Vertrauen zerstören

9. März 2023

Interview mit Reiner Schneider von der Kampagne Entnazifizierung.Jetzt

atifa: Euer Projekt gibt es nun seit zweieinhalb Jahren. Ihr habt 850 rechte oder rassistische Vorfälle bei den deutschen Sicherheitsbehörden gesammelt, um zu unterstreichen, dass es keine Einzelfälle sind. Was sind eure Erkenntnisse darüber hinaus? Was hat euch überrascht? Gab es zum Beispiel regionale Unterschiede, besondere Netzwerke zum Beispiel mit der AfD? Vertrauen zerstören weiterlesen »

Piratin mit rotem Winkel

geschrieben von Hannah Geiger

9. März 2023

Eine Doku über zwei Frauen, die sich im KZ Ravensbrück lieben lernten

Die Kamera schwenkt über erschöpfte Gesichter zahlreicher Frauen in gestreifter Häftlingskleidung, einige lächeln erleichtert und winken. Es sind befreite Häftlinge aus den Konzentrations-lagern, die nach Jahren der Gefangenschaft am 28. April 1945 im Hafen von Malmö ankommen.

Die Ankunft wurde einst von schwedischen Nachrichtenfotografen gefilmt, Schwarz-Weiß-Aufnahmen eines historischen Moments. Der schwedische Regisseur Magnus Gertten hat eine Filmtrilogie daraus gemacht, »Harbour of Hope« (2011), »Every Face Has a Name« (2015) und »Nelly & Nadine« (2022). Mit dem letzten Teil erreichte Gertten internationale Aufmerksamkeit, der Dokumentarfilm feierte bei der Berlinale 2022 Premiere und wurde mit einem Teddy-Award ausgezeichnet. Piratin mit rotem Winkel weiterlesen »

Pfadabhängigkeiten

geschrieben von Sebastian Schröder

9. März 2023

Über den Paradigmenwechsel in der deutschen Rüstungsindustrie

Olivier Kempf analysiert in der aktuellen Le Monde Diplomatique den Krieg in der Ukraine als Kampf gleichwertig ausgerüsteter Gegner in einem »symetrischen Krieg«, geführt auch mit den Waffen des 21. Jahrhunderts. Der Einsatz von Drohnen und Satelliten zu elektronischer Kampfführung führt zum Stellungskrieg und zur Materialschlacht, zum Kräftegleichgewicht ohne überlegene Seite. Die Handlungen des Gegners sind durch die intensive Aufklärung bekannt, im Krieg in der Ukraine gibt es keine militärischen Überraschungen.

Auf eine qualitativ neue Stufe möchten die -NATO und die EU ihre Armeen seit 2012 heben: Sie streben eine massive Überlegenheit durch die komplette digitale Vernetzung zusammen mit modernster Waffentechnik an. Die angestrebte Überlegenheit würde in letzter Konsequenz Unbesiegbarkeit bedeuten, da die digitalisierten NATO-Armeen dem Gegner immer mehrere Schritte voraus wären. Pfadabhängigkeiten weiterlesen »

Darüber Sprechen

geschrieben von Markus Roth

9. März 2023

In einem Antifa-Jugendroman geht es vor allem um das Kommunizieren

Seit November erscheint wöchentlich im Autonomie-Magazin (nur online) jeweils ein Kapitel einer vielschichtigen »Coming of Age«-Geschichte rund um eine antifaschistische Schüler*innengruppe aus Wiesbaden. Wie üblich in solchen Entwicklungsromanen, deren jugendliche Hauptfiguren mit sich und der Welt ringen, geht es auch hier um viele »erste Male«: Liebe, verletzte Gefühle, Schlägereien, Männlichkeitsgehabe, Überschwang und Unverständnis der (Erwachsenen-)Welt gegenüber. Dieses Erwachsenwerden findet in einem politisch sehr aufgeladenen Umfeld statt. Darüber Sprechen weiterlesen »

Imaginierte Gefahr

geschrieben von Peps Gutsche

9. März 2023

Im Eliten-Diskurs geht die Angst um, gecanceld zu werden

Adrian Daub beschäftigt sich in dem vorliegenden Buch mit dem in deutschsprachigen Feuilletons so beliebten Scheinphänomen der Cancel Culture. Der Professor für vergleichende Literaturwissenschaften an der Universität Stanford bringt mit »Cancel Culture Transfer. Wie eine moralische Panik die Welt erfasst« seine Sorge zum Ausdruck, dass oft selektiv argumentiert wird, wenn es um Cancel Culture geht – und es ein Aufjammern derer ist, deren Reden ohnehin breiteres Gehör finden. Imaginierte Gefahr weiterlesen »

Faschismus und Struktur

geschrieben von Christian Meyer

9. März 2023

Sammelband zum 70. Geburtstag von Volkmar Wölk

17 Beiträge versammelt der neue Band »Rechte Ränder. Faschismus, Gesellschaft und Staat« und deckt dabei bekannte und eher randständige Ausprägungen der extremen Rechten ab. Eine Einleitung stellt den Jubilar vor und führt kurz in die Beiträge ein. Diese sind mal stärker analytisch, mal mehr deskriptiv, mal akademisch, mal journalistisch. Die Herausgeber und Autor_innen kennen Volkmar Wölk aus unterschiedlichen Kontexten und bekennen, er habe ihnen »mit Kritik und Material immer wieder Appetit auf Themen gemacht«. Und so sind auch die Beiträge in der Nähe von Wölks Interessenschwerpunkten. Faschismus und Struktur weiterlesen »

Ausgabe Januar/Februar 2023

geschrieben von Nils Becker

7. Januar 2023

»Wir leben in einer Epoche des Gegenwinds«, ließ Bundespräsident Steinmeier schon vor zwei Monaten in seiner Grundsatzrede zum Ukrainekrieg verlautbaren. Bereits seit März letzten Jahres wird auf »raue Zeiten« und tiefe Einschnitte vorbereitet, um dem Anspruchsdenken der Bürger*innen gegenüber der Politik zu begegnen. Gelockt wird mit einer neuen nationalen Souveränität und Widerstandsfähigkeit – der »Krieg als Chance« sozusagen.

Statt sich über die Folgen der Inflation, den Zustand des Gesundheitssystems oder den deutschen Beitrag zum Klimawandel zu beschweren, mögen die Landsleute aus Solidarität zur Ukraine Widersprüche und vor allem die Verlängerung des Krieges auf dem Weg zum »gerechten Frieden« aushalten. Um diesen Anspruch des Staates an seine Bürger*innen zu untermauern zog Steinmeier nun auch in seiner Weihnachtsansprache die Kennedy-Karte: »Frage nicht, was dein Land für dich tun kann – frage, was du für dein Land tun kannst.« Dabei gibt es zusätzlich eine Wendung in seiner Rhetorik: Die »Pflicht zur Hoffnung« definiert leider seine Wahrnehmung. Angeblich leben wir in bereits praktizierter Großherzigkeit, in frommer Offenheit gegenüber Fremden und in einem geeinten Europa.

Die Realität spricht bekanntlich eine ganz andere Sprache. Aber diese soll nicht mehr Kern von Auseinandersetzungen sein. Die Solidarität mit den ukrainischen Kriegsgeschädigten wird von Steinmeier untrennbar mit dem Einverständnis zur Politik der Bundesregierung verknüpft. Wie erfolgreich diese verlogene Strategie ist, zeigen die eher schwach besuchten Demos der progressiven Sozial- und Antikriegsbündnisse im Herbst. Wir wollten in dieser Ausgabe eigentlich auch Zuversicht verbreiten, begnügen uns aber damit zu sagen, was ist, und nicht, was wir uns wünschen. In 2023 werden die Konflikte des vergangenen Jahres fortgeführt, und wir sind angehalten, uns diesen Herausforderungen frohen Mutes und aus unserer antifaschistischen Perspektive zu stellen.

Inhalt

Zeitgeschehen

Werte und Politik – Rolle für Friedensbewegung (Regina Girod)
Maschendraht und Brandmauern (Silvio Lang)
Razzien bei der »Patriotischen Union« (Ulrich Peters)
Ziel: Ertrinkenlassen (Sea-Watch)
Lebt der »Flügel« erneut auf? (Janka Kluge)
Wieder mehr rassistische Brandanschläge (Nils Becker)
Keine Zeit verlieren (Liliana Segre)
Interview mit Rita Belter: Antifa-Ost-Verfahren (Nils Becker)
Meldungen
Interview mit Frank Nonnenmacher: »Aus dem Raster gefallen« (Andreas Siegmund-Schultze)
Vorurteile töten. Wen Polizeischüsse treffen (Ulrich Stuwe)
Antifeminismus als Ticket (Darline, Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Koblenz/Mittelrhein und AG Antifeminismus des Bundesverbandes Mobile Beratung e.V., BMB)
Archivfundstück: Umgang mit NS-Mördern (Regina Girod)
Würdigung für Luise Gutmann (Waltraud Bierwirth)

Spezial

»Holodomor« – Hungerkatastrophe als Genozid? (Maxi Schneider)

Porträt

Ernst Grube – ein Mahner, der anspornt (Friedbert Mühldorfer)

Geschichte

Hitlers Fürsprecher: Weg ins Dritte Reich (3/5) (Ulrich Schneider)
Rechter Personenkult in Südafrika (Andreas Bohne)

Internationales

Alpen und Widerstand (Peps Gutsche, Kim Dresel und Sophie Preibisch)
Kurdistan: Im »Nahen Osten« nichts Neues (Wanja Musta)

Kultur

»Colonia Dignidad«: Verharmloster Terrorort (Axel Holz)
Wendepunkt der Geschichte (Ludwig Elm)
Konfusion in Debatte von Historikern (Sebastian Schröder)
Zerstörung brechen (Friedrich Burschel)
Im Grunde gut – optimistisches Menschenbild (Emma Sammet)
Mythos und Epos (Reinhold Weismann-Kieser)
Wertvoller Lesestoff: Bibliothek der polnischen Holocaustliteratur (Gerald Netzl)
Wie divers ist Ausbeutung? (Janka Kluge)
Elise Ewert: Durch Höhen und Tiefen (Ronald Friedmann)
Resistenza – Beschreibung hautnah (Michael Mallé)
Lockdown und Provinz (Peps Gutsche)

Unser Titelbild

7. Januar 2023

Unser Titelbild zeigt eine Antifademo 2016 in Bautzen. Sie zog u.a. am zuvor von Unbekannten in Brand gesetzten "Hotel Husarenhof" vorbei. Dieses sollte ursprünlich eine Unterkunft für Geflüchtete werden. In der Gegend ist rassistische Hetze weiterhin eine erhebliche Gefahr. Foto: christian-ditsch.de

Unser Titelbild zeigt eine Antifademo 2016 in Bautzen. Sie zog u.a. am zuvor von Unbekannten in Brand gesetzten „Hotel Husarenhof“ vorbei. Dieses sollte ursprünlich eine Unterkunft für Geflüchtete werden. In der Gegend ist rassistische Hetze weiterhin eine erhebliche Gefahr. Foto: christian-ditsch.de

Werte und Politik

geschrieben von Regina Girod

7. Januar 2023

Was sie für die Friedensbewegung bedeuten

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine dauert nun schon fast ein Jahr an. Bundeskanzler Scholz sah durch ihn eine Zeitenwende markiert, und Außenministerin Baerbock verkündete, er habe der Bundesrepublik Deutschland eine neue, wertebasierte Außenpolitik beschert, weil nichts Geringeres als die westlichen Werte Freiheit und Demokratie jetzt mit allen Mitteln verteidigt werden müssten. Ihr Gebrauch des Wertebegriffs suggeriert, dass Politik auf der Grundlage von Werten etwas Besonderes, moralisch Hochstehendes darstellt: Eine Gemeinschaft verteidigt ihre höchsten Güter gegen Angriffe von außen. Tatsächlich basiert jedoch jedes menschliche Handeln und auch jede Politik auf Werten. Sie müssen durchaus nicht immer der Humanität oder dem Fortschritt verpflichtet sein. Gerade PolitikerInnen neigen deshalb dazu, ihre wahren Antriebe mit moralischem Getöse zu verschleiern. Werte und Politik weiterlesen »

Maschendraht statt Mauer

geschrieben von Silvio Lang

7. Januar 2023

Vorgänge in Bautzens CDU sind Testballon für eine Kooperation mit der AfD

Noch 2021 sprach Friedrich Merz von der Brandmauer der CDU nach rechts, die stehen müsse. Plus Ausschluss für alle Parteimitglieder, die dagegen verstießen. Heute wissen wir: Die Brandmauer gleicht eher einem löchrigen, verrosteten Maschendrahtzaun. Insofern überrascht kaum, was vor Weihnachten 2022 im Kreistag Bautzen geschah. CDU und AfD stimmten für eine »Überarbeitung« der Integrationsrichtlinie mit dem Ziel, die Leistungen weitgehend zu streichen. Der Fall von Bautzen hat eine neue Qualität: Zunächst ist da der eindeutig gegen Geflüchtete und Migrant:innen gerichtete Charakter des Beschlusses. Neu auch, dass CDU-Landrat und CDU-Kreistagsfraktion einem AfD-Antrag zustimmten. Wirklich empörend ist der kalkulierte Tabubruch auf offener Bühne: Kurz vor dem Beschluss lehnte die CDU eine geheime Abstimmung ab. Maschendraht statt Mauer weiterlesen »

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