Zur Weltveränderung

geschrieben von Peps Gutsche

29. April 2023

Feministische Theorie als Ansage für den Umsturz. Ein Essayband vom Kollektiv MF 3000

Titel und Untertitel dieses Buches zeigen den kämpferischen Aspekt, der sich durch den kleinen Band zieht, bereits auf. Angelehnt an ein Zitat von Bertolt Brecht wird nicht das Individuum, sondern das unbestimmte feministische Kollektiv angesprochen, denn politische Kämpfe gelingen nur gemeinsam. Das Kollektiv MF 3000 verbindet dabei unterschiedliche linke Perspektiven, von Gewerkschafts- über Parteipolitik hin zu autonomer Organisierung. Zur Weltveränderung weiterlesen »

Das unbekannte Wesen

geschrieben von Bernd Kant

29. April 2023

Richard Rohrmosers »Antifa«-Buch: Hohe Ansprüche, banal in der Umsetzung

Im vergangenen Jahr veröffentlichte der renommierte C.-H.-Beck-Verlag unter dem anspruchsvollen Titel »Antifa – Porträt einer linksradikalen Bewegung« eine 200-seitige Veröffentlichung von Richard Rohrmoser.

Tatsächlich geht es Rohrmoser um sein Bild von »zivilgesellschaftlichem Engagement und radikaler Gewaltbereitschaft«, die er bei der Antifa heute sieht. Zum Verfasser heißt es, er sei Forscher zu Protestbewegungen und promovierter Zeithistoriker – »derzeit im Gymnasialdienst tätig«. Er ist also Lehrer. Ist das nicht »akademisch« genug? Das unbekannte Wesen weiterlesen »

Aufräumen mit einem Mythos

geschrieben von Christian von Gélieu

29. April 2023

Garantin einer rechtsstaatlichen Ordnung? Zwei Bücher zur Polizei

Keine staatliche Institution besitzt bei regelmäßigen Umfragen ein höheres Ansehen als die Polizei. Dennoch werden die Berufsverbände der Polizist*innen nicht müde zu beklagen, dass der Polizei nicht mit der genügenden Achtung begegnet wird und bedauerliches Fehlverhalten einzelner Beamt*innen zu einem Generalverdacht gegen die Polizei aufgebauscht werde. Dabei, so besonders die beiden großen Berufsverbände GdP und DPolG, bilde die Polizei doch jene »dünne blaue Linie«, die zwischen der rechtsstaatlichen Ordnung und dem Chaos stünde. Aufräumen mit einem Mythos weiterlesen »

Skrupulös komponiert

geschrieben von Janka Kluge

29. April 2023

Hans-Albert Walters Anthologie über deutsche Exilliteratur

Die Wissenschaftliche Buchgesellschaft (wbg) hat eine herausragende Anthologie über die deutsche Exilliteratur herausgegeben. Die drei Bände umfassende Sammlung mit Texten, die der Literaturwissenschaftler Hans-Albert Walter ursprünglich bereits 1999 im Verlag der Büchergilde veröffentlichen wollte, sollte den Abschluss der von ihm herausgegebenen Bibliothek der Exilliteratur bilden. Leider ist es zu der Veröffentlichung damals nicht gekommen. Skrupulös komponiert weiterlesen »

Ausgabe März/April 2023

geschrieben von Nils Becker

9. März 2023

Am 22.Februar entschied das Bundesverfassungsgericht, dass es keine neuen Ermittlungen wegen des Todes von -Oury Jalloh geben wird. Er war 2005 in einer Dessauer Polizeizelle, gefesselt an Händen und Füßen, verbrannt. Die Umstände bleiben weiterhin ungeklärt. Das Bild zeigt die diesjährige Demonstration an seinem Todestag 7. Januar (Foto: Umbruch-Bildarchiv)

Am 22.Februar entschied das Bundesverfassungsgericht, dass es keine neuen Ermittlungen wegen des Todes von -Oury Jalloh geben wird. Er war 2005 in einer Dessauer Polizeizelle, gefesselt an Händen und Füßen, verbrannt. Die Umstände bleiben weiterhin ungeklärt. Das Bild zeigt die diesjährige Demonstration an seinem Todestag 7. Januar (Foto: Umbruch-Bildarchiv)

Hauptthema dieser Ausgabe sind die lange Zeit verleugneten Opfer des NS, deren späte Anerkennung und die Konsequenzen, die daraus gezogen wurden (S. 3, S. 15, S. 32). Denn auch das Wissen darum, wie Diskriminierung und Verachtung nach 1945 fortlebt, sorgt noch nicht für die Beseitigung. Exemplarisch wird das in unserem Spezial deutlich, das sich mit dem vor eineinhalb Jahren erschienenen Antiziganismusbericht beschäftigt.

Zweites drängendes Thema ist der Ukrainekrieg. Ein Jahr dauert der nun schon, und die Opfer gehen in die Hunderttausenden (genaue Zahlen kennt niemand). Betroffen sind Millionen. Dass das gestoppt werden muss, ist allen klar. Aber zu welchen Bedingungen und mit welchen langfristigen Folgen – das scheint nicht so eindeutig. Eine nie dagewesene Uneinigkeit, hat auch unseren Verband erfasst. Was wir aktuell tun können, ist den Diskussionen dazu einen konstruktiven Rahmen zu geben. Das geschieht lokal auf Veranstaltungen (z. B. im Länderteil nachzulesen), auf einer internen Friedenskonferenz und auf größeren Online-Veranstaltungen, die sehr viele Menschen erreichen können. Einigkeit besteht darin, dass wir uns als VVN an friedenspolitischen Protesten beteiligen, die sich klar gegen rechts abgrenzen. Dass diese Abgrenzung funktionieren kann, zeigten jüngst die Demonstrationen gegen die »Münchner Sicherheitskonferenz«.

1933, das Jahr der Machtübergabe, ist 90 Jahre her. Auch darüber gibt es mehr zu sagen. Mehrere Beiträge beleuchten Einzelaspekte und wie diese Geschichte in all ihren Facetten (z. B. S. 13 zur bis heute nicht abschließend erfolgten juristischen Aufarbeitung) noch vermittelbar ist. Eine Ahung davon zu haben, wie es zur Durchsetzung des Faschismus in Deutschland kam – ist eine Notwendigkeit, um dem »Nie wieder« Rechnung tragen zu können. Die aktuellen Bedrohungen von rechts entsprechend analysieren und einordnen zu können, ist die eine Seite dieses Kampfes, zu der wir gern Hilfestellung geben. Dagegen dann aber auch gemeinsam aktiv zu werden, ist eine andere. Auch darüber muss mehr und intensiver gesprochen werden.

Inhalt

Zeitgeschehen
Niemanden auslassen – Erinnerung an queere NS-Opfer im Bundestag (Janka Kluge)
Rechtsterror bleibt unbestraft (Ferat Koçak)
In der Fläche verankert – Neonazistrukturen in Mecklenburg-Vorpommern (Interview von Axel Holz mit Mitch Dailey, RAA)
Divers aufstellen – Zur Erinnerungskultur in der postmigrantischen Gesellschaft (Interview von Maxi Schneider mit Denise Torres, VVN-BdA)
Kräfteverhältnisse verschoben – drei Jahre nach dem Attentat in Hanau (Saadet Sönmez)
Dem Frieden zugewandt? – Wie »dieBasis« versucht, neue Themen zu besetzen (Ulrich Peters)
In Richtung Finanzierung – Verfassungsgericht urteilt zur Desiderius-Erasmus-Stiftung (Gerd Wiegel)
Antisemitismus blüht mit Hilfe der Justiz (Bernadette und Joachim Gottschalk)
Meldungen (Ulrich Stuwe)
Rechtsterrorismus benennen – Zum versuchten Anschlag an einer Essener Schule (Paul Schmittker)
Zuviel und Zuwenig – Vor 70 Jahren wurde die VVN in der DDR verboten (Kristin Caspary)
Wegen Beihilfe … – Die juristische Aufarbeitung der NS-Verbrechen bleibt lückenhaft (Christian von Gélieu)
Der grüne und der schwarze Winkel – Zur Gründungsversammlung des »Verbandes für das Erinnern an die verleugneten Opfer im NS« (Nicole Kaczmarek)

Aus den Archiven
Überlieferung ermöglichen – Archivsache: Zeitzeug:innen-Interviews auf Audiokassetten (Mecki und Julia Hartung)

Spezial
Bisher kaum Konsequenzen – Zum Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus, der im Juni 2021 erschien (Cornelia Kerth)
Man spricht immer von Teilhabe … (Interview von Andreas Siegmund-Schultze mit Arnold Weiß, Landesverein der Sinti in Hamburg e. V.)

Porträt
Statt eines Nachrufs – Zum Tod des Anwalts und Autors Heinrich Hannover, 1925–2023 (Kurt Nelhiebel)

Geschichte
Nach dem Reichstagsbrand – Der Weg ins Dritte Reich, Teil 4 (Ulrich Schneider)
Gesinnungsprognose – Zu 90 Jahren »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« (Michael Csaszkoczy)
Schutz der Republik – Gründung des Republikanischen Schutzbunds vor 100 Jahren (Gerald Netzl)

Internationales
Offene Diskriminierung – Polnischer Antisemitismus in den 1920er- und 1930er-Jahren (Anna Styczyńska)
Ersatzveranstaltungen – NS-verherrlichende Gedenkveranstaltungen in Budapest und Sofia (Florian Gutsche)
Festung Österreich – Wie sich auch in der Alpenrepublik der Rassismus breit macht (Heide Hammer/Diana Leah Mosser)

Kultur
Objekte der Forschung – Die Verbände der Überlebenden des NS werden immer interessanter (Ulrich Schneider)
Esthers Vermächtnis – Ihr letzte Interview gab sie zwei Studenten (Janka Kluge)
Vertrauen zerstören (Interview von Nils Becker mit Reiner Schneider von der Kampagne Entnazifizierung.Jetzt)
Piratin mit rotem Winkel – Eine Doku über zwei Frauen, die sich im KZ Ravensbrück lieben lernten (Hannah Geiger)
Pfadabhängigkeiten – Über den Paradigmenwechsel in der deutschen Rüstungsindustrie (Sebastian Schröder)
Darüber Sprechen – In einem Antifa-Jugendroman geht es vor allem um das Kommunizieren (Markus Roth)
Imaginierte Gefahr – Im Eliten-Diskurs geht die Angst um, gecanceld zu werden (Peps Gutsche)
Faschismus und Struktur – Sammelband zum 70. Geburtstag von Volkmar Wölk (Christian Meyer)

Niemanden auslassen

geschrieben von Janka Kluge

9. März 2023

Erinnerung an queere Opfer im Bundestag

1997 fand zum ersten Mal eine Gedenkstunde im Bundestag zur Erinnerung an die Opfer des Holocaust statt. Im Mittelpunkt stand dabei das Leid jüdischer Menschen. Im Laufe der Jahre wurde die Erinnerung im Bundestag um andere Opfergruppen erweitert. 2011 sprach Zoni Weisz als Vertreter der Sinti und Roma, 2017 Sigrid Falkenstein und Hartmut Traub als Angehörige von Menschen mit Behinderung, die im Rahmen der Aktion T4 ermordet wurden.

In diesem Jahr wurde zum ersten Mal an die schwulen und lesbischen Männer und Frauen sowie an die verfolgten trans Menschen erinnert. Unter trans Menschen versteht man Menschen, die in ihrem biologischen Geschlecht nicht leben können, weil sie sich dem anderen Geschlecht zugehörig fühlen. Die Holocaustüberlebende Rozetta Kats hat in einer bewegenden Rede daran appelliert, keine Opfer auszulassen und an alle von den Nazis verfolgten Menschen zu erinnern. Sie gehört zusammen mit dem Schriftsteller Lutz van Dijk zu denen, die sich über Jahre für eine Gedenkfeier im Bundestag eingesetzt haben. Jannik Schümann hat an Karl Gorath erinnert und Maren Kroymann die Biografie von Mary Pünjer vorgestellt. Musikalisch wurde die Gedenkfeier von der Chansonsängerin Georgette Dee umrahmt. Niemanden auslassen weiterlesen »

Rechtsterror bleibt unbestraft

geschrieben von Ferat Koçak

9. März 2023

Urteile im Neukölln-Komplex

Im Prozess gegen die Hauptverdächtigen der rechten Terrorserie in Berlin-Neukölln sind Urteile gegen die Neonazis Sebastian Thom und Tilo Paulenz gefallen. Beide wurden freigesprochen zu den Brandanschlägen. Nachgewiesen werden konnten Thom lediglich die Verwendung verfassungswidriger Symbole und Morddrohungen an Hauswänden von Antifaschist*innen. Diese auch nur deswegen, weil ein Antifaschist von den Behörden überwacht wurde. Ein Rechter wird verurteilt, weil ein Linker überwacht wird. Das Gericht hat alle Indizien, die auf ein rechtes Netzwerk hindeuten, ignoriert und sich auf zwei Einzeltäter konzentriert. Alle Beweisanträge meiner Anwältin, insbesondere zu den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes, wurden abgelehnt. Rechtsterror bleibt unbestraft weiterlesen »

In der Fläche verankert

9. März 2023

Neonazistrukturen in Mecklenburg-Vorpommern

antifa: Wie haben sich die Neonazistrukturen seit dem Auszug der NPD aus dem Landtag in Mecklenburg-Vorpommern verändert?

Mitch Dailey: Völkische Siedler*innen und andere Rechtsextreme agieren in MV zunehmend aus dem Hintergrund, finden im ländlichen Raum günstigen Wohnraum, können Strukturen und ideo-logische Netzwerke aufbauen und werben gezielt neue Mitglieder an. Die Strategie der rechten Szenen ist es, bürgerlich zu wirken und die ländlichen Strukturen zu unterwandern, beispielsweise durch die Organisation von Dorffesten, Sommer- und Jugendcamps, in der freiwilligen Feuerwehr oder sogar im Rahmen pädagogischer Arbeit. Angeworben wird in den letzten Jahren nicht mehr nur in den lokalen Strukturen vor Ort. Auch im Internet werden neue Personen in den ländlichen Raum gelockt. Insbesondere die Enthüllung rund um das Nordkreuz-Netzwerk hat gezeigt, dass die rechten Akteur*innen sehr aktiv sind, insbesondere im militanten Prepper/Doomer-Milieu Waffen und Munition horten und eine Lauerstellung eingenommen haben. In der Fläche verankert weiterlesen »

Divers aufstellen

9. März 2023

Interview zur Erinnerungskultur in der postmigrantischen Gesellschaft

antifa: Rassismus ist ein Problem, das die gesamte Gesellschaft durchzieht. Auch Erinnerungskultur und Gedenken sind davon nicht immer ausgenommen. Wie nimmst du das in deinem politischen Alltag wahr?

Denise: Rassismus gibt es auch bei Gedenkveranstaltungen. Ich erinnere mich an eine Veranstaltung hier in Frankfurt anlässlich des 9. Novembers, als ich der Einladung einer lokalen Erinnerungsinitiative gefolgt bin und von einer Person weggeschickt wurde, weil sie meinte, ich sei Muslima und hätte dort nichts zu suchen. Auf meine Frage, wie sie darauf komme, meinte sie »Ja, das sieht man ja!« und unterstellte mir Antisemitismus. Da kamen mehrere Aspekte von Stigmatisierung und Diskriminierung zusammen, insbesondere der antimuslimische Rassismus. Kürzlich gab es bei den Protesten gegen die Querdenker einen Vorfall. Dieses Mal traf es eine Freundin von mir. Sie ist Muslima und trägt ein Kopftuch. Sie ist politisch sehr aktiv und seit kurzem Mitglied bei uns. Sie war stolz, weil sie zum ersten Mal die VVN-BdA-Fahne trug. Doch aus dem Gegenprotest heraus, also von unseren Leuten, wurde ihr gesagt: »Was hast du denn mit der VVN zu tun? Warum trägst du die Fahne?« Wir haben entgegnet, dass das eine unverschämte Frage ist, und mir war wichtig zu ergänzen: »Die VVN-BdA ist vielleicht in deinem Blickwinkel eine rein deutsche und weiße Vereinigung. Nur: Wir sind nur deshalb 75 Jahre alt geworden, weil wir uns verändert haben.« Divers aufstellen weiterlesen »

Kräfteverhältnisse verschoben

geschrieben von Saadet Sönmez

9. März 2023

Zum Untersuchungsausschuss drei Jahre nach dem Attentat in Hanau

Drei Jahre sind seit dem einschneidenden rechten Terroranschlag am 19. Februar in Hanau (Hessen) vergangen. Anders als nach den Morden des NSU waren die Stimmen der Überlebenden und der Angehörigen bereits nach wenigen Wochen in der Öffentlichkeit zu vernehmen. Unter anderem mit Hilfe der »Initiative 19. Februar« wurden sie zu einem politischen Subjekt, welches Aufklärung und politische Konsequenzen vernehmlich einfordert. Dass erneut so vielfältig am 3. Jahrestag an die Opfer erinnert wurde, ist vor allem ein politischer Erfolg der Angehörigen und der Überlebenden, von migrantischen Organisationen und antirassistischen Initiativen. Kräfteverhältnisse verschoben weiterlesen »

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