Haltung zeigen

geschrieben von Peps Gutsche

6. Juli 2025

Ann Wiesental mit Grundlagenbuch über Awarenessarbeit

Ann Wiesental hat bereits im Jahr 2017 mit »Antisexistische Awareness« das Grundlagenbuch für Menschen, die sich als Betroffene oder Unterstützer_innen mit dem Thema Gewaltprävention beschäftigen wollen, veröffentlicht. Nun liegt mit »Haltung zeigen« eine Erweiterung vor, die auf die aktuellen Entwicklungen eingeht, praktische Tipps für die Unterstützungsarbeit bietet und die Kommerzialisierung von Awareness kritisch hinterfragt.

Awareness wurde als Ansatz von Betroffenen entwickelt, um Unterstützungsstrukturen bei Sexismus und sexualisierter Gewalt zu schaffen. Grundlage dieser Arbeit sind Betroffenenzentrierung, Parteilichkeit und Definitionsmacht. Das bedeutet, dass Betroffene selbst festlegen, was passiert ist, und dass ihr Wohlergehen im Mittelpunkt der Unterstützung steht. Awareness wird oft bei linken Politcamps und Festivals als temporäre, begleitende Praxis genutzt. Es umfasst aber auch die grundlegenden Strukturen einer Gruppe oder Organisation, um Diskriminierung und Gewalt vorzubeugen sowie angemessen damit umzugehen. Haltung zeigen weiterlesen »

Antifeministischer Kampf

geschrieben von Janka Kluge

6. Juli 2025

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Untersuchung über die Auseinandersetzung der AfD mit den Themen Gender und Geschlecht

Die Politologin und Historikerin Daniela Rüther hat eine Untersuchung über die Auseinandersetzung der AfD mit den Themen Gender und Geschlecht vorgelegt. Die Partei kopiert dabei eine Strategie, die bereits von der extrem rechten NPD (heute: »Die Heimat«) im Sächsischen Landtag angewandt wurde, als sie dort noch über eine Fraktion verfügte. »Die Anti-Gender-Anträge der NPD in den Landtagen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen zu Beginn der 2000er-Jahre illustrieren nicht nur, wie nahe die AfD mit ihrer Anti-Gender-Politik der NPD ist, einer Partei, die sich ganz offen am nationalsozialistischen Vorbild orientierte.« (Seite 55)

Beide Parteien knüpfen bewusst an das Geschlechterbild während der »Konservativen Revolution« der 1920er-Jahre an. Bereits vor hundert Jahren wurde von rechten Autoren ein antifeministischer Kampf geführt, der die Rolle der Frau auf »Kinder, Küche, Kirche« reduzieren wollte. Einer der wichtigen Vordenker dieser Bewegung war Friedrich Burgdörfer. Rüther schreibt: »Auf Burgdörfer bezog sich einer der Lieblingsautoren der Neuen Rechten, Edgar Julius Jung, in seiner einflussreichen Schrift ›Die Herrschaft der Minderwertigen‹« (S. 25). Jung sah in der Familie die »Zelle des Volkes« und meinte, dass von den Frauen »die heilige Flamme der Mütterlichkeit gehütet« werden müsse. Pikanterweise ähneln Formulierungen aus dem AfD-Grundsatzprogramm auffallend solchen der Schrift von Jung. Antifeministischer Kampf weiterlesen »

Ausgabe Mai/Juni 2025

6. Mai 2025

zeigt einen mehrtätigen Ostermarsch im Jahr 1960 zum Raketenübungsplatz Bergen-Hohne (Niedersachsen), wo im Dezember 1959 die US-Army "Honest-John" - Raketen als Träger für Atomraketen erprobte. Foto: jovofoto/r-mediabase.eu/Konrad Tempel

zeigt einen mehrtätigen Ostermarsch im Jahr 1960 zum Raketenübungsplatz Bergen-Hohne (Niedersachsen), wo im Dezember 1959 die US-Army „Honest-John“ – Raketen als Träger für Atomraketen erprobte. Foto: jovofoto/r-mediabase.eu/Konrad Tempel

Editorial

80 Jahre sind eine lange Zeit. Vielleicht etwas zu lang, um noch alles, was damit zusammenhängt, angemessen zu würdigen und Lehren daraus zu ziehen. Das Gedenken an die Befreiung und das Kriegsende ist für uns Antifaschist*innen Anlass, die noch andauernden Kämpfe um die Deutung des deutschen Faschismus zu führen und die unzureichende Aufarbeitung anzumahnen. Denn viele sehen in der Erinnerung die Chance zu entpolitisieren, Halbwissen zu verbreiten, Zusammenhänge nicht zu benennen und die Geschichte des Nationalsozialismus aus dem Alltag in die Zeremonien, die Bücher und am besten unter die Erde zu verbannen. Wer genau hinhört, wird feststellen, dass das gesellschaftliche und staatliche Erinnern immer dann an Grenzen stößt, wenn es für die Mehrheitsgesellschaft unbequem wird. Es bleibt wichtig, hier nicht nachzugeben, nicht bequem zu werden, sondern sich selbst und der Gesellschaft die Aufgabe abzuverlangen, das Gedenken zur kritischen Selbstbefragung zu nutzen. Damit sich Auschwitz nicht wiederholt, bedarf es mehr als Zeremonien mit Phrasen des Bedauerns. Es bedarf eines antifaschistischen Alltagsverstands.

Ein Beispiel, was es heißt, dem Erinnern gerecht zu werden: Vor 80 Jahren wurden auch die UN (Vereinte Nationen) als Resultat des Zweiten Weltkriegs gegründet –, auch um ähnlichen Verbrechen wie dem Holocaust schneller zu begegnen. 2025 wird das Jahr der Reform der UN sein, in dem der letztes Jahr beschlossene Zukunftspakt unter anderem zur Demokratisierung des Sicherheitsrates, mit Leben gefüllt werden soll. Wenn wir uns bewusster machen, dass auch lange nach 1945 das »Nie wieder« für zu viele Menschen in der Welt nicht eingelöst wurde, dass für sie Krieg, Vertreibung und die Tötung von Familienangehörigen zur Realität gehören, ist klar, dass es dabei auch um unsere Sache geht. Nils Becker

Zeitgeschehen

Faktisch unbegrenzt Mittel (Jan Gildemeister)
Gerechtigkeit für Lorenz (Nils Becker)
Interview: Nanuk ist einer von vielen (Kim Leez, Soligruppe)
Betonung der antifaschistischen Werte (Regina Girod)
Interview: Diskurs statt Zurechtweisung in Buchenwald! (Horst Gobrecht)
Wehrpflicht: Kanonenfutter gesucht (Andreas Siegmund-Schultze)
Zehntausende bei Ostermärschen (Andreas Siegmund-Schultze)
Riesa-Bilanz: Polizei räumt Fehler ein (red.)
Meldungen (Ulrich Stuwe)
Umbenennung erkämpft: »Sophie-Berlinghof-Platz« in Heidelberg (Martin Hornung)
Kontext: Ein verheerendes Urteil (Janka Kluge)
Identitäre: Neue rechte Heimat? (Janka Kluge)
Drei Filme: Wie wird man Antifaschist? (Ulrich Schneider)
80 Jahre Befreiung: Handeln gegen die nazistische Bestie (FIR)
Broschüre zum Neutralitätsgebot: Mut machen! (Aufstehen gegen Rassismus)
Spendenaufruf der Vorsitzenden (Conny Kerth, Florian Gutsche)

Spezial
Wir sind das bunte Hinterland! (CSD Vernetzung)
Interview: Nicht nur ein Hype (AK Fe.In)
Interview: Für Frauen und Mädchen eine Bedrohung (Hanna Vatter)
»Myke – Hacking the Manosphere«Digitale Gegenwehr (Nils Becker)

Portrait
Peggy Parnass: Ein Abschiedsgruß (Christiane Chodinski und Norma van der Walde)

Internationales
Syrien: Zweifel und Argwohn (Kristin Caspary)
Italien: Zum Postfaschismus (Axel Holz)

Geschichte
Buchenwald-Buch: Substanzieller Überblick (Gerhard Hoffmann)
Kirche und Widerstand: Angriffe trotz Einordnung (Ulrich Schneider)
Gedenkplätze: Mut zur Auseinandersetzung (Steffen Butzkus)

Kultur
Deutsch-jüdische Verflechtungen (Bernd Hüttner)
Bonhoeffer-Film: Latte hoch gelegt (Axel Holz)
Feuerdörfer: Unbedingter Drang (Janka Kluge)
Spanische Antifa: Beginn der Organisierung (Peter Nowak)
Demokratieatlas (red)
Ratgeber für Gedenkstätten: Wirklich klares Bild (Kessy Traut)
Mit der Faust in die Welt schlagen: Ohne Orientierung (Markus Roth)
Adolescence: Tödlicher Frauenhass (Peps Gutsche)
Vielfältig, laut, bunt: Plakat-Zeitung (Verlage gegen Rechts)
Thomas Mann: (Ge)wichtige Kontrastfolie (Harry Friebel)


editorial

geschrieben von Nils Becker

6. Mai 2025

80 Jahre sind eine lange Zeit. Vielleicht etwas zu lang, um noch alles, was damit zusammenhängt, angemessen zu würdigen und Lehren daraus zu ziehen. Das Gedenken an die Befreiung und das Kriegsende ist für uns Antifaschist*innen Anlass, die noch andauernden Kämpfe um die Deutung des deutschen Faschismus zu führen und die unzureichende Aufarbeitung anzumahnen. Denn viele sehen in der Erinnerung die Chance zu entpolitisieren, Halbwissen zu verbreiten, Zusammenhänge nicht zu benennen und die Geschichte des Nationalsozialismus aus dem Alltag in die Zeremonien, die Bücher und am besten unter die Erde zu verbannen. Wer genau hinhört, wird feststellen, dass das gesellschaftliche und staatliche Erinnern immer dann an Grenzen stößt, wenn es für die Mehrheitsgesellschaft unbequem wird. Es bleibt wichtig, hier nicht nachzugeben, nicht bequem zu werden, sondern sich selbst und der Gesellschaft die Aufgabe abzuverlangen, das Gedenken zur kritischen Selbstbefragung zu nutzen. Damit sich Auschwitz nicht wiederholt, bedarf es mehr als Zeremonien mit Phrasen des Bedauerns. Es bedarf eines antifaschistischen Alltagsverstands.

Ein Beispiel, was es heißt, dem Erinnern gerecht zu werden: Vor 80 Jahren wurden auch die UN (Vereinte Nationen) als Resultat des Zweiten Weltkriegs gegründet –, auch um ähnlichen Verbrechen wie dem Holocaust schneller zu begegnen. 2025 wird das Jahr der Reform der UN sein, in dem der letztes Jahr beschlossene Zukunftspakt unter anderem zur Demokratisierung des Sicherheitsrates, mit Leben gefüllt werden soll. Wenn wir uns bewusster machen, dass auch lange nach 1945 das »Nie wieder« für zu viele Menschen in der Welt nicht eingelöst wurde, dass für sie Krieg, Vertreibung und die Tötung von Familienangehörigen zur Realität gehören, ist klar, dass es dabei auch um unsere Sache geht.

Faktisch unbegrenzt Mittel

geschrieben von Jan Gildemeister

6. Mai 2025

»Zeitenwende«: Sicherheitspolitische Weichenstellung im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung

Die entscheidende Weichenstellung in der Sicherheitspolitik erfolgte bereits 2022, als der damalige Kanzler Olaf Scholz (SPD) nach dem russischen Angriff auf die Ukraine die »Zeitenwende« ausrief. Zusammen mit CDU/CSU wurde zur Finanzierung von Rüstungsausgaben für die Bundeswehr und die Unterstützung von Kiews Armee ein »Sondervermögen« von 100 Milliarden Euro unter Umgehung der Schuldenregel beschlossen. Außerdem wurden die Mittel für die Verteidigung im »normalen Haushalt« deutlich angehoben, ohne dass – wie es im Koalitionsvertrag der »Ampel« stand – im gleichen Maße auch Mittel für Krisenprävention und zivile Konfliktbearbeitung stiegen. Bereits zu Beginn der jüngsten Verhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD beschloss der »alte Bundestag« zusammen mit den Grünen, die Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent des BIP von der Schuldenregel auszunehmen. Dies ermöglicht der neuen Regierung, faktisch unbegrenzt Mittel für die Bundeswehr, zivile Verteidigung oder Waffenlieferungen an die Ukraine freizugeben. Der Vorrang für das Militär schlägt sich im neuen Koalitionsvertrag an verschiedenen Stellen nieder: Faktisch unbegrenzt Mittel weiterlesen »

Gerechtigkeit für Lorenz

geschrieben von Nils Becker

6. Mai 2025

Wieder erschießt die Polizei einen Schwarzen

In der Nacht zu Ostersonntag wurde Lorenz A., ein schwarzer Jugendlicher, in der Oldenburger Innenstadt von der Polizei erschossen. Er soll vorher Türsteher der Disko Pabloʼs mit Reizgas besprüht haben, weil sie ihn nicht reinlassen wollten. Lorenz war 21 Jahre alt. Gerechtigkeit für Lorenz weiterlesen »

Nanuk ist einer von vielen

6. Mai 2025

Antifaschist seit einem halben Jahr in U-Haft. Ein Gespräch mit Kim Leez

antifa: Bei Fertigstellung dieser Ausgabe saß der Antifaschist Nanuk ein halbes Jahr ohne Anklage in Untersuchungshaft in der JVA Berlin-Moabit. Er wurde am 21. Oktober 2024 von Zielfahndern des BKA sowie des LKA Sachsen festgenommen. Was wird ihm vorgeworfen?

Kim Leez: Nanuk wird beschuldigt, Unterstützer der Beschuldigten im »Antifa-Ost-Verfahren« um Lina E. zu sein, denen man die Bildung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nach Paragraf 129 Strafgesetzbuch infolge zahlreicher Angriffe auf Neonazis vorwirft. Man behauptet über Nanuk unter anderem, dass er Kampftrainer dieser Beschuldigten gewesen sei. Zudem soll er bei einem Angriff auf eine Burschenschaft und an einem Brandanschlag auf die Außenstelle des Bundesgerichtshofs in Leipzig beteiligt gewesen sein. Alle diese Vorwürfe stützen sich ausschließlich auf die Angaben des Vergewaltigers, Verräters, Kronzeugen im ersten »Antifa-Ost-Verfahren« Johannes Domhöver. Nanuk ist einer von vielen weiterlesen »

Betonung der Werte

geschrieben von Regina Girod

6. Mai 2025

80 Jahre nach der Befreiung: Antifaschismus gestern, heute und morgen

Seit mehr als 100 Jahren stellen sich in Europa antifaschistische Bewegungen dem Faschismus entgegen. Wer den Kampf heute führt, trägt so das Erbe von vier Generationen weiter. In dieser langen, von zwei Weltkriegen geprägten Periode haben große gesellschaftliche Umbrüche stattgefunden, doch bis jetzt ist die Gefahr faschistischer Entwicklungen nicht gebannt. 80 Jahre nach dem militärischen Sieg über den Hitlerfaschismus geht es noch immer darum zu verhindern, dass sich die Katastrophen des 20. Jahrhunderts wiederholen. Doch was heißt das für Antifaschistinnen und Antifaschisten heute? Was ist das Bleibende in unserer Bewegung, und was verändert sich? Betonung der Werte weiterlesen »

Diskurs statt Zurechtweisung!

6. Mai 2025

Zur Gedenkveranstaltung im Jahr 2025 in Buchenwald. Ein Gespräch mit Horst Gobrecht

antifa: Wie lange wird es Gedenkveranstaltungen wie die zum 80. Jahrestag der Selbstbefreiung des Konzentrationslagers Buchenwald am 6. April 2025 wohl noch geben?

Horst Gobrecht: Von der Selbstbefreiung durch die Häftlinge am 11. April 1945 wurde dieses Jahr in keiner Rede vor den offiziell geladenen Gästen und vor Hunderten angereisten Antifaschist*innen gesprochen. Nicht einmal der vielfältige und dauerhafte, aber auch opferreiche Widerstand der Gefangenen unter den widrigsten Bedingungen des allgegenwärtigen SS-Terrors war es offensichtlich wert, auch nur erwähnt zu werden. Unter solchen Vorzeichen können Gedenkveranstaltungen sicher noch lange stattfinden.

antifa: Ist das Buchenwald-spezifische Gedenken damit eher beendet?

H. G.: Nicht zwangsläufig. Wir erleben eigentlich schon seit Jahrzehnten, wie sich die Erinnerungskultur nicht nur mit der Erweiterung wissenschaftlicher Erkenntnisse über das KZ Buchenwald und die dort Gefangenen qualitativ verändert. Solche Gedenkveranstaltungen verlieren immer mehr den Charakter Diskurs statt Zurechtweisung! weiterlesen »

Kanonenfutter gesucht

geschrieben von Andreas Siegmund-Schultze

6. Mai 2025

Wehrpflicht: Bundeswehr-Anwerbeversuche haben es bei jungen Menschen schwer

Die lauten Töne um die Wiedereinführung einer Wehrpflicht in Deutschland werden, insbesondere seit die Große Koalition ausgemachte Sache ist und die USA ihre Unterstützung für die Ukraine weiter zurückfahren, immer ohrenbetäubender. Als Verstärker dieser Forderungen laufen sich neben den Befürworter:innen aus der Politik auch Interessenverbände der Bundeswehr, unzählige weitere Militärs und andere Bellizist:innen warm. Dazu passen das permanente Geraune von »Zeitenwende«, »Kriegstüchtigkeit« und ein Aufrüstungsblankoscheck der zukünftigen Koalition. Die Verteidigungsausgaben sollen so nach oben hin keine Grenze mehr haben. Kanonenfutter gesucht weiterlesen »

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