persönlichen Moral sind. Warum schlafen die Reichen nicht unter den Brücken, betteln nicht und stehlen kein Brot? Die Antwort auf diese Frage, die Anatol France schon vor über hundert Jahren gestellt hat, ist heute so aufschlussreich wie damals. Nur stellt sie kaum jemand, und die Diskriminierung derer, die aus dem bürgerlichen Raster fallen, ist immer noch allgegenwärtig. Aus dem Raster gefallen weiterlesen »

Vorurteile töten

geschrieben von Ulrich Stuwe

7. Januar 2023

Wen und warum Polizeischüsse treffen

Die Beendigung einer Geiselnahme in Nürnberg oder die Schüsse aus einer Maschinenpistole in Dortmund. In den letzten Jahren waren die Medien voll von Berichten über Menschen, die von Polizistinnen und Polizisten in Einsätzen getötet wurden. Es kristallisiert sich inzwischen auch heraus, dass überdurchschnittlich viele der Getöteten psychische Probleme hatten. Verschiedene Schätzungen – Statistiken über den Gesundheitszustand von durch die Polizei getöteten Menschen gibt es nicht – stimmen darin überein, dass mindestens die Hälfte dieser Menschen psychische Auffälligkeiten zeigten oder in psychiatrischer bzw. psychologischer Behandlung waren. Überdies hatten die getöteten Männer und Frauen besonders häufig eine »familiäre Migrationsgeschichte«.

Die Ursachen der Häufung dieser tödlichen Polizeieinsätze sind nicht klar. Oft – nicht immer – waren die Getöteten bewaffnet. Meist mit Messern. Einige benutzten Küchenmesser, andere eher als Waffe geeignete Klingen. Durch diesen Waffenbesitz geraten die Polizistinnen und Polizisten in eine Bedrohungssituation, aus der sich einige angeblich meinen, nur durch die Schusswaffe befreien zu können. Der Waffenbesitz dient auch als Rechtfertigung, so dass in den allermeisten Fällen Dienstherr, Staatsanwaltschaften und Justiz keinen Grund sehen, die Todesschützen zu bestrafen. Dazu kommt, dass in aller Regel Kolleginnen und Kollegen Todesschützen durch entsprechende Aussagen decken. Vorurteile töten weiterlesen »

Antifeminismus als Ticket

geschrieben von Darline, Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Koblenz/Mittelrhein und AG Antifeminismus des Bundesverbandes Mobile Beratung e.V. (BMB)

7. Januar 2023

Neue Studie zu Folgen und Erkenntnissen in der Autoritarismusforschung

Wie die im November 2022 erschienene Autoritarismusstudie der Heinrich-Böll-Stiftung zeigt, sind antidemokratische, autoritäre und rechte Einstellungen in der Gesellschaft weder verschwunden noch zurückgegangen. Motive und Inhalte haben sich lediglich verschoben. Die Gründe dafür sind vielfältig. Auffällig sind die zunehmende Verbreitung antifeministischer und sexistischer Einstellungen sowie deren vielschichtige Verbindungen zu weiteren Erscheinungen extrem rechter Gesinnungen. Autoritäre Überzeugungen stehen hiernach in einer signifikanten statistischen Verbindung sowohl zu Antifeminismus als auch zu Sexismus.1

In Abgrenzung zu misogynen Einstellungen und zum Sexismus als Diskriminierungsform tritt der Antifeminismus selbst als aktive, politische Bekämpfung jeglicher Art und Ausdrucksweise von Feminismus, gesellschaftlicher Emanzipation und der Liberalisierung der Geschlechterbilder zutage. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den differenzierten Themen und Forderungen feministischer Strömungen findet dabei nicht statt. Feminismus wird innerhalb rechtsautoritärer Gesinnungen als machtvolle und homogene Bewegung vulgarisiert, die es, zur Aufrechterhaltung heteronormativer und autoritärer Herrschaftsverhältnisse, aktiv zu bekämpfen gilt. Antifeminismus als Ticket weiterlesen »

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