Antifaschistisch lehren

geschrieben von Evelyn Bernadette Mayr und Irene Willroider

9. November 2025

Foucaults Thesen für nicht-faschistisches Leben

Um das antifaschistische Leben zu leben, müssen wir unsere Körper dorthin bewegen, wo sie dem Faschismus tatsächlich etwas entgegensetzen können. Und wenn wir dort angekommen sind, müssen wir uns lange genug an diesen kleinen befreiten Raum klammern, damit andere ihn finden, sich anschließen und ebenfalls darin leben können. Die radikale Verteidigung des Menschlichen beginnt bei uns selbst (Paul Mason: Klare, lichte Zukunft, S. 375).

Gehen wir davon aus, dass Schule ein solcher befreiter Raum sein kann – oder es einmal war. Ich selbst wurde von Professor:innen der 68er-Generation unterrichtet, die in ihrer antifaschistischen Pädagogik bis heute Orientierung geben. Doch Räume verändern sich. Vieles, was lange als selbstverständlich galt, ist es nicht mehr. Erkämpfte Werte geraten unter Druck – global, aber auch innerhalb der EU. Selbst Menschenrechte werden wieder zur Verhandlungsmasse. Die Frage ist nicht nur, wie wir neue Räume schaffen, sondern: Wer hält bestehende aufrecht? Wer verteidigt sie?

Michel Foucault hat 1977 Thesen für ein nicht-faschistisches Leben formuliert. Ursprünglich als satirische Antwort auf den katholischen Moralkodex gedacht, entwickelten sich daraus ernsthafte Impulse für eine Ethik jenseits autoritärer Denkformen. Ihm ging es nicht nur um den offensichtlichen Rechtsradikalismus, sondern um die Strukturen des »alltäglichen« Faschismus: um jene Haltung, die uns Macht lieben lässt, die uns lieben lässt, was uns beherrscht. Antifaschistisch lehren weiterlesen »

Banalität des Männlichen

geschrieben von Peps Gutsche

9. November 2025

Manon Garcia analysiert die bedrückende Normalität sexualisierter Gewalt im Pelicot-Prozess

Der Fall ging international durch die Medien und machte Gisèle Pelicot für den Ausspruch »Die Scham muss die Seite wechseln« zu einer feministischen Ikone. Über viele Jahre hat ihr Mann sie unter Drogen gesetzt, vergewaltigt und sie online anderen Männern angeboten. Diese Taten filmte und dokumentierte er. Mehr als 80 weitere Männer beteiligten sich an dieser Form der Vergewaltigung, 50 von ihnen konnten identifiziert und im Gerichtsverfahren von Mazan im Jahr 2024 verurteilt werden.

Gisèle Pelicot forderte einen öffentlichen Prozess, auch wenn dies zur Folge hatte, dass die Zeugnisse der Gewalt gegen sie öffentlich gezeigt wurden. Manon Garcia, aktuell Professorin an der Freien Universität Berlin und eine der bekanntesten zeitgenössischen Philosophinnen Frankreichs, hat diesen Prozess beobachtet und verbindet ihre persönlichen Eindrücke mit der Analyse von sexualisierter Gewalt als Herrschaftsmittel im Patriarchat. Banalität des Männlichen weiterlesen »

Ausgabe September/Oktober 2025

6. September 2025

Unser Titelbild zeigt Majas Vater Wolfram Jarosch auf der Karlsbrücke in Prag. Hier war eine seiner Stationen eines 800 Kilometer langen Marsches von Dresden bis Budapest, mit dem er sich für eine Rückführung von Maja in die Bundesrepublik einsetzte. (Foto: privat)

Unser Titelbild zeigt Majas Vater Wolfram Jarosch auf der Karlsbrücke in Prag. Hier war eine seiner Stationen eines 800 Kilometer langen Marsches von Dresden bis Budapest, mit dem er sich für eine Rückführung von Maja in die Bundesrepublik einsetzte. (Foto: privat)

Ausgabe September/Oktober 2025

6. September 2025

5Zeitgeschehen

Die AfD im Kontinuum des Neofaschismus (Thomas Willms)
Zwischenbilanz zu antifaschistischen Mobilisierungen zu CSDs (Selina Arthur)
»Maja ist weiter in Isolation« (Interview mit Wolfram Jarosch)
Saskia Ludwig: Schnittstelle zwischen Konservatismus und extremer Rechter (Ulrich Peters)
Die rechte Stimmungsmache gegen die BVerfG-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf (Janka Kluge)
AfD-Militarismus nähert sich der Kanzlerpartei an (Ulrich Sander)
AfD gibt sich im Zuge von Diskussionen um Verbot einen Verhaltenskodex (Janka Kluge)
Unsere Meldungen (Ulrich Stuwe)
»We’ll Come United«-Karawane (red)
Freie Sachsen sind neben der AfD die größte Organisation der extremen Rechten im Freistaat (Kerstin Köditz)
Fashion against Fascism (Gerald Netzl)
Erste Videokonferenz von Redaktionen der FIR-Mitgliederzeitschriften (Ulrich Schneider)
Das Internationale Jugendtreffen in Buchenwald (Regina Girod)
Druck auf Regierung Israels (BSK-Erklärung)

Aus den Archiven
In Hamburg fand der 18. Workshop der »Archive von unten« statt (Julia Hartung)

Spezial
Der geschichtspolitische Angriff der AfD (Maxi Schneider)

Porträt
Vor 125 Jahren wurde Anna Seghers geboren (Maria Krüger)

Internationales
Kärnten/Koroška hat über 100 Orte, die an den Widerstand gegen Nazis erinnern (Elsa Logar, Milan Wutte und Jakob Holzer)
Polizeiüberfall auf Antifacamp auf Gelände der NS-Gedenkstätte Peršmanhof/Kärnten (Gespräch mit dem Klub Slowenischer Student*innen in Wien)

Geschichte
Queerfeindlichkeit und der Kampf gegen Sexualforschung im Nazireich und heute (Niklas Tretow)
Die biografischen Erinnerungen von Heinz Junge (Ulrich Schneider)
Polizist Bruno Meyer wollte Etkar André und Fiete Schulze aus Naziknast holen (Detlef Grumbach)

Kultur
Die Holocaustüberlebende Anita Lasker-Wallfisch wurde jüngst 100 (Harry Friebel)
Narthex zu regressiven Erscheinungen, Strategien, Taktiken und Grundlagen (Ulrich Stuwe)
Die Geschichte der schwäbisch-jüdischen Familie Moos in einer Autobiografie (Erika Weisser)
Pastasciutta antifascista: Erinnerung an den Sturz des Faschismus 1943 in Italien (ANPI Berlin-Brandenburg)
Ein Film erinnert an die Opfer des Anschlags in Mölln 1992 (Gespräch mit der Regisseurin Martina Priessner)
Perspektive Ost: Demokratische Praxis sichtbar machen (Nils Becker)
Der Debütfilm »Rote Sterne überm Feld« (Gespräch mit der Regisseurin Laura Laabs)
Patriarchat-Ultras: Sogenannte Kulturkämpfe oder auch Gesinnungstheater von rechts (Muerbe u. Droege)
Sachbuchcomic stellt Vorstellungen von prähistorischen Geschlechterrollen infrage (Sophia Hirsch)

Editorial von Nils Becker

In diesen Tagen wurde das neue Wehrpflichtgesetz vom Verteidigungsministerium vorgestellt. Demnach müssen alle, die nach 2007 geboren sind und einen männlichen Geschlechtseintrag haben, mit der Vollendung ihres 18. Lebensjahres einen Fragebogen ausfüllen – eine Art Vorauswahl zur Musterung. Ab 2027 wird die darauf folgende Musterung auch zur Pflicht. Die dabei erhobenen Daten über den Zustand der Wehrfähigen sind aufgrund der Notstandsrelevanz (der sogenannte Spannungs- oder Verteidigungsfall) besonders geschützt. Von der Freiwilligkeit, die 2024 von Minister Pistorius noch hochgehalten wurde, ist nichts mehr übrig. Das auch, um den Absprachen auf dem Nato-Gipfel im Juni gerecht zu werden. Demnach muss die Bundeswehr 260.000 aktive Soldat*innen und 200.000 Reservist*innen vorhalten. Neben aktuell noch vielen Ausnahmen von der Musterung wird für das Gros der Fragebogen-, Musterungs- bzw. Wehrpflichtigen die klassische Kriegsdienstverweigerung, mit all ihren Konsequenzen, die einzige Möglichkeit sein, sich dieser »Zeitenwende« zu entziehen.

Damit es gar nicht zu weiteren Einsätzen der Bundeswehr kommt, erstarkt die Friedensbewegung gerade. Das Aktionsbündnis »Rheinmetall Entwaffnen«, das mit der Parole »Verweigern wir uns dem Kriegsregime« ihr Camp Ende August in Köln bewarb, macht vor, worauf wir uns da einstellen können. Das Camp und die Demo musste in zweiter Instanz gerichtlich durchgesetzt werden. Vier gut gemachte Aktionen – u.a. eine Demo am Wohnhaus des Rheinmetall-Chefs Armin Papperger und die Blockade eines Bundeswehrgebäudes – sorgten für so viel Publicity, dass die Polizei die Abschlussdemo in Köln angriff (Veranstalter zählten 150 Verletzte) und stundenlang einkesselte. Über 500 Personalien von Demonstrierenden wurden erfasst. Als Gründe wurden die Missachtung von Auflagen und Angriffe auf Polizeibeamte genannt. Das Komitee für Grundrechte sieht in der Zerschlagung der Demo nicht nur einen Akt der Repression, sondern auch die Bemühung, die Aktionsformen des zivilen Ungehorsams – mehr macht das Bündnis ja nicht – als besonders unfriedlich darzustellen. Eine Warnung an alle, die sich mit den Protesten solidarisieren, sich der Kriegstüchtigkeit widersetzen oder sie praktisch herausfordern.

Vorväter der AfD

geschrieben von Thomas Willms

6. September 2025

Die AfD im Kontinuum des Neofaschismus

Politische Strategien entstehen nicht im luftleeren Raum. Sie sind das Werk einzelner Akteure, nicht gesichtsloser Parteiapparate. Da ist die extreme Rechte nicht anders als andere politische Bewegungen. In letzter Zeit sind mit Horst Mahler und Udo Voigt zwei Persönlichkeiten dieser Strömung verstorben, die mit ihrem Denken und Handeln ihre eigene Szene prägen wollten. Mahler hielt sich für wichtiger, als er war, Voigt war wichtiger, als er tat. Beide sind gescheitert; Mahler auf niedrigem, Voigt auf hohem Niveau. Aus beider Scheitern wurden Lehren gezogen, die uns die AfD eingebrockt haben. Vorväter der AfD weiterlesen »

Ein Lichtblick

geschrieben von Selina Arthur

6. September 2025

Zwischenbilanz zu antifaschistischen Mobilisierungen zu CSDs

Antifamobilisierungen rund um CSDs sind dieses Jahr sehr erfolgreich. Schon seit letztem Sommer beobachteten wir von Indymedia bis tagesschau eine massive Solidarität mit den von Rechten bedrohten Prides. Ob nun in Bautzen, Luckenwalde oder Budapest sind viele Menschen aktuell bereit, die Angriffe auf die CSDs nicht einfach so durchgehen zu lassen. Da zeigt sich, dass queere Menschen Teil jeder Bewegung und überall vertreten sind: in Gewerkschaften, Antifagruppen, Schulen und Jugendzentren. Sie haben die aktuellen Entwicklungen genau im Blick. Ein Lichtblick weiterlesen »

Maja ist weiter in Isolation

6. September 2025

Vater setzt sich für Überstellung von Maja T. in BRD ein. Gespräch mit Wolfram Jarosch

antifa: Du forderst als Vater von Maja T., dass dein aktuell in Ungarn in einem Haftkrankenhaus gut 200 Kilometer von Budapest entfernt inhaftiertes 24jähriges Kind nach Deutschland überstellt wird. Wie sehen die Bedingungen für Maja aktuell aus?

Wolfram Jarosch: Es ist nach wie vor so, dass sich Maja in Isolationshaft befindet – das änderte sich also auch nicht nach der Überführung ins Haftkrankenhaus, das nahe der rumänischen Grenze liegt. Es gibt winzige kosmetische Erleichterungen, die recht wahllos auch wieder zurückgenommen werden. Maja bekam zum Beispiel mal einen Ungarisch-Kurs oder war vereinzelt mit anderen auf einem gemeinsamen Hofgang. Das sah dann so aus, dass sich einige Gefangene in Käfigen von vielleicht sechs mal sechs Metern aufhalten dürfen, quasi wie im Zoo. In Majas Nachbarkäfig waren vier Leute aus einer anderen Zelle, von denen sich einer dann mit Maja auf Englisch unterhalten hat. Maja ist weiter in Isolation weiterlesen »

Nicht einzelne »Fehltritte«

geschrieben von Ulrich Peters

6. September 2025

Saskia Ludwig: Schnittstelle zwischen Konservatismus und extremer Rechter

Die Abgeordnete der CDU-Bundestagsfraktion Saskia Ludwig steht seit einigen Wochen in der Kritik wegen ihrer aktiven Beteiligung an der Kampagne gegen die Berufung der von der SPD vorgeschlagenen Juristin Frauke Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin (siehe Seite 7) sowie der Teilnahme an einer Veranstaltung der rechten ungarischen Denkfabrik »Mathias Corvinus Collegium« (MCC) Anfang August. Ein Blick auf das politische Wirken von Ludwig verdeutlicht, dass es sich hierbei nicht um einzelne »Fehltritte« handelt, sondern Ergebnis einer seit Jahren gewachsenen Nähe zur rechten und verschwörungsideologischen Szene ist (siehe Spalte). Nicht einzelne »Fehltritte« weiterlesen »

Eine Kampagne wie aus dem Lehrbuch

geschrieben von Janka Kluge

6. September 2025

Die rechte Stimmungsmache gegen die BVerfG-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf

Die Wahl von Verfassungsrichter:innen ist eine komplexe Angelegenheit. Die im Bundestag vertretenen Parteien haben das Recht, Kandidat:innen vorzuschlagen. Der Richterwahlausschuss entscheidet in geheimer Wahl über die Besetzungen. Im Juni standen erneut Wahlen für das Bundesverfassungsgericht an.

Die von der SPD nominierte Frauke Brosius-Gersdorf sah sich kurz darauf einer regelrechten antifeministischen Schmutzkampagne ausgesetzt. Die Professorin an der Universität Potsdam arbeitete unter anderem in der von der Ampel eingesetzten »Kommission zu reproduktiver Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin« mit. Eine Kampagne wie aus dem Lehrbuch weiterlesen »

Lob für CDU-Kriegspolitik

geschrieben von Ulrich Sander

6. September 2025

AfD-Militarismus nähert sich der Kanzlerpartei an

Aus der sich oft als Antikriegspartei ausgebenden AfD klingt es derzeit wie aus dem Regierungslager: »Die Weltlage verändert sich rasant, Europa arbeitet an einer eigenen – von den USA unabhängigen – Sicherheitsarchitektur«, so beginnt ein Beitrag des Spiegel mit der Überschrift »AfD-Politiker fordern Atomwaffen für Deutschland«.

Bereits in den ersten Verteidigungspolitischen Richtlinien nach dem Anschluss der DDR an die Bundesrepublik, verfasst vom damaligen Bundeswehr-Generalinspekteur Klaus Naumann, wurde die »nationale Interessenlage« Deutschlands ins Zentrum der Sicherheitspolitik des neuen Deutschlands gerückt. Von Naumann stammt der Satz: »Es gibt zwei Währungen in der Welt: wirtschaftliche Macht und die militärischen Mittel, sie durchzusetzen« (laut Spiegel 3/93). Zu seiner Zeit wurde der Kampf gegen die Migration zum Thema von Verteidigungspolitischen Richtlinien und der »Information für die Truppe« gemacht: »Zunehmende Migrationsbewegungen« wirkten sich auf die deutsche Sicherheit aus. Zudem wurde das Vorgehen gemeinsam mit der Polizei und den Reservisten gegen »innere Feinde« zur Aufgabenstellung. Naumann hat vergeblich versucht, ständiger Teilnehmer bei Kabinettssitzungen der Regierung zu werden. Doch er begründete erfolgreich das Streben nach direkter Einflussnahme der Generalität auf die Politik. Lob für CDU-Kriegspolitik weiterlesen »

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