Pistorius triumphiert

geschrieben von Jörg Kronauer

4. Juli 2024

Deutsche Gesellschaft soll »kriegstüchtig« werden – natürlich auch das Militär

»Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein«: Mit martialischen Worten hat – nicht zum ersten Mal – Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am 5. Juni im Bundestag eines der zentralen Ziele der Bundesregierung benannt. Pistorius listete außerdem auf, worum es ihm dabei mit Blick auf die Bundeswehr konkret geht: um »Personal, Material und Finanzen«.

Was die Finanzen betrifft: Berlin will den Militärhaushalt massiv aufstocken. Offiziell liegt er in diesem Jahr bei annähernd 52 Milliarden Euro; das sind bereits 10,9 Prozent der gesamten deutschen Staatsausgaben. Es kommt noch eine beträchtliche Summe aus dem sogenannten Sondervermögen hinzu, von dem sogar der Bundesrechnungshof sagt, man müsse es eigentlich »Sonderschulden« nennen. Der Betrag, den die Bundesregierung für 2024 bei der NATO meldete, lag denn auch bei 90,6 Milliarden Euro und damit bei 2,12 Prozent der Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik. Das ist in etwa die Zielgröße, die Berlin für den Wehretat auf Dauer anstrebt. Bleibt das Volumen des Bundeshaushalts in etwa gleich, während der Militärhaushalt auf rund 90 Milliarden Euro steigt, dann fließt rund ein Fünftel aller Ausgaben des Bundes in die Bundeswehr. Pistorius triumphiert weiterlesen »

Gegen Militarismus und Krieg

geschrieben von Peter Nowak

4. Juli 2024

Camp »Kiel entwaffnen – Rüstungsindustrie versenken« in norddeutscher Hafenstadt

Vom 3. bis 8. September veranstalten Antimilitarist*innen aus verschiedenen Ländern in Kiel ein Camp unter dem Motto »Kiel entwaffnen – Rüstungsindustrie versenken«. Die norddeutsche Hafenstadt ist vielleicht manchen als Ausgangspunkt der Novemberrevolution 1918 im Gedächtnis. Weniger bekannt ist, dass Kiel heute ein Hotspot der Rüstungsindustrie ist.

Geflecht von Firmen und Institutionen

Einen guten Überblick hierzu gibt eine Broschüre »Militär und Rüstung in Kiel«, die mit Unterstützung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Schleswig-Holstein von der GEW, der Attac-Ortsgruppe Kiel und der linken Organisation Avanti schon 2003 herausgegeben wurde.1 Obwohl sie schon vor mehr 20 Jahren erstellt wurde, gibt sie einen guten Einblick in das Geflecht von Firmen und Institutionen, die in Kiel die Militarisierung vorantreiben. Gegen Militarismus und Krieg weiterlesen »

Unsere Meldungen

4. Juli 2024

Le Pen in Frankreich vorn

Bei der Parlamentswahl in Frankreich am 30. Juni zeichnete sich ein Sieg der rechten Rassemblement National von Marine Le Pen (33 Prozent) ab. Es folgen das Linksbündnis (28), das Lager von Emmanuel Macron (21) und konservative »Républicains« (10). Mehr Klarheit bringt die zweite Runde am 7. Juli.

Österreichs Rechte

In Österreich nahm die Zahl rechter Taten laut Innenministerium (Bericht Mai) um 30 Prozent zu. 2023 wurden mehr als 1.200 Vorfälle registriert. Nach dem Terrorakt der Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 sind Anzeigen nach NS-Verbotsgesetz gestiegen. Berichtet wurde auch über zunehmenden Waffenbesitz bei Rechten und die Salonfähigkeit rechter Narrative in weiten Teilen der Gesellschaft.

Geert Wilders dabei

Als Ende 2023 Geert Wilders’ rechte PVV die niederländischen Parlamentswahlen gewann, war dies Topthema der Medien. Mitte Mai hat sich ohne mediale Aufregung eine rechte Regierung in Den Haag Unsere Meldungen weiterlesen »

Und heute?

4. Juli 2024

Digitale Minigames sollen NS-Zeit mit Alltag Jugendlicher in Gegenwart verbinden

Zum 75. Jahrestag des Grundgesetzes stellen die Arolsen Archives ihr neues digitales Bildungsangebot für die Generation Z vor: »und heute?« ist eine digitale Lernumgebung. In sieben interaktiven Mini-games geht es um NS-Geschichte und Fragen der gesellschaftlichen Teilhabe seit 1945. Die Spiele sollen dabei helfen, Jugendliche zu erreichen und für demokratiefeindliche Tendenzen zu sensibilisieren. Und heute? weiterlesen »

Angriffe auf Freiheiten

geschrieben von Bernd Kant

4. Juli 2024

75 Jahre Grundgesetz: »Demokratischer Ratschlag« in Bonn

Die Gesprächspartner des »Demokratischen Ratschlag« am 22. Mai in Bonn beleuchteten nicht nur 75 Jahre Grundgesetz als »Erfolgsgeschichte«, sondern auch die gleichzeitigen Angriffe auf die dort verankerten demokratischen Rechte und Freiheiten.

Maike Finnern, GEW-Bundesvorsitzende, würdigte das Grundgesetz, kritisierte aber den aktuellen Weg staatlicher Institutionen, extrem rechte Bewerber aus dem öffentlichen Dienst fernzuhalten, als Wiederauflage der Fehler des »Radikalenerlasses«. Man spreche von »Extremisten« und billige dem Verfassungsschutz die Interpretationshoheit über diesen Begriff zu. Gleichzeitig werden die Instrumente des Rechtsstaates eingeschränkt. Prof. Josef Foschepoth präsentierte den Teilnehmenden seine Forschungsergebnisse zum KPD-Verbot. Besondere Aufmerksamkeit erzielte er mit einer Tabelle der politischen Gerichtsverfahren gegen NSDAP-Mitglieder und KPD-Anhänger in den Jahren der Adenauer-Regierung. Auf einen angeklagten NSDAP- oder SS-Angehörigen, die zumeist wegen schwerer »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« angeklagt waren, kamen mehr als sieben Angeklagte der KPD, die zumeist wegen Verstoß gegen das KPD-Verbot verurteilt wurden. Rechtsanwalt Joachim Kerth-Zelter (Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen) behandelte das Asylrecht und seine historische Begründung. Gleichzeitig erinnerte er an die ersten Einschränkungen nach den rassistischen Übergriffen Anfang der 1990er Jahre, an die weitgehende Abschaffung und Konterkarierung durch eine massive Abschiebepolitik der Bundesregierung, für die es nicht einmal der AfD bedarf. Angriffe auf Freiheiten weiterlesen »

70.000 in Essen

4. Juli 2024

Antifaschistische Massenproteste gegen AfD-Bundesparteitag in NRW-Metropole

Am Wochenende 29. und 30. Juni, kurz vor Drucklegung dieser Ausgabe, haben in Essen laut Bündnis »Widersetzen« rund 70.000 Menschen gegen den AfD-Bundesparteitag protestiert. Bereits am Freitag hatten sich Tausende Antifaschist:innen an einer Ravedemo gegen rechts beteiligt. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort, ging immer wieder äußerst rabiat mit Pfefferspray und Schlagstöcken gegen Demonstrant:innen vor und nahm zahlreiche in Gewahrsam. 70.000 in Essen weiterlesen »

Alles neu in Schnellroda?

geschrieben von Janka Kluge

4. Juli 2024

IfS-Verein aufgelöst: Kubitschek schützt sein »Werk« vor Verbot

Nachdem im Zusammenhang mit dem rechten Treffen in Potsdam Ende November 2023 auch der Name Götz Kubitschek immer wieder genannt wurde, hat dieser Mitte Mai eine Neuorganisation seines Instituts für Staatspolitik (IfS) und des dazugehörigen Antaios-Verlags vollzogen. Das IfS in Schnellroda wurde durch Kubitschek bereits im Jahr 2000 begründet. Zweimal im Jahr haben seitdem Akademie-veranstaltungen stattgefunden, bei denen die politische Ausrichtung diskutiert und neue Projekte entwickelt wurden. Bei diesen Diskussionen waren beispielsweise Mitglieder der »Identitären Bewegung« (IB) stets ebenso -beteiligt wie führende Mitglieder der AfD. Die Vorstellung der millionenfachen »Remigration« von Menschen aus Deutschland ist im Saalekreis und nicht erstmals auf dem von AfD-Mitgliedern, finanzschweren Unterstützern rechter Gruppen und dem führenden IB-Strategen Martin Sellner frequentierten Treffen in Potsdam entwickelt worden. Alles neu in Schnellroda? weiterlesen »

AfD bestreiken

geschrieben von Markus Roth

4. Juli 2024

Fit machen gegen die Machtübernahme

Einen »Riesenerfolg« nennt Thüringens CDU-Chef Mario Voigt die Ergebnisse der Kommunalwahlen vom 26. Mai bzw. die Tatsache, dass die AfD mit 26 Prozent (8 Prozent mehr als bei der letzten Kommunalwahl) »nur« zweitstärkste Kraft in Thüringen geworden ist und in der Stichwahl am 9. Juni keines der neun Landrats- oder Bürgermeisterämter erringen konnte. Auch die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen) schaut nur auf die Spitzenpositionen, wenn sie zu Protokoll gibt: »Viele Menschen wollen auf keinen Fall von der AfD regiert werden«. Der Präsident des Thüringer Städte- und Gemeindebunds, Michael Brychcy (CDU), sieht es pragmatisch und will die AfD selbstverständlich an den Regierungsgeschäften (er nennt es »Sachfragen«) beteiligen. Denn in neun von 22 Wahlkreisen hat die AfD ohnehin die Mehrheit in den Kommunalparlamenten und wird zusammen mit der CDU die Geschicke der Kreise und Ortschaften nun auch formal legitimiert bestimmen. Zu dieser, auf großer Bühne verdeckten, Wahrheit gehört, dass die ausgerufene »Brandmauer« für die Kommunalpolitik noch nie galt – wie Anika Taschke und Steven Hummel von der Rosa-Luxemburg-Stiftung in ihrer umfangreichen Studie zur Zusammenarbeit der Parteien für die Zeit 2019 bis Ende 2023 nachgewiesen haben. Doch was bedeutet diese galoppierende Normalisierung der AfD für die Gegner*innen ihrer Politik? Auf was müssen wir uns vorbereiten, um nicht nach den Landtagswahlen im September in Panik zu geraten? Abseits vom hektischen Tagesgeschäft gibt es seit fast einem Jahr eine Paralleldiskussion zum Überwintern unter AfD-Regierungsbeteiligung. Daran beteiligt sind alternative Jugend- und Kulturzentren, Einrichtungen der politischen und historischen Bildung, Träger der Sozialhilfe, Inklusions- und Integrationsprojekte, die um ihre Zukunft bangen und vereinzelt auch Parteienvertreter*innen und gewerkschaftliche Akteure, die die Staatsbediensteten in Verwaltung und Bildungseinrichtungen vertreten. AfD bestreiken weiterlesen »

VVN in Nöten

geschrieben von Bernd Kant

4. Juli 2024

Beitrag der Stuttgarter Nachrichten von 1949 zeigt Denken in neuer BRD auf

Mit dieser reißerischen Überschrift machten die Stuttgarter Nachrichten vor 75 Jahren einen Kommentar auf, der – just am Tag der Gründung der Bundesrepublik Deutschland, am 23. Mai 1949 – die Überflüssigkeit einer antifaschistischen Vereinigung belegen sollte. In unserem Archiv findet sich dieser Zeitungsausschnitt, der hier im Wortlaut wiedergegeben wird. Zeigt er doch eindrucksvoll das Denken und die politischen Themen in der frühen BRD (siehe Spalte).

Man könnte es sich einfach machen, und darauf verweisen, dass die Organisation – lebendig und aktiv – auch 75 Jahre nach diesem Kommentar in der politischen Landschaft präsent ist. Aber der Artikel zeigt, wie die etablierten Kräfte der neu gegründeten BRD eine Organisation der Frauen und Männer aus Widerstand und Verfolgung lieber heute als morgen eliminiert hätten. Immerhin waren die Stuttgarter Nachrichten eine durchaus angesehene Tageszeitung, die in damaliger Sicht eine überregionale Bedeutung hatte. VVN in Nöten weiterlesen »

Heute gemeinsam!

4. Juli 2024

1933 hätte durch solidarisches Handeln verhindert werden können. Aufruf von Nachkommen des Widerstands

Wir – die diese Botschaft unterschrieben haben – sind Töchter, Söhne, Enkel*innen von Menschen, die vor und in der Nazizeit Widerstand leisteten.

Unsere Eltern und Großeltern traten meist schon vor 1933 dafür ein, Faschismus und Krieg zu verhindern. Sie kamen überwiegend aus dem Arbeiterwiderstand – Gewerkschafter, Sozialdemokraten, Kommunisten – und gehörten zu den ersten, deren Organisationen zerschlagen und deren Mitglieder in Konzentrationslager verschleppt, ins Exil getrieben oder ermordet wurden, unter ihnen auch jüdische Verfolgte.

Zu ihren bittersten Erkenntnissen gehörte, dass die Faschisten 1933 nicht an die Macht kamen, weil sie stärker waren als ihre Gegner, sondern weil ihre Gegner sich nicht rechtzeitig zusammenfanden. Heute sollte jeder wissen, was »Faschismus an der Macht« bedeutet! Heute gibt es keine Entschuldigung mehr, wenn wir den faschistischen Kräften nicht gemeinsam entschlossen entgegentreten. Heute gemeinsam! weiterlesen »

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