Überlieferungsverlust droht

geschrieben von Julia Hartung

11. Juli 2023

Masterarbeit zum Thema »Archive in der VVN-BdA«

»Archiv statt Deponie«: So titelt das Wuppertaler Hartmut-Meyer-Archiv auf einem seiner Flugblätter. Mit diesem öffentlichen Aufruf will es auf den drohenden Überlieferungsverlust innerhalb der VVN-BdA aufmerksam machen. Denn die Zeit läuft: Wertvolle Archivalien drohen unbrauchbar zu werden oder können nicht mehr identifiziert und zugeordnet werden. Überlieferungsverlust droht weiterlesen »

Bürgerschaftliches Engagement stört

geschrieben von Ulrich Schneider

11. Juli 2023

Emslandlager-Gedenken durch Ausgrenzung von DIZ gefährdet

Jede und jeder kennt das Lied »Die Moorsoldaten«, dennoch hat es in der alten BRD Jahrzehnte gedauert, bis endlich die Emslandlager und das KZ Esterwegen in den Blick der Öffentlichkeit kamen. Ein großer Anteil kam dabei dem Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager zu. 1985 wurde es gegründet, es erinnerte erstmals öffentlich an dieses Konglomerat aus frühen Lagern, Strafgefangenenlagern, Kriegsgefangenenlagern der Wehrmacht sowie Außenlagern des KZ Neuengamme. Ohne die Arbeit des DIZ, das wesentliche Unterstützung von Exhäftlingen und Angehörigen erfuhr, wäre die politische Debatte, die 2008 zur Gründung der Stiftung Gedenkstätte Esterwegen führte, nicht in Gang gekommen. Dem DIZ kommt das Verdienst zu, die Grundlage für die Einrichtung der Gedenkstätte am historischen Ort gelegt zu haben. 2011 verlegte das DIZ auf Einladung des Landkreises seinen Sitz von Papenburg in die neu eröffnete Gedenkstätte, deren Arbeit es nicht nur maßgeblich aufbaute, sondern bis heute auch durchführt. Bürgerschaftliches Engagement stört weiterlesen »

Antidot gegen Hetze

11. Juli 2023

Leserbrief zu »Ein Pulverfass«, antifa Mai/Juni 2023, Seite 12

Dank an Juliet Schnabel für ihre kritischen Anmerkungen zu einer leitmedialen Berichterstattung über den Massenmord an der religiösen Minderheit der Jehovas Zeugen in Hamburg, die in ihren extremsten Ausformungen tatsächlich bis zu »einer klassischen Opfer-Täter-Umkehrung« reichte, wie die Autorin anhand des Boulevardmediums Bild aufzeigt.

Als umso bedauerlicher erscheint uns daher, dass bestimmte Klischees, die mit der »Sekte« der Zeugen Jehovas verbunden sind, in einzelnen Passagen selbst dieses Artikels nicht hinterfragt bzw. sogar reproduziert werden. So wird der – richtige – Hinweis darauf, dass es sich bei dem Mörder nicht um einen gewöhnlichen Aussteiger handelte, verknüpft mit der These, seine »recht kurze Mitgliedschaft« erscheine »eher als ein Schritt innerhalb seines Radikalisierungsprozesses«. Ist die Religionsgemeinschaft, an der der Faschist seinen mörderischen Hass auslebte, also doch selbst ein bisschen faschismusaffin? Das Gegenteil ist der Fall, dies haben die Zeugen Jehovas auch und gerade unter dem Hitlerfaschismus von Beginn an in einer Geschlossenheit demonstriert, die ihresgleichen sucht. Einer Geschlossenheit, die sich aus einer prinzipiellen Unvereinbarkeit mit dem Totalitätsanspruch einer faschistischen Partei und Regierung ergab, dessen politisch-theologische Dimensionen sie kategorisch verwarfen, während allzu viele Angehörige der »säkularen« Mehrheitsgesellschaft sich ihm willfährig unterwarfen.

Jehovas Zeugen blieben standhaft, denn trotz Verfolgung und Ermordung verweigerten sie den Hitlergruß und ersetzten im Gegensatz zu führenden Repräsentanten der Großkirchen den Gott der Bibel nicht durch Hitler. Im Nationalsozialismus war der Hitlergruß überall, auf der Arbeit, in der Uni und der Schule, für alle eine tägliche Pflicht. Die Minderheit der Jehovas Zeugen aber blieb von Beginn an unbeugsam; für sie stand und steht auch heute noch fest: Rettung, also Heil, kommt nicht von Hitler, denn das Heil kommt nur vom Gott der Bibel.

In Anbetracht der Mordtat in Hamburg gilt es in antifaschistischer Perspektive, das Martyrium der Angehörigen dieser Gemeinschaft öffentlich in Erinnerung zu rufen – auch als Antidot gegen die »Sekten«hetze bestimmter großkirchlicher Institutionen, die sich ihrerseits ihrer Verantwortung für Frieden und Minderheitenschutz nicht mehr entziehen dürfen.   Danny Oestreich, Daniel L. Schikora

Als es keine Brandmauer gab

geschrieben von Maxi Schneider

11. Juli 2023

Querfront: Überlegungen zu historischen Fehlern und drohenden Wiederholungen

Die sogenannte Querfront spukt durch die politische Debatte. Während der Corona-Pandemie und anlässlich des russischen Einmarsches in die Ukraine, fanden politische Gruppen und soziopolitische Milieus zusammen, von denen man mehr Abstand zueinander erwarten würde. Rufe wurden laut, die Kategorien »links« und »rechts« seien überholt.

Gleichzeitig ist die extreme Rechte auf dem Vormarsch, während vonseiten der Ampelregierung an der Extremismusdoktrin festgehalten, die Gefahr des Linksextremismus betont und das Recht auf Asyl faktisch vollständig abgeschafft wird. Manche in der CDU wiederum versuchen, die AfD rechts zu überholen oder begeben sich auf kommunaler und Landesebene – trotz anderslautender Beteuerungen von der Bundesebene und interner Gegenstimmen – doch in den Bereich praktischer Zusammenarbeit mit Faschisten. Als es keine Brandmauer gab weiterlesen »

Kein Mensch ist asozial

geschrieben von Peter Nowak

11. Juli 2023

Nachruf auf Anne Allex, die Stichwortgeberin für solidarische Theorie und Praxis

»Unsere Weggefährtin Anne Alex ist gestorben. Sie war eine Kämpferin. Unsere Arbeit der Initiative hat sie viele Jahre solidarisch und kritisch begleitet.« Mit diesen Worten verabschiedete sich die »Initiative Gedenkort Konzentrationslager Uckermark« von einer am 28. April mit 64 Jahren verstorbenen Frau, die in den letzten Jahren für die Rechte von als asozial stigmatisierten Menschen eintrat. Dazu gehörten auch die jungen Frauen, die im deutschen Faschismus verschleppt wurden. Kein Mensch ist asozial weiterlesen »

Die Arbeit weiterführen

11. Juli 2023

Wie Erinnerung an NS-Verbrechen weitertragen? Interview mit Gisela Plessgott

antifa: Am 16. April, dem Jahrestag der Befreiung des KZ, fand in der Gedenkstätte Buchenwald erneut das »Treffen der Nachkommen« statt. Wie hast du dieses Zusammenkommen erlebt?

Gisela: Es war ein erfolgreiches Wochenende, mit viel Beteiligung. Die meisten sind nach wie vor Nachfahren von Verfolgten, aber Interessierte waren auch eingeladen. Inhaltlich ging es um den Völkermord an den Sinti und Roma, und Frank Reuter von der Forschungsstelle Antiziganismus der Uni Heidelberg hat seine Forschungen vorgestellt. Er sprach auch über die medizintechnischen »rassebiologischen« Folterungen und Morde durch die Nazis, mit denen die behauptete Minderwertigkeit belegt werden sollte. Das hat mich so niedergeschmettert. Außerdem hatten wir wieder eine Baumpflanzaktion, und nach der Veranstaltung auf dem Appellplatz – bei der es auch in diesem Jahr sehr gute Beiträge unter anderem von Naftali Fürst (1) und Jens-Christian Wagner2 ( )gab – fand unser jährliches Gedenken am Glockenturm statt. Allerdings haben wir das große Problem, dass wir uns nicht um den Nachwuchs gekümmert haben. Es rächt sich nun, dass die Buchenwalder immer unter sich geblieben sind. Wir brauchen dringend Engagierte, die die Arbeit weiterführen. Die Arbeit weiterführen weiterlesen »

Keine Überlebenschance

geschrieben von Janka Kluge

11. Juli 2023

Zu Unrecht fast vergessen: Die Aufstände von Jüdinnen und Juden in Treblinka und Sobibor vor 80 Jahren

Wenn von der Shoah die Rede ist, verbindet sich das in der Regel mit den Verbrechen im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Doch der Plan zur Vernichtung der Jüdinnen und Juden beschränkte sich nicht auf Auschwitz. Die Vernichtungslager Belzec, Sobibor und Treblinka gehörten ebenso zu bestialischen Bestandteilen des Massenverbrechenskomplexes der Nazis.

Im Oktober 1941 hatte Heinrich Himmler dem Polizei- und SS-Führer von Lublin, Odilo Globocnik, den Auftrag gegeben, alle jüdischen Menschen aus dem Generalgouvernement zu ermorden. Himmler hatte dabei »radikale Maßnahmen« gefordert. Die drei Lager befanden sich in abgeschiedenen Gegenden, die aber allesamt über einen Anschluss an das Schienennetz verfügten. In den eineinhalb Jahren zwischen März 1942 und Oktober 1943 wurden in den drei Vernichtungslagern mehr als 1,8 Millionen jüdischer Menschen ermordet. Die Vernichtungslager wurden von der Naziverwaltung mit der Bezeichnung »Reinhardt-Lager« zusammengefasst, nachdem Reinhard Heydrich im Mai 1942 bei einem Attentat in Prag 1942 ums Leben gekommen war. Als erstes wurde Belzec ausgesucht. Hier existierte zwischen Mai und Oktober 1940 bereits ein Zwangsarbeiterlager. Dadurch befand sich bereits ein Gleis mit einer Rampe vor Ort. Die beiden anderen Vernichtungsorte wurden kurz danach errichtet. In Sobibor begannen die Morde im Mai, in Treblinka im Juni 1942. Keine Überlebenschance weiterlesen »

»Wunderbar« oder »fremd«

geschrieben von Karl Forster

11. Juli 2023

Zur jüdischen Tradition und Gegenwart in Tunesien

»Bei einem Angriff vor der ältesten Synagoge Afrikas auf der tunesischen Insel Djerba sind mehrere Menschen getötet worden«, meldeten Anfang Mai deutsche Medien. Es folgten ein paar Details zum Anschlag. Jedoch keine Informationen zum Hintergrund und der Geschichte des Ereignisses, bei dem der Anschlag geschah.

Im vergangenen Jahr berichtete die Rosa-Luxemburg-Stiftung unter dem Titel »Vergessene Juden« über eine Konferenz des Jüdische Komitees der Stadt Nabeul (im Nordosten Tunesiens), die sich alten jüdischen Kulturorten wie Synagogen oder Friedhöfe in Tunesien widmete.

Tatsächlich lebten nach dem Zweiten Weltkrieg noch über 100.000 Juden in dem nordafrikanischen Land (mal wird auch eine Zahl von 140.000 oder sogar 200.000 genannt). Erst nach dem Sechstagekrieg 1967 verschlechterte sich die Situation zwischen Muslimen sowie Juden, und ein großer Teil der jüdischen Bevölkerung verließ das Land. Heute leben noch schätzungsweise 2.000 Juden in Tunesien, der größte Teil auf der Insel Djerba. »Wunderbar« oder »fremd« weiterlesen »

Verheerende Folgen

geschrieben von Ulrich Schneider

11. Juli 2023

Der Vormarsch der extremen Rechten in Europa bei den zurückliegenden Urnengängen

Parlamentswahlen sind Indikatoren für gesellschaftliche Einflussverhältnisse, selbst wenn sie manchmal kurzfristig von äußeren Faktoren beeinflusst werden, und Ausdruck der Machtverteilung zwischen den politischen Eliten. In diesem Sinne ändern die jeweiligen Wahlprozente wenig an den tatsächlichen Machtverhältnissen, sie sagen vielmehr etwas über die Integration der Bevölkerung in das jeweilige politische System. Diese Grunderkenntnis bestätigte sich auch bei den letzten politischen Wahlen in verschiedenen Ländern Europas. Dabei ist es auffällig, mit welcher Aufmerksamkeit die jeweiligen Wahlen durch viele bundesdeutsche Medien verfolgt wurden, zeigt es doch, welche politischen Interessen durch diese Wahlen berührt sind. Verheerende Folgen weiterlesen »

»Unbewohntes« Land?

geschrieben von Cornelia Kerth

11. Juli 2023

50 Jahre nach dem Putsch in Chile: Mapuche, deutsche Kolonisten und Landreform

Wer in Chile im »Kleinen Süden« zwischen Concepcion und Puerto Montt unterwegs ist, findet in Bäckereien und Cafés »Kuchenes« und »Strudel«, sieht in nahezu jeder Stadt eine »Deutsche Schule«, gelegentlich ein »Deutsches Haus« mit deutschtümelnder Gedenktafel und natürlich: »Kunstmann«-Bier. Als der »deutscheste aller chilenischen Orte« und zugleich eine der »idyllischsten Siedlungen Chiles« gilt Frutillar am Westufer des Lago Llanquihue. Der Name des Sees weist darauf hin, wo man sich befindet: in Wallmapu, dem Land der Mapuche, in deren Sprache Mapudungun »llanquyn-we« einen Ort bezeichnet, an dem man »ins Wasser eintauchen« kann.

Es ist kein Zufall, dass die meisten der rund 500.000 Deutsch-Chilenen im Land und auf dem Land der Mapuche leben und es ist auch kein Zufall, dass ihre »idyllischen« Häuser vom Wohlstand der Bewohner zeugen, während die oft windschiefen Behausungen der Mapuche zwischen Puerto Montt und Valdivia auf äußerste Armut schließen lassen. »Unbewohntes« Land? weiterlesen »

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